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"Die Kommission kneift, wenn es ernst wird"

26. Februar 2015

Die Entscheidung der EU-Kommission, Frankreich mehr Zeit zum Erreichen seiner Defizitziele einzuräumen, wird in Paris erwartungsgemäß begrüßt. Aus Deutschland kommt dagegen teilweise heftige Kritik.

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Symbolbild EU Gipfel
Bild: picture-alliance/dpa

"Der Vorschlag der Europäischen Kommission ist sehr problematisch", sagte der haushaltspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Eckhardt Rehberg (CDU), am Donnerstag (26.02.2015). Erneut betätige sich die Kommission als Weichmacherin des Stabilitätspaktes anstatt ihn konsequent anzuwenden. "Es ist traurig, dass die Kommission kneift, wenn es ernst wird", sagte auch der Vorsitzende der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Herbert Reul.

Die Kommission hatte der Regierung in Paris am Mittwoch das neue Ziel gesetzt, bis 2017 die Neuverschuldung unter die Marke von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu bringen. Zudem müsse mit zusätzlichen Ausgabenkürzungen in diesem Jahr das strukturelle Defizit, das Konjunktureinflüsse ausblendet, um 0,2 Prozent gesenkt werden.

"Regeln wie auf dem Basar"

Europaparlamentarier Reul kritisierte besonders den französischen EU-Kommissar Pierre Moscovici. "Dass Währungskommissar Moscovici nun Sanktionen erneut aufschiebt, entwertet die Verbindlichkeit der Regeln in unverantwortlicher Weise", teilte er mit. "Die Kommission handelt in einer für die Euro-Zone äußerst sensiblen Zeit extrem kontraproduktiv", sagte auch der finanzpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Bartholomäus Kalb.

Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), bemängelte die Entscheidung der Kommission ebenfalls. Er warf ihr im Deutschlandfunk vor, mit zweierlei Maß zu messen. "Dort wird Nachsicht geübt, während man mit den Programmländern doch mit großer Härte vorgegangen ist."

Auch Bundesbankchef Jens Weidmann hat das jüngste Entgegenkommen der EU-Kommission im Haushaltsstreit mit Frankreich scharf kritisiert. Die jüngste Aufweichung des Stabilitätspakts für Paris sei "besorgniserregend", sagte der Notenbankchef der "Märkischen Allgemeinen". Zum Höhepunkt der Euro-Krise sei beteuert worden, dass die Fiskalregeln deutlich gehärtet würden. Davon sei "offenbar nicht viel übrig geblieben", sagte Weidmann. "Die Regeln sind kaum noch nachvollziehbar, und die Umsetzung ähnelt einem politischen Basar." Anders als versprochen, würden nicht die Haushaltsplanungen an den Stabilitätspakt angepasst, sondern dessen Regeln an die Planungen der Haushalte.

"Frankreich strebt ein seriöses Budget an"

Der französische Finanzminister Michel Sapin verteidigte dagegen die Brüsseler Entscheidung gegen Kritik. "Die Kommission hat anerkannt, dass Frankreich trotz schwachen Wachstums und niedriger Inflation Budgetanstrengungen unternommen hat", sagte er der "Stuttgarter Zeitung". Ebenso wichtig wie die Haushaltskonsolidierung sei aber die Bekämpfung der Wachstumsschwäche. In diesem Zusammenhang lobte Sapin den 315 Milliarden Euro schweren Investitionsplan der EU und die lockere Geldpolitik der EZB. In der Wirtschaftspolitik sieht er zwischen Deutschland und Frankreich mehr Gemeinsamkeiten als früher: "Die große Koalition in Deutschland hat sich in Sachen Lohn und Mindestlohn Frankreich angenähert."

Im Gespräch mit der österreichischen Tageszeitung "Standard" lobte Sapin die Verhandlungen mit der EU-Kommission: "Der Dialog zwischen Brüssel und Paris ist in dieser Frage optimal." Gleichzeitig warnte Sapin vor einem rigiden Sparkurs in Europa. "Wir wollen die Budgetdefizite abbauen, aber in einem Rhythmus, der dem Wachstumsziel angepasst ist", sagte er. "In Frankreich streben wir nicht einen Austeritätskurs an, sondern ein seriöses Budget." Um Wachstum und Inflation anzukurbeln, müsse Europa eine "weniger restriktive Wirtschaftspolitik" verfolgen.

dk/hmf (rtr)