1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Das digitale Standbein

Klaus Esterluss14. April 2015

Der Verkauf von Kunstwerken ist bislang vor allem ein offline-Geschäft. Doch Start-Ups und Künstler sehen das Netz immer mehr als Chance, sich ein Standbein zu schaffen und online die ganze Welt zu erreichen.

https://p.dw.com/p/1F7dp
Drei Holzreliefs mit Tier- und Menschenabbildungen (Foto: Nora Leschinski)
Die Holzreliefs von Nora Leschinski kann man online kaufen, wirklich erfahren kann man sie aber nur offline.Bild: Nora Leschinski

Am 15.4. beginnt die Art Cologne in Köln, die größte deutsche Kunstmesse. Und auch die Art Basel, immerhin die größte Messe dieser Art weltweit, wirft ihre Schatten voraus. Beide Messen haben Tradition, sind hochgeschätzt und ziehen jeweils zehntausende Besucher im Jahr an. Und beide sind vor allem Messen für einen Kunstmarkt, den man fühlen, riechen, haptisch erfahren kann. Hier sind Hunderte Galerien vertreten, sie zeigen Kunstwerke, ihre Kataloge sind bedrucktes Papier. Natürlich spielen Webseiten eine Rolle, das Internet ist Thema, aber rein virtuell kann so eine Messe nicht sein. Daniel Hug, Direktor der Art Cologne, sieht deshalb das Netz vor allem als Kommunikationsbeschleuniger zwischen Galerien und Sammlern, das Versenden von Dias beispielsweise fiele heute weg. "Die meisten Sammler wollen ein Kunstwerk zunächst mit den eigenen Augen sehen, bevor sie zuschlagen", sagt er. Auch wenn Kunstwerke oft im Vorfeld einer Messe reserviert würden, erst am Eröffnungstag folgten persönliche Begutachtung und endgültige Kaufentscheidung.

Der Markt ist klein, aber kreativ

Und doch gibt es sie, die Kunden im Netz. 2,5 Milliarden Euro haben sie im Jahr 2013 umgesetzt, schreibt der Report der European Fine Art Fair (TEFAF), der einmal im Jahr den globalen Kunstmarkt untersucht. Was klingt wie eine große Menge Geld, entspricht bislang nur etwa fünf Prozent des weltweiten Verkaufs von Kunst und Antiquitäten. Sogenannte Erstverkäufe sind das oft, also frische Werke, die zu neuen Liebhabern kommen. Dazu addieren sich bislang vor allem Kunstdrucke und Fotografien. Aber hier ändert sich etwas, schreiben die Analysten. Und daran haben viele junge, web-affine Künstler einen Anteil.

Ein Werk der Künstlerin Stefanie Schairer, es zeigt ein weißes Gesicht auf grauem Grund mit rosa Kleidung und Haaren (Foto: Stefanie Schairer)
Kunst im Netz verkauft sich immer besser, noch macht sie aber einen kleinen Teil des Gesamtumsatzes ausBild: Stepahnie Schairer

"Das Netz ist für mich ein Glücksgriff", sagt Stefanie Schairer. Seit sie dabei ist, knapp zehn Jahre sind das inzwischen, wachse seine Bedeutung immer mehr. Die Berliner Künstlerin ist in etlichen Künstler-Netzwerken aktiv, nutzt Soziale Medien und verkauft natürlich ihre Werke über Online-Portale. "Aber", sagt sie weiter, "man darf nicht erwarten, dass es schnell geht. Ich lege eine Seite an und dann beginne ich zu verkaufen? Nein, das Netz ist wie ein Samen, der austreiben muss, man braucht Geduld."

"Eine Website ist wie ein Katalog im Internet", ergänzt die Holzbildhauerin Nora Leschinski. Sie arbeitet fernab vom brodelnden Kunstbetrieb einer Hauptstadt, in der thüringischen Provinz. Auch hier spielt das Netz eine entscheidende Rolle. "Ich verbringe täglich mehrere Stunden online", sagt sie. "Das Netz erlaubt mir ein zurückgezogenes, naturnahes Leben." Und trotzdem habe nahezu jeder auf der ganzen Welt Zugriff auf ihre Werkschau aus Kleinplastiken, Grafiken und Bilder.

