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Die duftende Stadt

Kathrin Aldenhoff7. Januar 2013

Der Handel hat die Hansestadt groß gemacht. Vor allem der Kaffee, der über Bremerhaven in die Stadt kam, hat es den Bremern angetan. Zu Besuch in einer traditionellen Rösterei.

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Die braunen, fertig gerösteten Kaffeebohnen werden im Kühlsieb von einem Metallgerüst gewendet (Foto: DW/Kathrin Aldenhoff)
Bild: DW/Kathrin Aldenhoff

Wer morgens über die Weserbrücke radelt, dem weht zuerst der würzige Geruch von Maische entgegen. Er kommt aus der Beck's Brauerei, die am Fluss liegt und Deutschlands wohl bekanntestes Bier produziert. Ein Stück weiter, in der Neustadt, steigt einem ein intensiver Duft nach Schokolade in die Nase und wer in die Überseestadt fährt, der riecht die frisch gerösteten Cornflakes aus der Kellogg's-Fabrik. Doch am besten riecht Bremen an der Stadtgrenze: Auf den letzten Metern vor der Autobahn duftet es nach Kaffee, der ganz in der Nähe vom Unternehmen Jacobs geröstet wird.

Bremen ist Hansestadt und Bundesland zugleich. Auf beides sind seine Einwohner sehr stolz, auch wenn es das kleinste und ärmste Bundesland in Deutschland ist. Mehr als 650.000 Menschen leben in Bremen und Bremerhaven, die Arbeitslosenquote ist fast doppelt so hoch wie im bundesdeutschen Durchschnitt.

Trotzdem: Wer hier lebt, ist glücklich! Die Bremer gehören neben den Niedersachsen, Hamburgern und Schleswig-Holsteinern zu den zufriedensten Deutschen.

Kaffeehauptstadt Bremen

Christian Ritschel ist seit 2005 Röstmeister des traditionellen Bremer Kaffeeunternehmens Lloyd Caffee. "Ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht", sagt der 57-Jährige und nimmt einen Schluck Cappuccino. Mit sechs Mitarbeitern röstet er rund 40 Tonnen Kaffee im Jahr. Das ist, verglichen mit Industrieriesen wie Jacobs oder Melitta, nicht viel. Aber darauf komme es auch nicht an, sagt er. Ihm geht es um die Qualität. Über Händler kauft er nur Kaffee von kleinen Plantagen.

Der Kaffeeröster Christian Ritschel steht neben dem Röster und lässt die fertigen Kaffeebohnen in das Kühlsieb rauschen (Foto: DW/Kathrin Aldenhoff)
Christian Ritschel lässt die gerösteten Bohnen in das Kühlsieb rauschenBild: DW/Kathrin Aldenhoff

Anfang der 1960er Jahre gab es in Bremen mehr als 100 Kaffeeröstereien. Heute sind es noch eine Handvoll. Lloyd Caffee wurde 1930 gegründet, es gehört zu den ältesten noch traditionell arbeitenden Betrieben der Stadt. Ein Grund für die ungewöhnlich hohe Dichte an Röstereien war wohl die Nähe zum Hafen - hier kam der Kaffee aus den Anbauländern an. Was lag da näher, als ihn auch hier zu verarbeiten.

Entkoffeinierter Kaffee als Exportschlager

Im Jahr 2009 ist Lloyd Caffee in das ehemalige Gebäude von Kaffee HAG gezogen, ein Unternehmen, dass durch entkoffeinierten Kaffee berühmt wurde. Ludwig Roselius gründete es 1906, seit rund 30 Jahren aber gehört die Firma einem amerikanischen Konzern. Doch die Böttcherstraße in der Altstadt, die Roselius im Stil des Expressionismus gestalten ließ, ist immer noch eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Bremens.

Als Christian Ritschel auf der Suche nach neuen Räumen für seine Rösterei war und er das HAG-Gebäude im Bremer Holzhafen betreten hatte, war ihm klar: Hier will er rösten und seinen Kaffee verkaufen. Der Marmorsaal, den Roselius 1914 zu Repräsentationszwecken bauen ließ, hatte ihn besonders beeindruckt: "Ich wollte, dass hier wieder Kaffeeduft einzieht."

Christian Ritschel steht mit einer Gruppe von Besuchern in einem mit Marmor verkleideten Saal (Foto: DW/Kathrin Aldenhoff)
Früher gab es hier entkoffeinierten Kaffee, heute Besuchergruppen: der berühmte MarmorsaalBild: DW/Kathrin Aldenhoff

Christian Ritschel hält regelmäßig Kaffeeseminare, seine Besucher führt er zuerst in diesen Saal. Dort erzählt er, wie Roselius mit Kaffee HAG vor allem eine beeindruckende Marketingstrategie verfolgte und so den Markt eroberte. Danach lädt er die Besucher ein, seinen Kaffee zu kosten. Es gibt die Bremer Mischung: eine Sorte, die er aus drei verschiedenen Kaffees aus Lateinamerika zusammenstellt. Der Geruch nach frisch gebrühtem Kaffee zieht durch die Räume. Nach einem Vortrag über Anbauländer, Erntemethoden und Qualitätskriterien geht es an das Allerheiligste: den Röster.

Durch einen Trichter saugt die Maschine die Kaffeebohnen ein, dort rösten sie rund 20 Minuten bei einer Temperatur von bis zu 200 Grad. Heißer sollte es nicht werden, das schadet dem Aroma. Durch ein kleines Fenster beobachtet Ritschel die Bohnen. Er sieht, wie sie von einer grünlichen zu einer satt braunen Farbe wechseln. Während der Röstzeit riecht es nach Heu, nach Getreide, kurz nach frisch gebackenem Brot und dann - nach Kaffee. Er drückt einen Hebel nach unten und die Bohnen rauschen in ein Sieb, wo sie gewendet und gekühlt werden.

Latte Macchiato mit Konrad Adenauer

Auch trinken lässt sich der Kaffee ganz wunderbar in Bremen. Zwar gibt es keine klassischen Kaffeehäuser im Wiener Stil, aber dafür viele gemütliche Cafés. Zum Beispiel "Das Amt", versteckt in einer kleinen Gasse mitten in der Bremer Altstadt. Das Besondere: Das Café im ersten Stock ist eingerichtet wie eine Behörde in den 1950er Jahren. Die Besucher können beim Cappuccino-Schlürfen an Schreibtischen sitzen, neben ihnen stehen Schreibmaschinen, alte Telefone und Aktenschränke. An der Wand ein Portrait des ehemaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer.

Ein Gast sitzt auf einem grünen Sofa in einem Café „Das Amt“ und liest Zeitung; der Raum ist eingerichtet wie eine Behörde aus den 50er Jahren (Foto: DW/Kathrin Aldenhoff)
Die Einrichtung im Stil der 1950er Jahre stammt aus dem Bremer BauamtBild: DW/Kathrin Aldenhoff

Wem nach all dem Kaffee der Sinn nach einem kühlen Bier steht, der findet im Viertel, dem Szenestadtteil der Hansestadt, eine Vielzahl von Kneipen und Bars. Und wer dort einen Abend verbracht hat, wird verstehen, warum die Bremer so glücklich sind.