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Deutsche Asylpolitik

18. Januar 2011

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr 7704 politische Flüchtlinge anerkannt - 16 Prozent aller Asylbewerber. Die Zahlen offenbaren ein historisch gewachsenes Dilemma: Zuwanderungspolitik ist mehr als Asylpolitik.

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Eingangsbereich des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb

Im Jahr 2010 gingen insgesamt 41.332 Asylanträge beim zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein - das waren fast 50 Prozent mehr als im Jahr 2009. Nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere stehen hinter dem Zuwachs der Asylbewerberzahlen vermehrt Personen aus Serbien und Mazedonien.

Infografik Herkunft der Asylbewerber 2010
Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (Foto: dpa)
Bundesinnenminister Thomas de MaiziereBild: picture-alliance/dpa

Seit Dezember 2009 brauchen Bürger dieser beiden Staaten für eine Einreise nach Deutschland kein Visum mehr. Da hier aber die Asyl-Kriterien nicht erfüllt seien, würden derartige Anträge "auch künftig konsequent und schnell abgelehnt", sagte der deutsche Innenminister am Montag (17.01.2011) in Berlin. Gleichzeitig könnten aber politisch Verfolgte weiterhin darauf vertrauen, "in Deutschland eine sichere Aufnahme zu finden, wenn sie als Asylberechtigte oder Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention anerkannt werden", fügte der Minister hinzu.

Historisch gewachsen

Das Recht auf Asyl für politisch Verfolgte ist in Deutschland in Artikel 16a des Grundgesetzes verankert. Dahinter stehen auch historische Erfahrungen: Deutsche, die vor der politischen oder rassischen Verfolgung durch die Nazi-Herrschaft von 1933 bis 1945 flohen und in anderen Ländern Asyl suchten, standen dort mitunter vor fast unüberwindbaren Einreisebestimmungen.

Menschenmassen auf dem Prager Wenzelsplatz am 20. August 1968 (Foto: AP)
Prager Frühling - Wenzelsplatz am 20. August 1968Bild: AP

Auch deshalb wurde 1949 im deutschen Grundgesetz eine großzügige Aufnahmeregelung festgeschrieben. Zu Zeiten des "Eisernen Vorhangs" bis 1989 erhielten Flüchtlinge aus den Ländern des Ostblocks in der Bundesrepublik oder in West-Berlin grundsätzlich einen sogenannten Fremdenpass, ohne dass dafür ein spezielles Asylverfahren nötig war. Besonders nach dem gescheiterten Volksaufstand in Ungarn 1956 und nach der Niederschlagung des "Prager Frühlings" 1968 kamen so zahlreiche Schutzsuchende in den Westen.

Notaufnahmelager für Ost-Flüchtlinge in Berlin-Marienfelde (West) 1958 (Foto: picture-alliance/akg-images)
Flüchtlingslager in West-Berlin 1958Bild: picture-alliance / akg-images

Ebenfalls ohne Asylverfahren fanden mehr als dreieinhalb Millionen Flüchtlinge aus der DDR Aufnahme in Westdeutschland - sie waren ja nach dem Grundgesetz Deutsche und damit automatisch Bundesbürger. Da die DDR dieses Staatsbürgerschaftsverständnis des bundesdeutschen Grundgesetzes vehement ablehnte, mussten 300.000 Westdeutsche, die es nach Ostdeutschland gezogen hatte, dort ein Asylverfahren durchlaufen, um DDR-Bürger zu werden.

Historische Veränderungen

Karte ehemaliges Jugoslawien Slowenien, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Montenegro, (Kosovo), Mazedonien (DW-Grafik)
Ehemaliges Jugoslawien: Heutige StaatenBild: DW

Bereits vor dem Mauerfall und dem Ende des Ostblocks 1989 waren auch aus anderen Teilen der Welt Flüchtlinge nach Deutschland gekommen - die politischen Umbrüche in Europa sorgten dann aber für eine sprunghafte Zunahme der Asylbewerberzahlen: Allein im Jahr 1992 wurden mehr als 400.000 Asylanträge in Deutschland gestellt. Die meisten Antragsteller stammten aus dem ehemaligen Jugoslawien, viele erhielten zumindest vorübergehend Aufenthalt in Deutschland.

Danach gingen die Zahlen zurück, zumal ab 1993 Veränderungen im deutschen und im europäischen Asylrecht vorgenommen wurden. 2005 wurden noch 29.000 Asylanträge gestellt - etwa zehn Prozent der Bewerber erhielten ein dauerhaftes Bleiberecht. 2007 fiel die Zahl der Asylbewerber in Deutschland mit 19.164 Asyl-Erstanträgen dann auf den niedrigsten Stand seit 1977.

Im Jahr 2008 stieg die Zahl der Anträge auf 22.085, im Jahr 2009 waren es 27.649. Eine sprunghafte Zunahme um rund 50 Prozent wurde im vergangenen Jahr mit 41.332 Anträgen erreicht. 16 Prozent der Antragstelle wurden tatsächlich als politische Flüchtlinge anerkannt, weitere 5,6 Prozent wurden aus humanistischen Gründen vor Abschiebung geschützt.

Asyl- und Einwanderungspolitik

Das deutsche Asylrecht war wegen fehlender anderer Einwanderungsregeln lange Zeit für viele Ausländer die einzige Möglichkeit, sich legal in Deutschland niederzulassen. Doch auch die aktuellen Zahlen zeigen, dass das Asylrecht tatsächlich nur eine ganz spezielle Gruppe Zuwanderungswilliger betrifft.

Hinweisschild EU Pass-Kontrolle (Foto: AP)
Bild: AP

Erst 2005 traten ein umfassenderes Zuwanderungsgesetz, das auch europäische Entwicklungen berücksichtigt, und ein entsprechendes Aufenthaltsgesetz in Kraft. Hinzu kamen europäische Bemühungen, Einreise und Aufenthalt EU-weit zu regeln und die bestehenden nationalen Regeln zu harmonisieren. Dazu gehören auch die sogenannten Dublin-Regelungen, wonach Asylbewerber ihren Antrag bereits beim ersten Eintreffen in einem Mitgliedsland der Europäischen Union stellen müssen. Wenn dieser Antrag dort abgewiesen wurde, können sie es nicht noch einmal in einem oder mehreren anderen EU-Ländern probieren.

Diese Regelung wird von Flüchtlingsorganisationen ebenso kritisiert wie die in Deutschland seit Jahren geltende sogenannte Drittstaaten-Regelung. Danach können Personen, die in ihrer Heimat verfolgt wurden, aber bereits in einem dritten Land angekommen sind, das als sicher gilt, nicht noch zusätzlich Asyl in Deutschland beantragen. Denn nach deutscher Auffassung werden Flüchtlinge bereits in jedem anderen EU-Land, aber auch in der Schweiz oder in Norwegen vor Verfolgung geschützt. Probleme gibt es allerdings, wenn Länder wie Malta oder Griechenland mit dem Flüchtlingsansturm völlig überfordert sind.

Politische, religiöse oder rassische Unterdrückung durch staatliche Behörden oder deren Beauftragte gelten weiterhin ebenso als Asylgrund, wie geschlechtsspezifische Diskriminierung oder Vertreibungen durch Bürgerkriege. Darüber hinaus gibt es Bemühungen diverser Interessengruppen, auch Klima- und Wetterunbilden, Armut oder wirtschaftliche Krisen sowie schlechte Regierungsführung als Asyl- beziehungsweise Aufenthaltsberechtigende Fluchtgründen festschreiben zu lassen.

Autor: Hartmut Lüning
Redaktion: Kay-Alexander Scholz