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Angst vorm Fracking

Jens Thurau31. Mai 2013

Fracking stößt in Deutschland auf wenig Gegenliebe. Ein Gesetz zur Regelung der umstrittenen Öl- und Gasförderungsmethode wurde dennoch erst einmal aufgeschoben - auf die Zeit nach der Bundestagswahl.

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Mann vor Landschaftskarte zum Thema Fracking - Foto: Bodo Marks (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Kaum etwas jagt den Menschen in Deutschland so viel Angst ein wie Umweltgefahren im Erdreich. Tausende demonstrieren, wenn Atommüll in tiefen Erdschichten endgelagert werden soll - oder schließen sich zu Initiativen gegen das Fracking zusammen, obwohl es das in Deutschland im großen Stil noch gar nicht gibt.

Beim Fracking wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien mit hohem Druck rund tausend Meter tief ins Erdreich gepresst, um Öl oder Gas aus den Gesteinschichten dort zu lösen, damit es gefördert werden kann. Teile des Chemie-Cocktails bleiben in der Erde. Umweltexperten fürchten, dass das Fracking das Grundwasser verseuchen könnte.

In den USA hat die Fördermethode in den vergangenen Jahren zu einem riesigen Boom geführt. Schon bald könnten die Amerikaner Russland als Gasförderer Nummer Eins ablösen, glauben Experten. Und die haben auch ausgerechnet, dass Deutschland seinen eigenen Gasbedarf für satte 13 Jahre decken könnte, wenn es seine Gasreserven ebenfalls fracken würde. Die Fördermethode wird auch in Deutschland seit vielen Jahren angewandt, aber nur im sehr geringen Umfang. Seit der Diskussion um das US-Fracking hat die Wirtschaft alle Bohrungen in Deutschland gestoppt.

Verzichtsempfehlung

Jetzt hat sich der Sachverständigenrat für Umweltfragen, ein Beratungsgremium der Regierung, mit einem Gutachten in die Fracking-Debatte eingeschaltet. Der Tenor lautet: Tendenziell überwiegen die Bedenken, Deutschland braucht kein aufwendig gefördertes zusätzliches Gas. Schließlich setzt die Energiewende auf Wind- und Sonnenstrom. "Wir haben deshalb die Empfehlung, bei uns auf das Fracking zu verzichten", sagte Martin Faulstich, Vorsitzender des Umweltrates, der DW.

Martin Faulstich, Vorsitzender des Umweltrates für die Berichterstattung zum Fracking-Gutachten - Foto: privat
Umweltrat Faulstich: "Auf Fracking verzichten"Bild: privat

Kanzlerin Angela Merkel müssten die Chancen des Fracking eigentlich begeistern. Schließlich ist sie von Haus aus Naturwissenschaftlerin. Dennoch hörte sich ihr Kommentar zum Fracking aktuell so an: "Wir müssen alles tun, damit wir Umweltrisiken vermeiden", meinte die Regierungschefin, als sie sich am Telefon von CDU-Parteimitgliedern zu aktuellen Themen befragen ließ. Das Ziel der Regierung sei es, mit einem Gesetz das Fracking "zu beschränken und zu erschweren und viel umweltverträglicher zu machen gegenüber dem heutigen Rechtszustand". Denn den gibt es eigentlich nicht richtig: Das Fracking unterliegt dem Bergrecht. Da kann der Inhaber des Bergrechts fast alles machen, was er möchte.

Kein Thema für den Wahlkampf

CDU/CSU und FDP haben nun ein Gesetz erarbeitet, dass Fracking in Wasserschutzgebieten ganz verbieten soll und ansonsten strenge Umweltverträglichkeitsprüfungen verlangt. Faktisch kommt das einem Verbot schon sehr nahe. "Das Fracking kommt für uns bei den heutigen Möglichkeiten nicht infrage", sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe lapidar dazu.

Dennoch geht der Entwurf des Gesetzes vielen in der CDU nicht weit genug. Sie fürchten, dass die Angst vor der Chemie im Erdboden im Wahlkampf den Grünen nützt und fordern ein Verbot. Das wollen die Grünen selbstverständlich jetzt schon. Dem schließen sich zahlreiche von SPD und Grünen regierte Bundesländer an. Im rot-grün dominierten Bundesrat - die Länderkammer muss zustimmen - hätte das Fracking-Gesetz deshalb momentan sowieso keine Chance.

Infografik Erdgasgewinnung (Grafik: DW)

Aus Bayern kommt zudem Widerstand der Bierbrauer. Sie sorgen sich um das reine Grundwasser, also ist auch die dort regierende CSU gegen das Fracking. Lediglich die FDP mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler an der Spitze will die Möglichkeiten der Förder-Methode auch in Deutschland zumindest prüfen.

Druck aus Europa

Im europäischen Ausland wird die deutsche Angst vorm Fracking mit Stirnrunzeln quittiert. EU-Energiekommissar Günther Oettinger platzte dieser Woche ob des Zustands der EU der Kragen. Er sprach wegen der Euro-Krise von einem "Sanierungsfall Europa". Und auch die Deutschen kritisierte der CDU-Politiker, immerhin ein Spitzenvertreter der Partei der Kanzlerin: Deutschland sei stark, werde nun aber nicht mehr stärker, weil die falsche Tagesordnung bearbeitet werde, mit "Betreuungsgeld, Frauenquote, Mindestlohn und dem Nein zum Fracking".

Auch unter den EU-Ländern finden sich viele Fracking-Fans, vor allem in Osteuropa, dass oft noch - wie Polen - auf klimaschädliche Kohle angewiesen ist und das weniger schadhafte Schiefergas gern fördern würde. Ungarn, Polen, Rumänien, aber auch Spanien und Großbritannien werben für das Fracking. Rumäniens Regierungschef Victor Ponta rief gar dazu auf, sich von Protesten gegen das Fracking nicht "vom rechten Pfad, den die USA bereits eingeschlagen haben, abbringen zu lassen". Bis die Deutschen diesen Pfad einschlagen, wird wohl noch viel Zeit ins Land gehen - wenn überhaupt.