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Die argentinische Krankheit

Marc Koch, Buenos Aires12. August 2014

Die Wirtschaftskrise in Buenos Aires greift auf die Nachbarstaaten in Lateinamerika über. Die brasilianischen Exporteure, insbesondere die Autobauer, müssen drastische Einbrüche verkraften.

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Symbolbild Argentinien
Bild: picture-alliance/dpa

Cristina Fernández de Kirchner hatte recht: Der 30. Juli ging vorbei, und die Welt drehte sich wirklich weiter - wie es die Präsidentin vorhergesagt hatte. An diesem Tag wurde Argentinien für zahlungsunfähig erklärt. Nirgendwo wurde die Nachricht so gelassen aufgenommen wie im Land selbst. Für Argentiniens marode Wirtschaft kann es ja nur noch besser werden. Der Merval, der größte Börsenindex, machte am Tag danach sogar einen Riesensprung nach oben.

In den Nachbarländern drehte sich die Welt zwar auch weiter – aber durchaus mit einem gewissen Bauchgrimmen, zumindest aus wirtschaftlicher Sicht. Natürlich wird der aktuelle "Default" nicht die verheerenden Folgen der argentinischen Staatspleite von 2001 haben. Doch je länger die Zahlungsunfähigkeit und Argentiniens Streit mit den Hedgefonds anhält, um so größer werden die Sorgenfalten in der Region.

Brasilien muss Exporteinbrüche verkraften

Brasilien zum Beispiel, einer der wichtigsten Handelspartner Argentiniens, kann die Schwierigkeiten des Nachbarn gerade überhaupt nicht gebrauchen. Die eigene Wirtschaft schwächelt ohnehin, die Inflationsdaten sind mindestens unerfreulich, die Unsicherheit über die ökonomische Zukunft ist groß. Dafür ist auch die Situation in Argentinien mitverantwortlich. Bisher steht das Land auf Platz drei der Abnehmer brasilianischer Exporte, nach China und den USA.

Doch im ersten Semester 2014 gingen deutlich weniger Produkte über die Südgrenze. Der Autoexport brach sogar um 35 Prozent ein. "Argentinien ist einer der größten Käufer von hier produzierten Waren", sagt José Augusto de Castro von der brasilianischen Außenhandels-Vereinigung. "Vor allem der Automobilsektor hat kaum Alternativen. 85 Prozent der Ausfuhren gehen nach Argentinien. Doch Buenos Aires braucht einen Handelsbilanzüberschuss und muss deshalb Importe reduzieren".

Für viele mittlere und kleine Unternehmen in den brasilianischen Bundesstaaten Rio Grande do Sul und Santa Catarina ist Argentinien der einzige Absatzmarkt. Und der könnte jetzt komplett wegbrechen, wenn sich die argentinische Wirtschaft noch weiter zusammenzieht.

Uruguay - Punta del Este( Foto: DANIEL CASELLI/AFP/Getty Images)
Ein Urlaub in Punta del Leste ist für viele Argentinier unbezahlbarBild: Getty Images

Wertverlust des Peso

Ziemlich sicher ist, dass der argentinische Peso noch einmal drastisch abwerten wird. Das würde dann auch Folgen für die kleineren Nachbarländer haben: Uruguay zum Beispiel sorgt sich um den Tourismus: 1,76 Millionen Argentinier machen jedes Jahr Urlaub auf der anderen Seite des Rio de la Plata. Das ist schon lange kein preiswertes Vergnügen mehr, würde aber bei einer Abwertung des Peso komplett unbezahlbar für Argentinier. Und natürlich leidet auch hier der Export: Im Falle Uruguays betrifft das vor allem Textilien, Papier und Haushaltsgeräte.

Auch in Argentinien stark engagierte Firmen aus Chile, etwa die Warenhauskette Falabella oder der Einzelhandelskonzern Cencosud, schielen misstrauisch über die Anden: Eine Abwertung drückt auf ihre Aktienkurse. Generell dürfte aber gerade Chiles Wirtschaft von der Krise im Nachbarland nichts mitbekommen, prophezeit der Ökonom Alejandro Alarcón von der Universidad de Chile in Santiago: "Wir haben uns weitgehend von der argentinischen Wirtschaft abgekoppelt. Der Handel macht vielleicht drei Prozent aus, wir exportieren ein Prozent dorthin. Aus Sicht des realen Handels hat der Default keine Auswirkungen."

Garantien für bolivianisches Gas

Ein anderer wichtiger Handelspartner Argentiniens sieht das ähnlich: Bolivien pumpt jeden Tag 17 Millionen Kubikmeter Gas in das Nachbarland und möchte dafür harte US-Dollars sehen – alleine 582 Millionen im ersten Quartal dieses Jahres. Es gibt schon länger Gerüchte, Argentinien sei mit der Zahlung enorm im Rückstand. Der Chef des staatlichen Öl- und Gaskonzerns YPFB bestreitet das allerdings: "Argentinien zahlt nach den im Vertrag festgelegten Regeln. Daher sind auch keine Schulden aufgelaufen, Argentinien bezahlt seine Rechnungen wie vorgeschrieben", betont Carlos Villegas.

Ölraffinerie Rio Grande in Santa Cruz Bolivien (Foto: AIZAR RALDES/AFP/Getty Images)
Energie aus den Anden: Bolivien liefert Öl und Gas nach ArgentinienBild: Aizar Raldes/AFP/Getty Images

Bei YPFB liegen allerdings 400 Millionen Dollar aus Argentinien in der Schublade. Das entspricht dem Liefervolumen von zwei Monaten und dient Bolivien als Garantie - sicherheitshalber.