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Same-sex marriage

Gero Schließ, San Francisco25. Juni 2013

Immer mehr US-Bundesstaaten erkennen die Homo-Ehe an. An diesem Mittwoch entscheidet der Supreme Court. Wie denken die Betroffenen? Ein Besuch in San Francisco, wo der Kampf der Homosexuellen um gleiche Rechte begann.

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Flagge über dem Castro Copyright: Gero Schließ, DW, Mai 2013
Bild: DW/G. Schließ

Eine riesige bunte Regenbogenflagge weht über dem berühmten Stadtviertel Castro. Sie demonstriert Selbstbewusstsein und zeigt an: Auch heute noch sind hier die Lesben und Schwulen zu Hause. Das Castro ist der Ort in den USA, an dem Homosexuelle in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts aufstanden und für ihre Rechte stritten. Das war die Geburtsstunde der schwul-lesbischen Bewegung.

Auch heute kämpfen Schwule, Lesben, Transsexuelle und Bisexuelle, die man politisch korrekt mit dem Kürzel LGBT umschreibt, wieder für ihre Rechte. Für das Recht, heiraten zu dürfen. Doch fühlt sich das diesmal nicht so kraftvoll an, wie vor 40 Jahren.

Cat Stevans arbeitet als Event-Managerin im LGBT-Center von San Francisco. Die junge Frau ist enttäuscht, dass sich heute so wenige aus der Gemeinschaft für Same-Sex Marriage einsetzen.

"Insgesamt waren das Castro und San Francisco das Pflaster für einen unglaublichen Wandel. Mag sein, dass ich die Geschichte verkläre. Aber heute stehen hier andere Projekte mehr im Vordergrund als Same-Sex Marriage."

Seit 26 Jahren sind John Lewis und Stuart Gaffney zusammen. Der Anwalt und der Gesundheitsmanager trafen sich erstmals auf einer Party im Castro und leben heute in einem ruhigen Vorort von San Francisco. Im Jahre 2004 heirateten sie.

Gleiche Rechte für Homosexuelle

"Ich werde niemals den Moment vergessen, als wir verheiratet wurden. Wir fühlten diese Verwandlung und wir verstanden in diesem Moment, dass es das erste Mal in unserem Leben war, dass wir von unserer Regierung als Menschen mit gleichen Rechten behandelt wurden," so John.

Die Beiden haben zweimal geheiratet, ohne sich zwischendurch scheiden zu lassen. In dieser bizarren Besonderheit spiegelt sich die bis heute andauernde Rechtsunsicherheit.

Zwei Männer(Foto: DW, Gero Schließ)
Für John Lewis und Stuart Gaffney hat sich vieles verändert, doch es gibt nach wie vor ProblemeBild: DW/G. Schließ

Im Jahre 2004 wies der Bürgermeister von San Francisco, Gavin Newsom, die Stadtverwaltung an, Heiratsurkunden auch an gleichgeschlechtliche Paare auszustellen. Mehrere Tausend Paare aus dem ganzen Land nutzen die unerwartete Gelegenheit, unter ihnen John und Stuart. Dann beendete das Land Kalifornien diese Praxis. Doch die Ehen blieben - zumindest in Kalifornien - gültig.

Im Juni 2008 war aufgrund einer Entscheidung des kalifornischen Supreme Court die Same-Sex Marriage wieder möglich geworden. John und Stuart heirateten ein zweites Mal. Im November des gleichen Jahres, schloss sich das Fenster der Möglichkeiten. Ein Volksbegehren konservativer Gegenkräfte in Kalifornien, die sogenannte Proposition 8, fand eine Mehrheit und beschränkte die Möglichkeit zur Heirat wieder nur auf Mann und Frau.

John ist heute noch erschüttert, wenn er an das Hin- und Her in dieser für ihn grundlegenden Frage denkt.

"Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass einer Gruppe ein fundamentales Recht wieder genommen wurde. Die Befürworter von Proposition 8 haben ausschließlich auf die Gruppe der Schwulen und Lesbischen gezielt und uns die grundliegende Freiheit genommen, zu heiraten, wen wir heiraten wollen."

