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Geschichte der Prophetie

29. Dezember 2011

Und ich sage euch: Nach dem Schnee wird Frühling kommen! Wahrsager und Kaffeesatzdeuter haben zum neuen Jahr immer gut zu tun. Seit Jahrtausenden schon blicken Seher und Auguren in die Zukunft.

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Symbolbild Mystik (Foto: Fotolia)
Wann kommt der Weltuntergang? 2012? 2030?Bild: Fotolia

Krösus hätte besser nicht auf das Orakel von Delphi gehört. "Wenn der griechische Gott den Halys überschreitet, wird er ein großes Reich zerstören", lautete die Prophezeiung. Leider legte Krösus um 590 vor Christus die Weissagung falsch aus. Er bezog sie auf das Perserreich - und fiel rein. Denn im Orakel von Delphi war von seinem eigenen Reich die Rede, das zerstört werden sollte.

In der Antike spielte die Weissagung eine große Rolle. Die Allwissenheit der Götter sollte künftige Ereignisse vorhersehen und zugleich Tipps geben für das eigene Handeln. Doch egal ob Orakel von Delphi, biblische Propheten oder die Schweizer Hellseherin Uriella in der Gegenwart: Prophezeiungen hatten immer schon viel mit Interpretation zu tun. Genau das macht sie spannend und gefährlich zugleich.

Propheten sprechen in dunklen Worten

Illustration des Propheten Mohammed aus dem 17. Jahrhundert (Foto: Wikipedia)
Der Prophet MohammedBild: wikipedia.org

Deshalb warnte Jeremias seherisch im Alten Testament: "Lasst Euch von den Propheten, die unter euch sind, nicht betrügen, spricht der Herr." Die Propheten des Alten Testaments waren in der Gesellschaft anerkannt. Dass ihre Bücher in die Bibel aufgenommen wurden, beweist, welch große Achtung die Menschen vor den Boten Gottes hatten. Auch wenn bis heute über die Auslegung ihrer Schriften gestritten wird.

So hat die Bibel prophezeit, dass es einen Erlöser geben wird. Doch bis heute ist man sich uneins, ob der Messias schon da ist - oder ob er noch kommt. "Die Juden warten bis heute, die Christen meinen, er war schon da", fasst der Theologe Manfred Becker-Huberti die Debatte zusammen. Auslegungsschwierigkeiten gebe es immer bei der Prophetie, weil sie "in dunklen Worten" rede, die gedeutet werden müssen. Die Crux daran: Die Deutung ist offen für alle möglichen Varianten.

Alles Auslegungssache

Das Reden in dunklen Worten, die gedeutet werden müssen, ist für die Propheten selbst ziemlich praktisch. Denn auf diese Weise kann ihre Vorhersage nie falsch sein, sondern immer nur die Auslegung. Und die lässt oft einen großen Spielraum. Das gilt auch für die Ankunft des Messias, von der der Apostel Paulus im ersten Brief an die Thessalonicher folgendermaßen Kunde tat: "Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht." Dumm nur, dass man nie genau weiß, wann der Dieb nachts ins Haus einsteigt.

Porträt von Nostradamus (Foto: PA/dpa)
Ernstzunehmder Astrologe oder Scharlatan? Michel de Notredame. Berühmt ist er für seine dunklen Prophezeiungen.Bild: picture alliance / dpa

Nostradamus' Worte gelten bis heute

Ihren Höhepunkt erlebte die Prophetie im Mittelalter. Vor allem der Seher Nostradamus, der von 1503 bis 1566 gelebt haben soll, wird auch heute noch gerne zitiert. Sein Spezialgebiet war die Vorhersage von Weltuntergängen. So behaupten seine Jünger, er habe sogar die Bombe von Hiroshima vorhergesagt.

Michel de Notredame - wie Nostradamus eigentlich hieß - war eine Mischung aus Prophet, Mystiker und Wahrsager. "Die Wahrsagerei bei ihm liegt darin, dass seine Aussagen sehr nebulös sind. Wie sie gedeutet werden, hängt größtenteils vom Interpreten ab, der diese Wahrsagerei benutzt. Der andere Aspekt ist der, dass er so tat, als hätten seinen Vorhersagen naturwissenschaftliche Berechnungen zugrunde gelegen", erklärt Manfred Becker-Huberti die Faszination von Nostradamus.

