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EU kämpft um eine Finanzmarktreform

13. Juli 2010

Die umfassende Finanzmarktreform in den USA bringt auch die Europäer unter Zugzwang, ebenfalls gemeinsame Regeln auf den Weg zu bringen. An diesem Dienstag wollen die EU-Finanzminister wieder nach Kompromissen suchen.

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Börsenchart (Foto: dpa)
Wie können die Finanzmärkte gezügelt werden?Bild: picture-alliance/dpa

Der Aufruf von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ist schon ein Jahr alt, aber er hat seit dem nichts von seiner Aktualität verloren. Barroso sagte damals: "Jetzt oder nie! Wenn wir nicht jetzt in einer wirklichen Krise in der Lage sind, den Finanzsektor und die Finanzaufsicht zu reformieren, wann dann?" In der Zwischenzeit haben Mitgliedstaaten, Kommission und Europaparlament zwar viel über Reformen geredet, aber wenig Konkretes entschieden. Zu deren Verteidigung muss aber gesagt werden, dass die Suche nach Kompromissen im komplizierten Gefüge der europäischen Institutionen immer langwierig ist.

Ein ernstes Thema

Michel Barnier (Foto: AP)
Binnenmarktkommissar Barnier liefert zahlreiche VorschlägeBild: AP

Ein Großteil der Initiativen kommt von Binnenmarktkommissar Michel Barnier, der auch für die Aufsicht der Finanzmärkte zuständig ist. Sein Credo klingt zunächst einfach: "Die Steuerzahler dürfen nicht mehr in erster Linie herangezogen werden, für die Managementfehler und Irrtümer bestimmter Banken aufzukommen." Als Konsequenz werden zurzeit in den EU-Institutionen eine ganze Reihe von Maßnahmen zur stärkeren Kontrolle und Aufsicht des Finanzsektors beraten. Es geht zum Beispiel um die Regulierung des Handels mit Derivaten und Kreditausfallversicherungen und um Regeln für Hedgefonds und private Beteiligungsgesellschaften. Bis Ende des Jahres treten auch erste Regeln für Rating-Agenturen in Kraft. Auch überhöhte Boni an Banker sollen begrenzt werden. Und bereits Ende dieses Monats sollen sogenannte Stresstests für europäische Großbanken veröffentlicht werden, aus denen hervorgeht, ob die Banken künftige Krisen überstehen würden.

In vielen Fällen ist aber das genaue Ergebnis des Verhandlungsprozesses noch unklar. Vor dem Europaparlament zeigte Kommissar Barnier vergangene Woche auf, was seiner Meinung nach auf dem Spiel steht: "Die Finanzmarktaufsicht ist das Rückgrat des Ganzen. Es geht hier um ein sehr ernstes Thema. Wenn wir nicht glaubwürdige Aufsichtsbehörden schaffen einschließlich einer Behörde zur Bewertung systemischer Risiken (Systemic Risk Board), werden viele andere Reformen wirkungslos bleiben."

Widerstand kommt vom Ministerrat

Sven Giegold (Foto: privat)
Sven Giegold, für die Grünen im EU-ParlamentBild: privat

Bei der Finanzaufsicht geht es um drei Sparten. Nach einem Vorschlag der Kommission soll es je eine Aufsichtsbehörde für Banken, Börsen und Versicherungen geben. Außerdem soll ein so genannter Weisenrat zur Erkennung von Risiken bei der Europäischen Zentralbank geschaffen werden. Im Parlament rennt Barnier mit seinen Vorschlägen überwiegend offene Türen ein, Widerstand kommt eher vom Rat, also von den Mitgliedsstaaten. Der deutsche Grünen-Abgeordnete Sven Giegold brachte es im Plenum auf den Punkt: "Wenn eine wirkliche Finanzkrise brennt, wer erklärt den Notfall?" Der Rat der Mitgliedstaaten habe selbst nach 18 Verhandlungsrunden noch keine neue schriftliche Position vorgelegt, beklagte Giegold, der für das Parlament über die Regeln der europäischen Börsenaufsicht verhandelt. "Wir haben die Faxen dicke", sagte er. "Wir sind nicht sehr weit von einer Lösung weg, aber wir verlangen, dass der Rat sich bewegt."

Die Briten wollen keine Vorschriften

Der Rat zeigt sich aus gutem Grund störrisch, meinen zahlreiche Regierungsvertreter aus Deutschland und noch mehr aus Großbritannien. Gerade die ohnehin europaskeptischen Briten mit ihrem überragend wichtigen Finanzplatz London wollen nicht, dass europäische Behörden ihnen Vorschriften machen. Das meinte in der jüngsten Debatte des Europaparlaments auch der konservative britische Abgeordnete Sajjad Karim: "Die jetzigen Vorschläge würden es der EU erlauben, nationale Aufsichtsbehörden zu überstimmen, und die Gefahr ist, dass dann verfahrenstechnische Regeln benutzt werden, um auf EU-Ebene politische Entscheidungen zu treffen und zu diktieren. Unsere Mitgliedsstaaten stellen sich dem zu recht entgegen."

Wie der Kompromiss mit den Mitgliedsstaaten am Ende aussehen wird, ist offen. Eine endgültige Entscheidung wird bis September erwartet. Die Kommission und das Parlament drücken aufs Tempo. Sie wollen eine funktionierende Finanzmarktaufsicht Anfang kommenden Jahres haben.

Autor: Christoph Hasselbach

Redaktion: Monika Lohmüller