Große Unsicherheit

Der Anwalt Drexel Bradshaw (Foto: Gero Schließ, DW)
Drexel Bradshaw kämpft für die so genannten Domestic Partnership AgreementsBild: DW/G. Schließ

Der Anwalt Drexel Bradshaw ist Spezialist für sogenannte Domestic Partnership Agreements, vergleichbar etwa der Verpartnerung in Deutschland. Zwar steht das Partnership-Agreement auch heterosexuellen Paaren offen, doch enthält es den Paaren - ähnlich wie in Deutschland - wichtige Rechte vor.

Bradshaws Analyse der Rechtssitutation klingt recht pessimistisch. Gleichgeschlechtliche Paare in Amerika seien angesichts der unterschiedlichen Gesetzgebungsverfahren in den Bundestaaten und der verschiedenen Gerichtsurteile einer großen rechtlichen Unsicherheit ausgesetzt. "Sie wissen nicht, ob ihre Heirat anerkannt wird, sollten sie aus beruflichen Gründen in einen anderen US-Bundesstaat ziehen, oder ob die Steuervergünstigungen auch für ihren Mann oder Frau gelten, und sie wissen nicht, was im Falle ihres Todes passiert. Und das liegt daran, weil es bis heute keine einheitliche nationale Regelung gibt für den Status der Same-Sex Marriage."

Same-Sex Marriage vor dem Supreme Court

Vor dem US-Supreme Court in Washington stehen derzeit zwei Gesetze auf dem Prüfstand: Das Gericht entscheidet an womöglich am Mittwoch über die Verfassungsmäßigkeit von DOMA - dem Defence of Marriage Act, das die Ehe allein zwischen Mann und Frau vorsieht - und der kalifornischen Proposition 8. Zeitgleich mit dem Gerichtsverfahren hat sich in den USA ein bemerkenswerter Wandel vollzogen: Immer mehr Staaten haben mittlerweile die Same-Sex Marriage legalisiert, allein im Mai waren es mit Minnesota, Rhode Island und Delaware gleich drei Staaten. Insgesamt 13 Staaten haben sie jetzt gesetzlich festgeschrieben.

Nach jüngsten Umfragen ist jetzt eine Mehrheit der Amerikaner für die gleichgeschlechtliche Ehe. Und immer mehr Politiker, auch auf Seiten der konservativen Republikaner, sprechen sich dafür aus. Es sieht so aus, als würden die Amerikaner grundsätzlich ihren Umgang mit den homosexuellen Mitbürgern überdenken.

Grundlegender Meinungswandel

Es ist jedoch eher unwahrscheinlich dass sich die Richter in Washington von diesem Meinungsumschwung beeinflussen lassen. Experten wie der Anwalt Bradshaw glauben eher, dass sie aus Respekt vor den Parlamenten zurückhaltend agieren und auf die Gesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten setzen. Das wäre für John und Stuart sicherlich eine Enttäuschung. Für sie und viele andere zählt das Recht auf Heirat zu den grundlegenden Bürgerrechten, die nicht teilbar sind, weder zwischen Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung noch geographisch.

Für den Reverend Roland Stringfellow, der schon viele gleichgeschlechtliche Paare getraut hat, ist das keine Frage. Stringfellow ist offensichtlich mit sich, seiner Gemeinde und seiner Kirche, der First Congressional Church of Oakland, im Reinen. Als schwuler Pfarrer musste auch er zunächst gegen massive Vorbehalte angehen.

Reverend Roland Stringfellow (Foto: Gero Schließ, DW)
Roland Stringfellow kämpft für die Wertschätzung gleichgeschlechticher PaareBild: DW/G. Schließ

Dass es gerade schwule und lesbische Paare sind, die mit ihrem Kampf für die Ehe die traditionellen konservativen und kirchlichen Werte hochleben lassen, kommt so manchem wie eine verkehrte Welt vor. Nicht so Stringfellow, der seine Kirche für die Hochzeitspaare ganz bewusst geöffnet hat.

"Eine religiöse Zeremonie hat einen wichtigen sympolischen Wert für die Paare. Und ich möchte sicherstellen, dass sie in den Familien, von Gott, unserer Kirchengemeinde und der Gemeinschaft insgesamt gewertschätzt werden. Da ist soviel Stolz und Freude in den Augen dieser Paare und ich hoffe, dass noch viele weitere gleichgeschlechtliche Paare heiraten."