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Die Krise wird zurückkommen

Zhang Danhong28. März 2012

Die Euroländer haben beschlossen, den Schutzwall auf etwa 800 Milliarden Euro aufzustocken. Dabei geht es nicht um die Höhe der Rettungssumme, sagt der Wirtschaftsexperte Clemens Fuest im DW-Gespräch.

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Prof. Clemens Fuest (Foto: dpa)
Prof. Clemens FuestBild: picture-alliance/dpa

Deutsche Welle: Herr Professor Fuest, der Fiskalpakt ist geschnürt; Griechenland wird entschuldet; die Europäische Zentralbank hat Zeit gekauft; die Brandmauer um die Eurozone wird hochgezogen. Ist die Schuldenkrise erst mal in den Hintergrund getreten?

Clemens Fuest: Ja, auf den ersten Blick sieht das so aus. Überwunden ist die Schuldenkrise aber aus meiner Sicht noch nicht. Das liegt vor allem daran, dass die Krisenländer Reformen durchführen und einen schmerzhaften Anpassungsprozess durchlaufen müssen. Die Lohstückkosten müssen reduziert werden, damit die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft steigt. Zudem müssen die Hauspreise weiter sinken. Dieser Prozess ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Insofern fürchte ich, dass die Krise in den nächsten Monaten mit Macht zurückkommt.

Deutschland hat sich nach langem Zögern bereit erklärt, den Rettungsfonds auf 700 Milliarden Euro aufzustocken. Die OECD forderte eine Billion. Wäre das sinnvoll?

Ich glaube, dass die Diskussion über die Zahlen überbewertet wird. Wenn es wirklich so wäre, dass größere Länder in Schwierigkeiten kommen und ihre Schulden nicht mehr bezahlen könnten, dann müsste Deutschland ohnehin helfen und für mehr haften, denn die Alternative wäre ja ein großer Staatsbankrott, der den Finanzsektor in Europa in den Abgrund reißen würde. Insofern ist es aus meiner Sicht nicht so wichtig, ob man jetzt sagt: Wir haften gemeinsam in Europa für 700 Milliarden oder für eine Billion.

Die OECD wünscht sich auch eine aktivere Rolle der EZB. Das hätten auch gerne eine Reihe anderer Euroländer. Soll sich die EZB Ihrer Meinung nach als Feuerwehr zurückziehen oder noch stärker engagieren?

Man muss sehr vorsichtig sein, wenn man fordert, dass sie sich zurückzieht. Andererseits wäre es sicherlich auch nicht richtig, wenn die EZB explizit sagen würde: Wir lassen die Renditen der spanischen oder der italienischen Staatsanleihen nicht über ein gewisses Niveau hinauswachsen. Die EZB ist unabhängig und das sollte man respektieren. Sie wird von Fall zu Fall entscheiden, ob sie stabilisierend eingreift. Ich bin kein Gegner von Eingriffen der EZB, auch wenn sie das an die Grenzen ihres Mandats führt. Aber sie jetzt offiziell zur Krisenfeuerwehr zu erklären, sie für zuständig zu erklären, überschuldeten Staaten zu helfen, das würde zu weit gehen.

Deutschland ist auch hier in einer Minderheitenposition. Wie lange kann die Bundesregierung dem Druck von außen standhalten?

Die Bundesregierung gibt ja immer wieder ein bisschen nach, jetzt etwa bei der Ausstattung des Rettungsfonds. Insgesamt vertritt die Bundesregierung aber die Linie, dass der Schlüssel zur Überwindung der Krise in der Lösung der Probleme in den Krisenländern liegt. Da müssen Reformen stattfinden, da müssen die Lohnkosten angepasst werden, die Hauspreise müssen herunter, die Banken müssen saniert werden. Ich denke, dass diese Position durchaus länger durchzuhalten ist. Richtig ist natürlich, dass man, wenn etwas schief geht, helfen muss. Wenn der Kapitalmarkt zum Beispiel das Vertrauen in Spanien verlieren würde, dann wäre Deutschland wohl gezwungen, mehr Kredite bereitzustellen. Aber wichtig ist, dass die Bundesregierung immer wieder darauf hinweist: Es ist nicht damit getan, immer mehr Geld für Rettungsschirme bereitzustellen. Die Probleme können nur gelöst werden, wenn die Krisenländer ihre Hausaufgaben machen.

Demnächst wird in Griechenland und Frankreich gewählt. In Irland wird über den Fiskalpakt abgestimmt. Worauf muss sich die Eurozone einstellen?

Wenn François Hollande die Wahlen in Frankreich gewinnt und das Paket des Fiskalpakts aufschnüren möchte, dann kann das durchaus zu einer gewissen Unruhe führen. Das heißt, die Diskussion über den richtigen Kurs wird sich zumindest intensivieren. In Griechenland ist es durchaus denkbar, dass sich politische Kräfte durchsetzen, die den Sanierungskurs neu verhandeln oder vielleicht von ihm abweichen wollen. Ich persönlich rechne allerdings nicht damit. Ich denke, dass die Politik, die Krisenländer durch Abbau von Staatsdefiziten und durch wirtschaftspolitische Reformen zu sanieren, auch weiter verfolgt wird. Denn die Alternativen dazu haben schlechte Aussichten auf Erfolg.

Wo lauert die nächste Gefahr? Wenn ich Sie richtig verstanden habe, in Spanien?

Spanien ist in einer schwierigen Lage, weil das Land in einer tiefen Rezession steckt. Das Staatsdefizit sinkt nicht. Die spanische Regierung befürchtet, dass der Abschwung sich verschärft, wenn man weiter Staatsausgaben abbaut. Aber auch Portugal ist in einer sehr schwierigen Lage. Selbst in Italien kann die Stimmung schnell umschlagen. Derzeit traut man der italienischen Regierung zu, dass sie das Notwendige tut. Aber auch da stellt sich die Frage: Ist die Unterstützung für diese Politik dauerhaft gesichert? In Irland ist unklar, ob das Land endlich aus der Rezession herauskommt. Man muss also damit rechnen, dass es nicht nur in Spanien, sondern in allen Krisenländern immer wieder zu kritischen Situationen kommen kann.

Professor Clemens Fuest lehrt seit 2008 an der Universität Oxford, außerdem berät er die deutsche Bundesregierung. Im März 2013 wird er Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim und Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung.