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Die Europäer brauchen einen langen Atem

Sabine Kinkartz25. September 2012

Wohin steuert Europa? Wohin werden die angekündigten Anleihekäufe durch die EZB führen? Die deutsche Wirtschaft verlangt nach Antworten, doch die Bundeskanzlerin bittet auf dem Tag der Industrie um Geduld.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel und BDI-Präsident Hans-Peter Keitel. (AP Photo/Michael Sohn)
Bild: dapd

Der Empfang, den die deutschen Wirtschaftsbosse Angela Merkel bereiteten, war verbindlich und freundlich. Doch die Kanzlerin weiß, dass die Industrie das Euro-Krisenmanagement mit Argusaugen verfolgt. Zu viel hängt für sie von der weiteren Entwicklung in Europa ab. Deutschland bekommt jetzt zu spüren, dass es im Rest der Euro-Zone wirtschaftlich schon lange nicht mehr rund läuft. "Wir spüren auch, Deutschland ist keine Insel", so Merkel. Als starke Exportnation könne sich die Bundesrepublik nicht abkoppeln von den Entwicklungen der Weltwirtschaft und in Europa.

Merkel unter Managern

Hans-Peter Keitel, der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie (BDI), geht zwar davon aus, dass es auch 2013 weiter aufwärtsgehen wird, der Zuwachs werde aber etwas geringer ausfallen als in diesem Jahr. "Aus heutiger Sicht ist ein Einbruch der Konjunktur nicht zu erwarten", beruhigt Keitel.

Keine Leistung ohne Gegenleistung

Eine Zuversicht, die allerdings darauf baut, dass die Schuldenkrise bewältigt wird. Kein Wunder also, dass Keitel in seiner Rede mahnende Worte fand. Haushaltskonsolidierung und Strukturreform in den Schuldenländern müssten unbedingte Priorität haben. Es dürfe keine Leistung ohne Gegenleistung und keine Haftung ohne wirksame Kontrolle geben. "Das muss ohne Ausnahme gelten", so der BDI-Präsident.

Damit spielt Keitel vor allem auch auf die Ankündigung der Europäischen Zentralbank an, im Notfall unbegrenzt Anleihen von Krisenstaaten aufzukaufen. Der BDI hält diesen Weg für falsch, "auch wenn es scheinbar der bequemere Weg ist". Nachdem das Bundesverfassungsgericht den Weg zum dauerhaften Rettungsschirm ESM freigemacht habe, müsse dieser nun auch eingesetzt werden. "Frau Bundeskanzlerin, lassen sie uns das als Chance nehmen, vielleicht als letzte Chance, den Euro-Raum auf Disziplin und Wettbewerbsfähigkeit zu gründen", so Keitels drängender Appell. "Sonst wird auch das Angebot der EZB zum Ankauf staatlicher Titel geradewegs in eine Vergemeinschaftung von Lasten führen, in eine Lockerung der Konsolidierung, in einen Abschied vom Weltmarkt."

Fatale Fehlanreize

Ein Appell, der bei der Bundeskanzlerin, die auf dem Tag der deutschen Industrie in der ersten Reihe sitzend die Rede Keitels verfolgte, durchaus auf offene Ohren stößt. Forderungen nach einer Vergemeinschaftung der Schulden erteilte Angela Merkel jedenfalls erneut eine klare Absage. Vergemeinschaftungswünsche ohne Durchgriff und Eingriff seien nicht zielführend, Haftung und Kontrolle müssten unmittelbar miteinander verzahnt sein, ansonsten würde es zu "fatalen Fehlanreizen" kommen. Eine schnelle Lösung der Schuldenkrise wird es nach Ansicht der Kanzlerin aber nicht geben. "Wir brauchen einen langen Atem, um diese Krise zu überwinden." Diese sei schließlich auch nicht über Nacht gekommen.

Eine Ansicht, die die deutsche Wirtschaft durchaus teilt. Man müsse jetzt die Geduld aufbringen, den ESM wirken zu lassen, meinte Keitel. Die entscheidende Hilfe müsse aber aus den betroffenen Ländern selbst kommen. Sie müssten ihre Haushalte in Ordnung und ihre Wirtschaft auf Wachstumskurs bringen. "Wenn nötig mit unserer Hilfe, aber strikt im Rahmen der Regeln", sagte Keitel. Der BDI-Präsident appellierte an die Krisenländer, ihre eigenen Erfolge nicht kleinzureden, vieles komme in den betroffenen Ländern ja tatsächlich in Bewegung. "Diese Trendwende müssen sie den Finanzmärkten überzeugend und professionell vermitteln, anstatt täglich nach neuer Hilfe zu rufen", so Keitel.