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Der Literaturagent

12. März 2010

Ein Autor, der einen Verlag sucht, braucht einen Agenten. Der handelt dann knallhart die Verträge aus und kümmert sich auch sonst um alles, was nicht mit feingeistlichem Denken und Schreiben zu tun hat.

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Karin Graf, die Geschäftsführerin der Literaturagentur Graf und Graf (Foto: Graf und Graf)
Bild: Graf und Graf

Karin Graf sitzt mit tiefer Ruhe und Gelassenheit in der Küche ihres großzügigen Büros im Berliner Stadtteil Charlottenburg. Es ist später Nachmittag, Spatzen fliegen gerade in den Hinterhof, auf der Suche nach einem Nachtquartier. Karin Grafs Arbeitstag ist noch lange nicht zu Ende. "Ich komme allerdings immer erst um 10 Uhr ins Büro", sagt sie. Das bedeutet aber nicht, dass sie davor nicht gearbeitet hat.

Bevor sie ins Büro geht, liest sie schon Manuskripte von Autoren, auch am Wochenende und in den Urlaub fährt sie sowieso nie ohne Manuskripte. Einmal in ihrer Literaturagentur angekommen, liest sie jedoch nicht mehr eine Zeile: "In der Zeit führe ich alle wichtigen Gespräche mit unseren Autoren oder Verhandlungen mit Verlagen."

Autoren sind keine Geschäftsgenies

Ihre Literaturagentur "Graf und Graf" betreut und vertritt rund 100 Belletristik- und Sachbuchautoren. Vor 15 Jahren war Karin Graf eine der ersten Literaturagenten in Deutschland. Heute gibt es zirka 100 ernst zunehmende Agenturen. Sie kennen sich in der breiten deutschen Verlagswelt gut aus, wissen welcher Verlag zu welchem Manuskript passt, kennen die Lektoren und deren Buchgeschmack.

Kunstwerk "Weißer Papierhaufen" von Reiner Ruthenbeck (Foto: dpa)
Würde Karin Graf die Manuskriptflut nicht steuern, könnte sie auch so etwas bauenBild: dpa

Laut einer Schätzung landet rund die Hälfte der deutschsprachigen Neuerscheinungen über Agenten bei den Verlagen. Natürlich könnte ein Autor auch ohne eine Literaturagentur zurechtkommen. Karin Graf hält das jedoch eher für die Ausnahme. Wenn ein Autor extrem gut schreibe, extrem kommunikativ begabt sei und extrem geschäftstüchtig, dann brauche er keinen Agenten. Von solchen Autoren gebe es aber nicht so viele, sagt sie. Das widerspreche auch dem, was kreative Menschen meistens seien - nicht unbedingt die Kommunikationsgenies und Geschäftsgenies und erst recht nicht alles zusammen.

Wechselseitige Abhängigkeit

Dafür fühlt sich Karin Graf in diesem Bereich umso wohler. Muss sie auch, denn von ihrem Verhandlungsgeschick hängt finanziell letztlich auch ihr Unternehmen ab. Aus jedem Vertrag, den sie für den Autor mit dem Verlag abschließt, bekommt ihre Agentur 15 Prozent. "Nur indem ich mein Wohlergehen an das des Autors kette, kann so etwas wie eine Literaturagentur auch ernsthaft funktionieren."

"Graf und Graf" vermittelt im Jahr über 100 Bücher an rund 50 unterschiedliche Verlage. Hinzu kommen Provisionen aus weiteren Vermittlungen wie beispielsweise den Verkauf von Filmrechten. Karin Graf und ihr Team aus sechs Mitarbeiterinnen überlegen sich sehr genau, in welches Manuskript und in welchen Autor sie ihre zunächst einmal unbezahlte Arbeitszeit investieren.

"Rufen Sie uns nicht an…wir rufen Sie an!"

Zeichnung: viele Menschen sprechen durcheinander (Foto: Raimo Berg)
Karin Graf kommuniziert oft. Viel. Lange. Muss sein.

Unaufgeforderte Manuskripte nehmen sie erst gar nicht an. Sie verlassen sich auf eigene Entdeckungen und vor allem auf Empfehlungen aus ihrem Netzwerk. Auf einen Auftritt im Internet verzichten sie deshalb auch bewusst, um sich vor Manuskript-Fluten zu schützen. Etwa 90 Prozent der durch Graf und Graf vertretenen Texte werden veröffentlicht. Wenn es mal nicht klappt, ist das nicht nur eine finanzielle Belastung: "Wenn ich ein Buch, das ich angenommen habe und an das ich glaube, nicht unterbringen kann, schmerzt mich das schon sehr." Nicht so sehr wie den Autor sicherlich, da sie im Gegensatz zu ihm nicht rund drei Jahre sondern eher drei Monate an dem Manuskript gearbeitet hat. "Es deprimiert schon, wenn ich genau weiß, dass der Text ein Kunstwerk ist und ich es nur nicht verkaufen kann, weil es zu still oder zu düster geschrieben ist."

Deutsch ist gut, Englisch ist besser

Dafür freut es sie umso mehr, wenn es einer ihrer Autorinnen oder Autoren auf den englischsprachigen Markt schafft, laut Karin Graf eine Tür zur Welt. Denn ist ein Buch einmal ins Englische übersetzt, hat es größere Chancen auch in andere Sprachen übersetzt zu werden. Sie wünscht sich, die USA würden sich mehr für die europäische Literatur öffnen und die Leser dort wären neugieriger auf das Leben der Leute in Deutschland, denn das würde die deutsche Literaturwelt enorm ankurbeln. Karin Graf vermittelt selbst keine Manuskripte ins Ausland. Ihr fehlen die entsprechenden Kontakte, sagt sie. Dafür gebe es wiederum weitere Agenturen, die sich darauf spezialisiert haben, deutsche Autoren an ausländische Verlage zu vermitteln.

Autorin: Nadine Wojcik

Redaktion: Gabriela Schaaf/ Marlis Schaum