Verschiedene Wege führen zum Sammler

"Das Interesse an junger Kunst ist vorhanden, es ist sogar enorm", sagt Jenny Seul. Sie hat 2011 Start Your Art gegründet, eine Plattform, bei der über Auktionen Werke von zumeist noch unbekannten Künstlern angeboten werden. Die studierte Kunsthistorikerin legt Wert darauf, dass sich die Künstler bewerben und strengen Kriterien stellen müssen. "Nicht alle sind ausgebildete Leute", sagt sie. "Sie müssen aber etwas haben, spannend sein und keine Abziehbilder." Von 100 Bewerbern sei vielleicht einer dabei, der aufgenommen würde.

"Echte Auktionen", räumt Seul ein, "sind noch die Ausnahme. Meist bekommt der Erstbietende am Ende den Zuschlag." Die Preise bewegen sich dabei, je nach Objekt, Arbeitsaufwand und Größe zwischen unter Hundert und mehreren Tausend Euro. Wobei Werke im vierstelligen Bereich selten verkauft werden. Noch, sagt die Unternehmerin. "Ich beobachte, dass Leute wiederkommen, die schon einmal etwas gekauft haben, und die geben dann auch mehr Geld aus, weil sie wissen, dass es funktioniert.”

"Man muss erst ein Verständnis für Unikate schaffen", sagt Katalin Pöge von Mailetti. Mit ihrem Unternehmen, das Einzelstücke von aktuell 86 Künstlern im Programm hat, will sie das schaffen. "Die Leute sind heute durchaus bereit, Geld für Kunst auszugeben. Allerdings haben sie den Sinn dafür, was ein Unikat ist, was eine Reproduktion, eine Kopie, ein Poster, verloren." Daran ist das Netz sicher nicht unschuldig. Immer wieder, erzählt Katalin Pöge, drucken Menschen die Bilder, die Mailetti anbietet, einfach aus. "Die wollen das Bild. Dass es im Druck aber nicht ans Original herankommt, ist ihnen egal." Denn wenn der gleiche Picasso, der sonst als Original im Museum of Modern Art hänge, auch als Poster im Möbelhaus zu haben sei, verschwimme das Bild. Dagegen verschicken die drei Gründer von Mailetti Kunst per Brief, ausgeklügelt verpackt.

Ein Bild von Mailetti in seiner Verpackung, klein genug für den Briefkasten (Foto: Mailetti)
Mehr als Poster: Gründer, die Kunst im Netz verkaufen, wollen ihren Kunden auch den idellen Wert ihrer Werke vermittelnBild: Mailetti

"Heute gibt es kaum noch Post, die einen erfreut", sagt sie. "Das war früher anders. Jeder hat doch einen Briefkasten, der heute verkümmert. Das sollte nicht mehr so sein." Damit sie in den handelsüblichen Briefkasten passen und nicht als Päckchen vom Paketboten überreicht werden müssen, sind die Bilder bei Mailetti klein, Quadrate von etwa 10 mal 10 Zentimetern. 49 Euro kostet so ein Bild. Alle haben denselben Preis und bei allen ist bis zum Kauf nicht klar, wer Urheber des Bildes ist. Diese Anonymität, sagt die Gründerin, sei der Grund, warum einige Künstler überhaupt dabei seien. "Mailetti hat ein bisschen was von Lottospielen. Man kauft etwas, das man mag, weiß aber nicht, wen man kriegt." Das Konzept führe sogar dazu, dass Käufer zu raten beginnen, welcher Künstler hinter einem bestimmten Bild stecke. Gelinge ihnen das, sei die Freude über das gekaufte Bild umso größer.

