1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kulturakademie Tarabya

Anna Esser / bg12. September 2012

Raum für Kreativität. Das und mehr will die Kulturakademie Tarabya in Istanbul mit ihrem Stipendiaten-Programm erreichen. Die Künstler, die hier bald ihre Arbeit aufnehmen, stehen für ein breites künstlerisches Spektrum.

https://p.dw.com/p/164Ld
Das Gebäude der deutschen Sommerresidenz Tarabya in Istanbul
Istanbul - Tarabya Künstler AkademieBild: picture-alliance/dpa

Als Tochter eines Lehrers an der Deutschen Schule zog Anna Esser 1988 zum ersten Mal nach Istanbul. Nach dem Abitur an dieser Elite-Schule am Bosporus studierte sie in Berlin und Bielefeld Sozialwissenschaften und Deutsch als Fremdsprache, bevor ihr weiterer Lebensweg sie nach Santiago de Chile, Cali (Kolumbien) und Salamanca (Spanien) führte. 2006 kehrte Esser nach Istanbul zurück, arbeitete unter anderem als Deutschlehrerin für den DAAD (Deutscher Akademischer Auslandsdienst) an der Marmara-Universität sowie an der Kültür-Universität. 2008 wurde sie Lehrkraft beim Goethe-Institut und übernahm 2010 in der Programmabteilung die Zuständigkeit für Musik-, Wort- und Literaturveranstaltungen. Darüber hinaus war sie ehrenamtlich Kulturredakteurin der Zeitung IstanbulPost und verfasste Beiträge für deutsche Zeitungen, darunter die Berliner Zeitung und die Frankfurter Allgemeine Zeitung. In ihrem Beitrag für den deutsch-türkischen Kultur-Treffpunkt beschreibt sie die neue Künstlerakademie in Tarabya, einem der schönsten Stadtteile von Istanbul.

Weitab von der Hektik des Stadtzentrums von Istanbul liegt die Sommerresidenz des deutschen Botschafters in Tarabya, einem Stadtteil auf der europäischen Seite in Richtung Schwarzes Meer. Nur eine Uferstraße trennt die Anlage vom Bosporus. Sie ist ein Geschenk des osmanischen Sultans Abdülhamid II. an den letzten deutschen Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1880. Durch ein schweres Eisentor gelangt der Besucher in einen prächtig angelegten Garten mit üppigen Rosensträuchern in weiß und rosa. Dahinter erstreckt sich ein Park. Es durftet nach frisch gemähtem Gras, die mächtigen Kastanien spenden kühlenden Schatten: eine Oase in der sonst so chaotischen Stadt. Hier zu sitzen und zu schreiben, oder in einem Skizzenbuch den Alltag zu verarbeiten, muss für jeden Künstler ein Traum sein. Links und rechts vom Eingang stehen herrschaftliche, weißgestrichene Holzhäuser.

Eines davon, es liegt ein wenig versteckt hinter dem Botschafterhaus, wurde gerade frisch renoviert und mit neuem Mobiliar bestückt, damit im diesem Herbst die ersten Gäste einziehen können. Die im Oktober 2011 eröffnete Kulturakademie Tarabya wird dann Stipendiaten der deutschen Kulturszene beherbergen, die in ihrem künstlerischen Schaffen gefördert werden und sich in ihren Arbeiten von der Stadt und ihrer Kultur inspirieren lassen können.

Die Idee zur Gründung einer Kulturakademie in Istanbul kam 2008 vom Deutschen Bundestag. Endlich, möchte man sagen, denn seit vielen Jahrzehnten sind Deutschland und die Türkei eng miteinander verbunden, nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell. Auf türkischer Seite sind es vor allem Künstler wie Fatih Akin oder Feridun Zaimoglu, die in den letzten Jahren allgemein Anerkennung gefunden haben. Aber auch zahlreiche deutsche Künstler wie der Fotograf Andreas Gursky oder der Schriftsteller Uwe Timm sind mit ihren Arbeiten inzwischen immer häufiger in der Türkei präsent.

Kultur erleben – Kunst schöpfen

Diesen Austausch weiterhin zu fördern und nachhaltig zu intensivieren, das ist das Ziel der Kulturakademie Tarabya. Und wie gelänge dieser Dialog besser als durch das Eintauchen in die jeweils andere Kultur? Denn in der Auseinandersetzung mit dem Fremden erfährt der Künstler neue Perspektiven und kann das Erlebte in seine Arbeit einfließen lassen. Die deutschen Künstler lernen die Menschen in der Türkei, ihre Wertvorstellungen und ihre Kultur kennen, können ihre Lebensgewohnheiten, ihren Alltag miterleben und sich mit den Arbeiten der türkischen Künstler auseinandersetzen. Diese Erfahrung können sie in ihre Werke einbinden und somit ihre Eindrücke weitergeben.

Die Akademie bietet Kuratoren und Künstlern der Sparten Visuelle Kunst, Literatur, Film, Theater und Musik aus Deutschland die Möglichkeit, sich durch einen drei bis zehnmonatigen Studienaufenthalt in Istanbul künstlerisch weiter zu entwickeln. Darüber hinaus können sich die Stipendiaten während des Aufenthalts am Rahmenprogramm der Kulturakademie wie Konzerten, Lesungen und Konferenzen beteiligen und gemeinschaftliche, interdisziplinäre Projekte initiieren. Die Leitung der Kulturakademie Tarabya liegt bei der Deutschen Botschaft Ankara, die kuratorische Verantwortung hat das Goethe-Institut übernommen, das auch für die Betreuung der Stipendiaten und für die Vermittlung und Pflege von Kontakten zu Künstlern vor Ort zuständig ist.

Stipendiaten von internationaler Jury ausgewählt

Ausgewählt wurden die ersten Stipendiaten von einer hochrangigen Jury, bestehend aus der Theatermacherin Shermin Langhoff, dem Kurator und Kunsthistoriker David Elliott, der Schauspielerin Sibel Kekilli, dem Komponisten und Musikwissenschaftler Wolfgang Rihm sowie dem Lyriker und Übersetzer Joachim Sartorius.

Die Stipendiaten, die nun im Herbst in die neue Kulturakademie einziehen werden, sind die Videokünstlerin und Fotografin Annika Eriksson, der Lyriker und Übersetzer Gerhard Falkner, die Filmregisseurin und Kuratorin Martina Priessner, die Schriftstellerin und Theaterregisseurin Marianna Salzmann sowie der Gitarrist und Komponist Marc Sinan. Sie sind also die ersten in einer Reihe von Künstlern, die in den nächsten Jahren die Möglichkeit haben, in die türkische Kultur einzutauchen und sich von ihr inspirieren zu lassen.