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Die "Bild" und der Islam

Volker Wagener28. Juli 2014

Der Text war kurz, aber er hatte es in sich. Das Boulevardblatt "Bild am Sonntag" veröffentlichte einen islamfeindlichen Kommentar. Die Folge: ein Sturm der Entrüstung.

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Mit Kopftüchern und langen Kleidern gehen vier muslimische Frauen in Berlin-Kreuzberg auf einem Bürgersteig entlang (Foto: Kay Nietfeld/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Netzgemeinde hat ein Großthema und die Empörung schlägt hohe Wellen. "Kommentare müssen polarisieren, subjektiv sein, auch mal wehtun", schrieb der Autor des bekanntesten Kommentars dieser Tage in Deutschland erst vor wenigen Wochen in einer österreichischen Zeitung. Dieses selbst gesteckte Ziel ist Nicolaus Fest mit seinem #link:http://www.bild.de/news/standards/religionen/islam-als-integrationshindernis-36990528.bild.html:islamfeindlichen Kommentar# offenbar gelungen. So sehr, dass sich neben den überwiegend ablehnenden Wortmeldungen bei Twitter und Facebook nun auch die Politik einschaltet.

Selbst bei der "Bild"-Zeitung sind die wenigen Zeilen hausinterner Sprengstoff. Und in der arabischen Welt schaffte es der Mini-Kommentar sogar vorrübergehend auf Platz eins bei mindestens einem großen Online-Portal. Doch was war geschehen?

Islam in Deutschland = importierter Rassismus?

In einem Kommentar der "Bild am Sonntag", mit rund 1,2 Millionen verkaufter Exemplare die meistgelesene deutsche Sonntagszeitung, wird der Islam pauschal als Integrationshindernis dargestellt. Der Autor, Nicolaus Fest, stellvertretender Chefredakteur des Blattes, bezeichnet sich selbst als "religionsfreundlichen Atheisten". Mit Juden, Christen, Buddhisten - so der Kommentator - habe er keine Probleme, wohl aber mit dem Islam. Junge Muslime in Deutschland seien überproportional kriminalistisch auffällig, er störe sich auch an der totschlagbereiten Verachtung des Islam gegenüber Frauen und Homosexuellen.

Ist Religion ein Integrationshindernis, fragt der Autor zum Schluss und gibt die provozierende Antwort, im Falle des Islam ja, bei den anderen Weltreligionen eher nicht. Er empfiehlt, diesen Befund bei Asylanträgen und Zuwanderung zu berücksichtigen. Fazit von Fest: "Ich brauche keinen importierten Rassismus, und wofür der Islam sonst noch steht, brauche ich auch nicht."

Aufruhr im Netz

Die totale Islam-Abqualifizierung zeigte sofortige Wirkung in der großen "Bild"-Familie. Kai Diekmann, Chefredakteur der täglichen Ausgabe der "Bild"-Zeitung, schrieb postwendend einen #link:http://www.bild.de/news/standards/bild-kommentar/keine-pauschalurteile-ueber-den-islam-36999364.bild.html:"Gegen-Kommentar".# Tenor: Kampf gegen den Islamismus ja, Diffamierung des Islam nein. Eine pauschale Ablehnung von Religionen habe in der "Bild" keinen Platz. Als #link:http://www.bild.de/news/standards/religionen/islam-als-integrationshindernis-36990528.bild.html:Gast-Kommentator# schrieb der grüne Bundestagsabgeordnete Özcan Mutlu, die Islam-Kritik von Fest sei purer Rassismus. Er habe seinen Augen nicht getraut, als er den Titel des Kommentars gelesen hatte.

Was mit der Islam-Tirade losgetreten wurde, ist der Chefredakteurin der Sonntagszeitung, Marion Horn, erst mit Verspätung bewusst geworden. Hatte sie in ihren Tweets zunächst den Autor verteidigt ("Religion ist ihm egal, … aber er hat was gegen Intoleranz"), musste sie sich wenig später im Netz rechtfertigen. "Wir sind nicht islamfeindlich! Ich entschuldige mich für den entstandenen Eindruck."Medien-Journalist Stefan Niggemeier erstaunt die Entschuldigung die sich lediglich auf den "entstandenen Eindruck" bezieht, nicht aber auf den Kommentar ganz allgemein.

Eindeutig auch die Reaktionen aus den Reihen der Bundestagsabgeordneten. Grünen-Politiker Volker Beck fordert eine Entschuldigung bei allen Muslimen in Deutschland. "Einen Kübel Dreck" nennt SPD-Politiker Jonas Westphal den "Bild"-Kommentar. Und Niema Movassat von der Linken empört sich über das Schüren von Rassismus. Der Autor selbst zeigte sich anfangs noch wenig beeindruckt von der Generalkritik und freute sich über einen "herrlichen Shitstorm"."Bild" bleibt in den Schlagzeilen

Deutschland erlebt derzeit nicht nur eine neue Antisemitismus-Debatte, sondern auch eine Islam-Integrations-Kontroverse. Interessanterweise ausgelöst von ein- und demselben Medium. Erst am Freitag (25.07.2014) hatte das populäre Blatt namhafte Prominente zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, sowie Bundespräsident Joachim Gauck auf dem Titelblatt unter der Überschrift "Nie wieder Judenhass!" vereinigt. Die Aktion gegen Antisemitismus in Deutschland wurde überwiegend positiv aufgenommen. Die Islam-Kritik nur zwei Tage später im Schwesternblatt "Bild am Sonntag" wirft nun Fragen auf. Zum Beispiel die, ob die Provokation geplant war.