Nicht die Katze im Sack kaufen

Aber, sagt Tricia Rampe, das Internet habe ein entscheidendes Problem. Die Gründerin des US-Unternehmens Get Art Up erklärt, dass es online schwer sei, etwas wirklich teures zu verkaufen. Deshalb verleihe ihr Unternehmen Kunst, gegen eine monatliche Gebühr. Bei Gefallen können die Werke, die vor allem von Künstlern stammen, die das Potential für einen Durchbruch im Kunstbetrieb hätten, auch gekauft werden. Die Jahrtausend-Generation, so Rampe, sehe den Wert von einem Luxusgut wie Kunst. Sie muss diese aber nicht unbedingt besitzen. "Außerdem hat nicht jeder, der Kunst mag, auch das Geld, sie für Tausende von Dollar zu kaufen." Leihen könne auch zu einem späteren Besitz führen und damit eine Lösung sein, Kunstinteressierte an das Thema heranzuführen.

Überhaupt verstehe die Kunstwelt heute immer besser, dass das Internet eine Plattform darstelle, die den Kunstverkauf um ein Vielfaches vereinfache, sagt Marius Sowka. Sein Kopenhagener Start-Up Artworkheroes setzt auf eine preiswerte und karitative Nische. Es bietet hochwertige Drucke an, nicht nur auf Papier, sondern auch auf Taschen und Kleidung. "Jeder Kauf bringt nicht nur dem Künstler Einnahmen, sondern unterstützt zusätzlich auch kleine, zertifizierte Wohltätigkeitsorganisationen", so Sowka. "Wir nennen unsere Künstler darum ArtworkHeroes, sie sind Helden, die nicht nur die Welt verschönern, sondern sie durch die Spenden auch ein kleines bisschen besser machen."

Eine Holzskulptur, die einen Taucher darstellt (Foto: Nora Leschinski)
Online verkaufte Kunst ist selten hochpreisig, doch der Markt ändert sichBild: Nora Leschinski

Kunst braucht das Netz, aber kann auf Offline nicht verzichten

Egal, ob die Kunstwerke im Netz teuer sind oder nicht. Der Markt wird wachsen, davon gehen die Analysten des TEFAF Reports aus. Um mindestens ein Viertel im Jahr soll es nach oben gehen, im Jahr 2020 sei ein Umsatz von zehn Milliarden Euro möglich. Diese Zahl schließe Online-Verkäufe von Auktionshäusern genauso mit ein, wie klassische Kunstverkäufer und Anbieter, die sich ausschließlich auf den Onlinehandel spezialisiert haben. Mit einer neuen, jüngeren Generation von Sammlern und Kunstinteressierten rückten auch Preise jenseits einiger Hundert Euro und auch andere Stilrichtungen, Skulpturen etwa oder große Gemälde, in den Mittelpunkt.

Von dieser Entwicklung profitieren am Ende auch die online-affinen Künstlerinnen Nora Leschinski und Stefanie Schairer. Sie setzen auf das Netz und seine Vorzüge, um unkompliziert erreichbar und an vielen Stellen zeitgleich präsent zu sein. Aber auf die reale Welt verzichten? Das können und wollen beide nicht.

"Ich schaffe aus schweren Eichenklötzen Bilder", sagt Leschinski. Die könne sie zwar im Internet abbilden, aber Farbe, Gewicht, Geruch und Haptik, die "naturgemäß eine große Rolle spielen", könne das Netz eben nicht ersetzen. "Es ist mindestens genauso wichtig, Arbeiten in Galerien auszustellen, wie Objekte im Internet zu verkaufen."

"Man kann Offline nicht einfach ersetzen", sagt auch Stefanie Schairer. Der Unterschied beim Kontaktepflegen sei einfach zu groß. "Beim Austausch zwischen zwei Menschen passiert ja noch so viel mehr. Ja, das Netz ist notwendig, es ist effektiv. Aber ich würde damit nie persönliche Kontakte ersetzen."