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Die Arche Noah Israels

Ulrike Schleicher31. Dezember 2012

Der Biblische Zoo in Jerusalem beherbergt nicht nur vom Aussterben bedrohte Tiere - er ist auch ein beliebter Treffpunkt für orthodoxe Juden und Araber. Beide Gruppen zählen zu den eifrigsten Besuchern.

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Die syrischen Braunbären im Zoo sind besonders beliebt. Einer davon, Albert ist berühmt fuer seine Tauchkünste Foto: Ulrike Schleicher, Nov. 20112, Jerusalem
Biblischer Zoo JerusalemBild: DW/U. Schleicher

"Wolf und Schaf sollen beieinander weiden; der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind, aber die Schlange muss Erde fressen. Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun auf meinem ganzen heiligen Berge, spricht der Herr." Was der Prophet Jesaja im 65. Kapitel seiner Verheißung eines neuen Himmels geschrieben hatte, nahm der Jerusalemer Zoologe Aharon Shulov im Jahre 1940 wörtlich: Er steckte ein Schaf und einen Wolf zusammen in ein Gehege und hoffte das Beste. Vergeblich: In gewissen Abständen musste Shulov das Schaf ersetzen.

Doch schließlich gründete Aharon Shulov einen Zoo, in dem alle Tiere, die im Alten Testament erwähnt werden, einen Platz haben sollten - noch heute wird er im Volksmund der "Biblische Zoo" genannt. Die Idee des jungen Insektenforschers war grandios: ein Zoo in Jerusalem auf dem Skopusberg, der gleich mehrere Zwecke erfüllt. Shulov brauchte wissenschaftliches Anschauungsmaterial, er wollte den Menschen unten in der Stadt die Universität näher bringen und die Bibel sollte mit Hilfe von Tieren lebendig werden. Doch die Anwohner wehrten sich gegen die brüllenden Affen in ihrer Nachbarschaft. Der Zoo zog im Laufe der Jahre mehrmals um und musste neben hysterischen Nachbarn auch kriegerische Auseinandersetzungen überstehen.

Der Biblische Zoo liegt im Malha-Tal, am Fuß der Stadt Jerusalem. Unweit davon ist der Checkpoint in die Westbank nach Bethlehem (Foto: Ulrike Schleicher)
Der Biblische Zoo liegt im Malha-Tal bei JerusalemBild: DW/U. Schleicher

Oberstes Ziel: Artenschutz

Seit 1993 hat der Biblische Zoo seine Heimat im Malha-Tal am Fuße der Stadt. Unweit davon ist der Checkpoint in die Westbank nach Bethlehem zu sehen. Auf derzeit 25 Hektar verteilen sich die Gehege terrassenförmig zwischen den Kalkfelsen, eingebettet zwischen Bäumen und Büschen, die zur ursprünglichen Vegetation Israels gehören, die seltene, syrische Esche etwa und die Aleppo-Pinie. "Und du sollst in den Kasten tun allerlei Tiere von allem Fleisch, je ein Paar, Männlein und Weiblein, dass sie lebendig bleiben bei dir…" Was in der Genesis steht, sind hier keine leeren Worte. "Der Zoo hat es sich zur Aufgabe gemacht, Flora und Fauna des Landes zu bewahren", sagt Sigalit Herz, studierte Biologin und seit 1998 verantwortlich für das Marketing.

Eine schwere und oft frustrierende Aufgabe in dem kleinen, dichtbesiedelten Land. Von den 130 Tierarten, die in der Bibel erwähnt sind, waren 1940 schon viele ausgestorben. Inzwischen sind es noch mehr, zahlreiche andere sind akut bedroht: die Negev-Schildkröte, die Sandkatze, das syrische Damwild etwa. Der Zoo versucht, sie wieder in der Natur anzusiedeln oder zu erhalten, etwa den Otter, der Wasser braucht und wegen zunehmender Trockenheit den Kampf um seinen Lebensraum schon fast verloren hat. Nur noch 100 soll es in Israel geben. Deshalb entschied sich die Zooverwaltung für einen ungewöhnlichen Weg: Man fing Otter in der freien Natur und brachte sie in den Zoo, um dort bei optimalen Bedingungen für ihre Vermehrung zu sorgen.

Begegnungsstätte für Juden und Araber

Beispielhaft in Israel ist der Zoo auch für seine umweltfreundliche Bewirtschaftung. Hier herrscht nicht nur strikte Mülltrennung. "Wir recyceln das Wasser, arbeiten mit Solarenergie und kompostieren unsere organischen Abfälle", ergänzt die Marketingleiterin. Der Zoo schwimmt nicht in Geld, er wird ausschließlich über die Eintrittsgelder und mit Spenden finanziert. "Wir planen deshalb sehr genau, was gemacht wird." Es scheint gut zu gelingen - und das hat seinen Grund auch in der jüdischen Religion. So ist es bis heute üblich, dass Bauern 10 Prozent jeder Ernte spenden. Das kommt den Tieren des Zoos zugute. "Früchte, Getreide und Gemüse bekommen wir kostenlos." Fleisch für die hungrigen Wildkatzen - Löwen essen alle zwei Tage 15 Kilo - wird gekauft. Das Futter ist koscher.

Kinder teilen ihre Begeisterung mit, egal, wer neben ihnen steht (Foto: Ulrike Schleicher)
Die Kinder sind begeistertBild: DW/U. Schleicher

Der Zoo hat auch an Schabbat geöffnet. Das grenzt in Jerusalem an ein kleines Wunder, aber die orthodoxen Juden haben ihren Frieden damit gemacht. Sie gehören zu den eifrigsten Besuchern. Ebenso Araber, sagt Sigalit. "Beide fühlen sich hier sicher, respektiert und sehr willkommen." Die Führungen sind auf Arabisch und Hebräisch. Ein Tribut an den Bildungsauftrag, den die Zooleitung sehr ernst nimmt. "Weder streng religiöse Juden noch Araber beschäftigen sich mit der Natur", ist die Erfahrung von Sigalit Herz. Innig ist die Beziehung zwischen den Gruppen jedoch nicht. Nur Kinder überwinden die Distanz. Etwa beim Beobachten der Schwarzfußpinguine. "Den kleinen da finde ich besonders nett", sagt die achtjährige Hanifa aus dem Viertel Gar Hilo in Jerusalem, wo Juden und Araber Straße an Straße wohnen. Und Rahel, die mit ihren Eltern im orthodoxen Viertel Kfar Shaul wohnt, nickt begeistert. Nicht nur die Besucher sind arabisch und jüdisch, auch die Zooangestellten. "Wir versuchen, die Politik draußen zu lassen", beschreibt etwa der Kartenverkäufer Jakob Ittach ihr Verhältnis. Das gelinge freilich nicht immer.

Und manchmal holt den friedlichen Zoo das tiefsitzende Misstrauen der beiden Völker auch in anderer Art und Weise ein. So berichteten arabische Medien 2010 von einem aus dem Biblischen Zoo stammenden Aasgeier, der in Saudi-Arabien gefangen worden war. Das Tier sei zweifellos ein Spion und vom israelischen Geheimdienst Mossad geschickt, hieß es dort aufgeregt. Dann untersuchten die Saudis den Geier genauer. Sigalit lacht: "Er war markiert. Wir hatten ihn aufgezogen und in die Freiheit entlassen. Er kannte nur keine Grenzen."

Der Zoobesuch ist meist ein Erlebnis für die ganze Familie (Foto: Ulrike Schleicher)
Der Zoobesuch ist ein FamilienerlebnisBild: DW/U. Schleicher