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Die heimliche Revolution der Schwellenländer

Astrid Prange5. Mai 2014

Die Zeichen stehen auf Sturm: Im Zuge der Ukraine-Krise wollen die BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika nicht mehr die internationale Vormachtstellung der USA hinnehmen.

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Treffen der BRICS Staaten (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Das Ziel der Schwellenländer ist eindeutig: Sie wollen die globale Ordnung mit den USA als Hegemonialmacht verändern. "Die BRICS-Staaten sind ein Forum von Ländern, die mit der internationalen Ordnung nicht zufrieden sind. Es könnte durchaus zu einer weiteren Aufwertung der BRICS führen, wenn Russland dauerhaft aus den G8 ausgeschlossen bleibt", prognostiziert Peter Birle, Leiter der Forschungsabteilung am Ibero-Amerikanischen Institut (IAI) in Berlin.

Laut Birle wollen die fünf Schwellenländer die nach 1945 etablierten Machtverhältnisse dauerhaft durchbrechen und die Position der USA relativieren. "Alle Länder betrachten sich als aufstrebende Mächte, die ihre große Zukunft erst noch vor sich sehen", erklärte der Experte beim 15. Stuttgarter Schlossgespräch, das sich mit dem Verhältnis zwischen Brasilien und Europa beschäftigte.

Die Aufsteiger zeigen ihre Muskeln

Insbesondere Brasilien setzt auf die wachsende Kooperation unter den fünf Schwellenländern. Unmittelbar nach der Fußball-WM und nur drei Monate vor den Präsidentschaftswahlen im Oktober richtet das Land am 15. und 16. Juli in der Stadt Fortaleza das nächste Treffen der BRICS-Staaten aus. Wichtigstes Thema ist die Gründung einer gemeinsamen Entwicklungsbank mit einem Kapitalstock von 100 Milliarden Dollar.

Im brasilianischen Außenministerium gibt es große Sympathie für diese Idee. "Die Entwicklungsbank ist ein Zeichen für die wirtschaftliche Kraft der BRICS-Staaten und für ihre Bereitschaft, die finanzielle Kooperation untereinander voranzutreiben", erklärt ein hochrangiger Diplomat, der schon beim vergangenen BRICS-Gipfel im März 2013 in Durban am Gründungstext für die Entwicklungsbank mitgearbeitet hat.

G20 Gipfel Russland Sankt Petersburg Wladimir Putin und Dilma Rousseff (Foto: Reuters)
Annäherung: Dilma Rousseff und Wladimir PutinBild: Reuters

Frust über Reformstau beim IWF

Der jüngste Konflikt zwischen den BRICS-Staaten und den USA liegt noch nicht lange zurück. Erst bei der Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) Mitte April in Washington war die bereits 2010 beschlossene Reform des IWF am Veto des amerikanischen Kongresses gescheitert.

Dabei hatten sich die Mitglieder des IWF bereits 2010 auf eine Verschiebung der Stimmrechte zugunsten der Entwicklungs- und Schwellenländer um sechs Prozent geeinigt. Denn allein in den vergangenen zehn Jahren stieg der Anteil der BRICS-Staaten am globalen Bruttoinlandsprodukt von 18 Prozent auf rund 28 Prozent an.

Eiszeit zwischen Brasília und Washington

In Brasilien löste das Veto im US-Kongress Unverständnis und Empörung aus. Es sorgte für eine weitere Verschlechterung der ohnehin schon angespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern.

Denn nach dem von NSA-Mitarbeiter Edward Snowden enthüllten Abhörskandal war Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff bereits deutlich auf Distanz zu Washington gegangen und hatte ihren für September 2013 geplanten Staatsbesuch bei US-Präsident Obama abgesagt.

Schon Rousseffs Amtsvorgänger Luíz Inácio Lula da Silva (2003 bis 2011) hatte durch den Ausbau der sogenannten Süd-Süd-Kooperation ein Gegengewicht zur politischen Dominanz der USA in Lateinamerika geschaffen. Der zunehmende Warenaustausch innerhalb der Schwellenländer führte dazu, dass China 2009 die USA als Hauptabnehmer brasilianischer Produkte ablöste. Seit 2012 sind die Chinesen auch der wichtigste Importpartner Brasiliens.

Brasiliens Finanzminister Guido Mantega und Chinas Finanzminister Lou Jiwei (Foto: REUTERS/Rogan Ward)
Gute Geschäfte: Brasiliens Finanzminister Mantega und sein chinesischer Amtskollege Lou JiweiBild: Reuters

Noch wichtiger als der wachsende Warenaustausch zwischen China und Brasilien ist für Staatschefin Dilma Rousseff die politisch-strategische Kooperation mit dem Reich der Mitte. Die Teilnahme von Chinas Staatspräsident Xi Jinping am BRICS-Gipfel in Fortaleza genießt in Brasília absolute Priorität. Denn die offizielle Visite Xi Jinpings ist der erste Besuch des chinesischen Staatsoberhauptes in Brasilien und in der Region. Im Anschluss an den BRICS-Gipfel ist auch noch ein Treffen mit den Staatschefs der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) geplant.

Schweigen und verhandeln

Die strategische Ausrichtung Brasiliens in Richtung Asien und Afrika wird durch die Krise in der Ukraine beschleunigt. Je größer die Isolierung Moskaus, so scheint es, desto besser läuft die Abstimmung zwischen den BRICS-Mitgliedern. So kommentierten weder Brasilien noch China, Indien oder Südafrika die Ereignisse in Kiew oder auf der Krim. Das Prinzip der Nichteinmischung schweißte die ansonsten so heterogenen Länder auffällig stark zusammen.

"Die BRICS-Staaten sind für Brasilien eine Plattform, um sich auf der internationalen Bühne als Vermittler und Reformer zu profilieren", meint Cristina Pecequilo, Politikwissenschaftlerin an der Bundesuniversität São Paulo. Der Ausschluss Russlands aus der G8-Gruppe ist in den Augen der Expertin nicht tragisch. Pecequilo: "Die Schwellenländer sind durch die BRICS besser vertreten als durch die G8."