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Die Katastrophe danach

Rainer Sollich, z. Zt. Genf21. Mai 2003

Die Weltgesundheitsorganisation hat sich tief besorgt über die dramatische Lage im Gesundheitssystem des Irak geäußert.

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Verunreinigtes Wasser verschlimmert die Gesundheitslage jeden TagBild: AP

Dass sich im Irak eine größere Rolle für die Vereinten Nationen abzeichnet, wird auch bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf mit Zufriedenheit registriert. Am zweiten Tag (20.5.2003) der jährlichen Generalversammlung erklärte der für Irak-Fragen zuständige Exekutivdirektor David Nabarro: "Es hat einige Zeit gedauert, bevor die Besatzungsmächte im Irak erkannt haben: Es gibt keine Alternative dazu, das Funktionieren des existierenden öffentlichen Dienstleistungssystems aufrecht zu erhalten." Dies, so Nabarro, gelte gerade auch für den sensiblen Bereich Gesundheit - und deshalb sei auch die WHO bereit, sich stärker im Irak zu engagieren.

Das Gesundheitssystem im Irak ist in Folge des Krieges gegen Saddam Husseins Regime fast zum Erliegen gekommen. Und bereits davor war die Bevölkerung fast völlig vom internationalen Hilfssystem abhängig, besonders vom Programm "Öl für Lebensmittel". Dies wurde weitestgehend von den Vereinten Nationen organisiert.

Dringender Handlungsbedarf

Besonders deutlich zeigt sich die dramatische Lage in der südirakischen Stadt Basra. Nur ein Drittel des Bevölkerung hat dort Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das erhöht die Gefahr des Ausbruchs von Infektionskrankheiten. 38 Cholera-Fälle sind bereits in Basra registriert worden, die Zahlen seien seit Kriegsende beunruhigend schnell angestiegen. Der offensichtliche Grund dafür: Trinkwasser-Verseuchung durch Müll und überlaufende Abwässer. Ein größerer Ausbruch der Krankheit sei nicht auszuschließen, warnte Nabarro.

Sorgen bereitet der WHO auch der Zustand der landesweit rund 2000 Krankenhäuser im Irak. Sie seien infolge von Plünderungen und Unterbrechungen der Stromversorgung von einem normalen Funktionieren weit entfernt. "Das Gesundheistssystem des Irak arbeitet nur mit 20 Prozent seiner Kapazität", sagte Nabarro am Rande der WHO-Generalversammlung. "Obwohl Ärzte und Krankenschwestern arbeiten wollen - und in vielen Fällen auch schon wieder arbeiten -, bleibt genau dies sehr schwierig." Das liege zum einen an der schlechten Sicherheitslage, zum anderen sei die nötige Versorgung mit Medikamenten nicht sicher gestellt, weil das Verteilungssystem zusammengebrochen ist.

Zudem sei auch die Lage für das Gesundheitspersonal selbst schwierig, weil die Leute keinen Lohn bekommen. "Sie haben zwar kürzlich etwas finanzielle Unterstützung von den neuen Autoritäten im Irak erhalten - aber bislang erst ein einziges Mal."

Die Kindersterblichkeitsrate im Irak ist heute doppelt so hoch wie 1990: Statistisch stirbt eines von acht Kindern noch vor dem fünften Lebensjahr. Dabei, so Nabarro, sei das irakische Gesundheitssystem vor dem Krieg - jedenfalls angesichts der Sanktionen - vergleichsweise fortgeschritten gewesen.

Finanzierungsprobleme

Die WHO hat inzwischen über 300 Mitarbeiter vor Ort und unterhält ein "Jump Start"-Programm, um das irakische Gesundheitswesen wieder einigermaßen in Gang zu bringen.

Allerdings ist dafür viel Geld nötig: Allein in den nächsten sechs Monaten laut WHO-Angaben bis zu 30 Millionen Dollar monatlich, die von der WHO wohl nicht aus eigener Kraft aufgebracht werden kann. Momentan stünden nur 10 Millionen Dollar zur Verfügung.