Lieblingsthema: Katastrophen

Der wohl berühmteste Seher aller Zeiten schrieb in Versen. Er war aber vor allem ein sehr begnadeter Selbstdarsteller, der seine Visionen zu inszenieren wusste. Dafür guckte er in die Sterne oder begab sich wie ein Schamane in einen Zustand der Entrückung. In seinen 1555 veröffentlichten "Centurien" beschrieb Nostradamus sein Vorgehen folgendermaßen. "Faß' ich die Wünschelrute an den Zweigen / So dringt's wie eine Weile mir durch Kleid und Glieder / Furcht, eine Stimme heißt mich schweigen / Göttlicher Glanz. Göttliches schwebt hernieder."

Katastrophen, Tod, das Ende der Welt - je schrecklicher die Vorhersagen, desto besser konnten die Propheten ihre Weissagungen verkaufen. Das funktioniere bis heute nach dem gleichen Schema, sagt Manfred Becker-Huberti. Darauf hereinzufallen, sei Zeichen einer unheilbaren Krankheit.

Wahrsagen über den Bildschirm

Blitze erhellen den Nachthimmel (Foto: PA/dpa)
Weltuntergang - das Spezialgebiet der ProphetenBild: picture-alliance/dpa

Für Theologen wie Manfred Becker-Huberti sind nicht-christliche Vorhersagen, wie sie zuhauf im Fernsehen von Hobby-Wahrsagern angeboten werden, natürlich von vorneherein suspekt. Denn die Kirche beanspruchte schon immer das Wissensmonopol bei der Prophetie. Eine Wissenschaftlerin wie die Kölner Psychiaterin Katharina Belitz beurteilt die Sehnsucht nach Zukunftsvorhersagen darum längst nicht so negativ. Sie sieht darin eher ein menschliches Grundbedürfnis, das nicht krankhaft ist. "Wenn Menschen in die Zukunft schauen wollen, heißt das, dass sie lieber auf Erklärungssysteme zurückgreifen, die das aufgeklärte und naturwissenschaftliche Weltbild nicht bedient." Wer auf solche Erklärungssysteme setzt, brauche andere Fähigkeiten als Menschen, die rationaler denken.

Geschäft mit der Hellseherei

Allein bei der Agentur Questico - im Internet und Fernsehen einer der Marktführer für Hellseherei - gehen nach eigenen Angaben jährlich mehr als eine Million Anrufe von Menschen ein. Sie wollen sich durch Kartenlegen, Pendeln oder andere esoterische Tricks Vorhersagen machen lassen.

Gerade bei Menschen mit Zukunftsangst sei allerdings eine lange psycholgische Begleitung erforderlich. Menschen von ihren Ängsten zu befreien, das brauche Zeit, sagt Psychiaterin Belitz. Die Angebote von Wahrsagern oder Hellsehern seien genau deshalb so attraktiv, weil sie einen kürzeren und schnelleren Weg versprächen. "Bei Lebensproblemen hilft es aber nicht zu wissen, dass man 2011 an Silvester einen Unfall hat. Das bringt gar nichts für die individuelle Lebensplanung", sagt Belitz.

Weltuntergang steht bevor

Ein bisschen Zukunftssehnsucht steckt wohl in jedem von uns. Zumindest der 31. Dezember ist ein Datum, an dem selbst rational denkende Menschen gerne aus Bleiklumpen ihr Glück für die Zukunft herauslesen. In diesem Jahr birgt das aus esoterischer Sicht allerdings einiges Risiko. Denn für 2012 ist der Weltuntergang - wieder einmal - vorausgesagt. Diesmal nicht von Nostradamus, sondern von den Mayas. Der letzte Tag ihres Kalenders ist der 21.12.2012. Denn dann soll alles Leben auf der Erde enden.

Autorin: Sabine Oelze
Redaktion: Aya Bach