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Südafrikas Energiesparer

Richard Fuchs27. Dezember 2012

Bis 2050 soll sich die Bevölkerung um Johannesburg glatt verdoppeln. 20 Millionen Menschen brauchen dann noch mehr Energie. Eine unlösbare Aufgabe? Eine Schule zeigt, wie es gehen kann.

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Die Energie-Detektive, ein Schulclub an der Pace-Wirtschaftsschule im Stadtteil Soweto in Johannesburg (Foto: Richard Fuchs)
Schüler in Schule in SüdafrikaBild: DW/Richard Fuchs

Ein grüner Pappkarton mit dem Aufdruck 'Klimakiste' hat an der Pace-Schule alles ins Rollen gebracht. Zusammengestellt vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart kamen darin Messgeräte zu den 400 Schülern in Johannesburgs Stadtteil Soweto. Messgeräte, die den Unterricht einer ganzen Schule durcheinandergewirbelt haben.

"Die Geräte helfen uns, die Lichtintensität, die Feuchtigkeit, die Temperatur und die Kohlendioxidwerte in unseren Klassenräumen zu messen", sagt Nohuthula Sibisi, Schülerin aus der Klassenstufe 10. Zusammen mit rund 30 weiteren Schülern gehört sie dem Energie-Detektive-Club an.

Eine Schülerin stellt die Messgeräte vor, mit denen die Energie-Detektive ihre Schule untersucht. (Foto: Richard Fuchs)
Energie-Detektivin bei der ArbeitBild: DW/Richard Fuchs

Angestoßen hat das Pilotprojekt der deutsch-südafrikanische Forschungsverbund EnerKey. Ziel dieser Initiative ist es, die rasant wachsende Megacity-Region Johannesburg mit ihren heute mehr als zehn Millionen Einwohnern energieeffizienter zu machen.

Energiesparen bringt mehr Lebensqualität

An der Schule in Nelson Mandelas Wohnort Soweto kam diese Botschaft an. In ihrer Freizeit und im Unterricht zogen die Energie-Detektive in kleinen Gruppen von Klassenzimmer zu Klassenzimmer. Sie notierten Baumängel, die unnötige Energie kosten. Sie hielten Verhaltensmuster  bei der Nutzung von Licht, Heizung und elektrischen Geräten fest, die immer wieder zu Energieverschwendung führen.

"Bei der Untersuchung hier kam raus, dass wir in diesem Klassenraum noch einen zweiten Lichtschalter brauchen, um die Lampen näher am Fenster ausschalten zu können, wenn die anderen im dunklen Teil des Raums noch brennen", sagt Schülerin Anele Sibiya, als sie die Ergebnisse vorstellt. 

Simon Wössner, Gebäude-Spezialist vom Fraunhofer-Institut Stuttgart (Foto: Richard Fuchs)
Simon Wössner, Gebäude-Spezialist vom Fraunhofer-Institut StuttgartBild: DW/Richard Fuchs

"Am Anfang brauchen die Schüler die Unterstützung von Messgeräten", sagt Simon Wössner, Energieeffizienz-Experte vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik in Stuttgart, der das Projekt ins Leben gerufen hat. "Danach ist es aber auch viel Gefühl, um zu entscheiden: Brauche ich wirklich Licht? Bin ich bereit, zum Schalter zu laufen und das Licht auszuschalten?"

Wie viel Sparpotenzial darin liegt, Lichtschalter zu betätigen, Heizungen richtig einzustellen oder zur richtigen Zeit die Fenster zum Lüften zu öffnen, das habe sich auch an der Pace-Schule gezeigt, sagt Wössner. In vielen Räumen, in denen am Tag nur knapp 90 Minuten Unterricht war, brannte bislang über elf Stunden das Licht. "90 Prozent Energieeinsparung in diesem Fall, nur dadurch, einen Lichtschalter zu betätigen", betont Wössner.

Blick auf Johannesburgs Innenstadt (Foto: Richard Fuchs)
Blick auf Johannesburgs InnenstadtBild: DW/Richard Fuchs

Eine Megacity voller Einsparpotentiale

Das eigene Verhalten ändern - das verspricht in der Industrieregion Gauteng rund um Johannesburg eine reiche Beute für echte Energiesparer, sagt Gebäudeeffizienz-Experte Wössner. "Was sofort auffällt, sind Gebäude, die nachts leerstehen, aber voll beleuchtet sind.  Wenn man nach dem Warum fragt, dann gibt es noch nicht mal einen Schalter."

Oft komme man völlig ohne neue Investitionen aus, sagt Wössner. So trifft er immer wieder Gebäude an, in denen auch im Winter die Klima- und Kühlanlagen weiterlaufen, weil vor Ort niemand sie bedienen kann.

Er wundert sich auch über Straßenlaternen, die zum Schutz vor Kabeldiebstahl 24 Stunden am Tag brennen. "Hier stellt sich natürlich die Frage, ob das Problem des Kabeldiebstahls wirklich dadurch gelöst werden kann, dass Unmengen an Strom durch brennende Straßenlaternen verschwendet werden."

Lehrer der Pace-Schule in Soweto (Foto: Richard Fuchs)
Unterstützen die Energie-Detektive nach Kräften: Lehrer an der Pace-SchuleBild: DW/Richard Fuchs

Das Projekt der Energie-Detektive will ein Umdenken einläuten, bereits in der Schule. Denn die größten Einsparpotenziale, da ist sich Wössner sicher, können in Schwellenländern wie Südafrika durch einen bewussteren Umgang mit Energie gehoben werden.

Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt soll Umweltbildung ein fester Bestandteil des südafrikanischen Schulunterrichts werden. "Wir wollen, dass Energie-Clubs wie hier an alle Schulen in Südafrika kommen."

Illusionen macht Wössner sich allerdings keine. "Das ist ein längerer Prozess. Aber wenn diese Energie-Clubs gefördert würden, wäre das ein wichtiger Schritt in dieser Hinsicht."

Wie aus Detektiven Botschafter werden

An der Pace-Wirtschaftsschule in Soweto wird die Botschaft vom Energiesparen inzwischen von Mund zu Mund weitergetragen. "Ich denke, ihr seid nicht nur Energie-Detektive, sondern ihr seid auch Botschafter für Energie-Effizienz", gab Enerkey-Projektleiter Ludger Eltrop von der Universität Stuttgart den Schülern bei seinem Besuch mit auf den Weg.

Die Energie-Detektive präsentieren ihre Ergebnisse vor den Mitschülern in der Aula der Pace-Schule in Johannesburgs Stadtteil Soweto. (Foto: Richard Fuchs)
Präsentation der Energie-DetektiveBild: DW/Richard Fuchs

Inzwischen präsentieren die rund 30 Mitglieder des Energie-Clubs ihre Untersuchungsergebnisse vor ihren rund 400 Mitschülern, verpackt im Viervierteltakt selbst geschriebener Raptexte. Mal machen sie - ganz traditionell - Vorführungen vor Verwandten und Freunden in ihren Heimatgemeinden. Und immer mit dabei ist natürlich ein Gegenstand: der grüne Pappkarton mit dem Aufdruck 'Klimakiste'.