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Die Anti-Werber

Jennifer Fraczek / Karsten Kaminski14. November 2013

Adbuster sprayen Kochrezepte auf Fast-Food-Werbeplakate oder verfremden sie auf andere Weise. Durch Twitter und Co. werden mehr Menschen auf diese Konsumkritik aufmerksam - aber nicht zwingend zu kritischen Verbrauchern.

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Adbusting bei Twitter - Zutatenliste für Spaghetti Bolognese auf dem Werbeplakat einer Fast-Food-Kette
"Gebustete" PlakatwerbungBild: Twitter

Reispfanne: 1 Tasse Reis, 300 g Putenschnitzel, 1 Zucchini, 2 Möhren, 1 Paprika, 1 Zwiebel, Salz, Pfeffer, Curry. Gut lesbar aufgesprayt steht diese Zutatenliste auf dem Werbeplakat einer Fast-Food-Kette in der westdeutschen Stadt Köln. Auf einem anderen können Passanten sich Anregungen für Spaghetti Bolognese holen. Ein Aufruf soll es sein, sich selbst in die Küche zu stellen und zu kochen, statt sich mit Fertigprodukten großer Konzerne zu sättigen.

Gegen Konsum und Markenwahn

Die Aktivisten hinter diesem Appell nennen sich Adbuster. Das Kunstwort aus dem Englischen setzt sich zusammen aus dem Begriff "advertisement" (Werbung) und dem Verb "to bust" (zerschlagen). Die Adbusting-Bewegung kommt aus Kanada und wendet sich nach eigenem Bekunden gegen Konsumgesellschaft und Markenwahn. Als ihr Begründer gilt Kalle Lasn, der 1989 die Adbusters Media Foundation ins Leben rief. Sie bringt das Magazin "Adbusters" heraus und hat Kampagnen entwickelt, wie zum Beispiel den "Kauf-Nix-Tag". Er findet immer am letzten Samstag im November statt. An diesem Tag sollen die Menschen auf das Einkaufen verzichten.

Die Bewegung hat auch den Sprung ins digitale Zeitalter geschafft. Unter dem Hashtag #Adbusting kursieren derzeit viele Bilder im Netz: Beim Kurznachrichtendienst Twitter und bei verschiedenen Blogs sind vor allem Bilder beschmierter Zigarettenwerbetafeln zu sehen, die User unterwegs fotografiert und online gestellt haben. Aber es gibt auch Netz-Adbusters - sie bearbeiten Plakate digital.

Adbusting bei Twitter - Digitale Plakatbearbeitung einer Hähnchenverpackung
Digitale PlakatbearbeitungBild: Twitter

Ist Kritik an Werbung selbst die beste Werbung?

Die Verbreitung über die sozialen Netzwerke hat aus Sicht des Medienwissenschaftlers Peter Glassen Vor- und Nachteile für die Aktivisten. Einerseits bekommen sie so mehr Aufmerksamkeit. Andererseits sei das Busten in der Werbebranche mittlerweile eine Art Adelung für eine Kampagne. Vertreter der Werbebranche erzählten mitunter nicht ohne Stolz, dass ihre Kampagne "gebustet" wurde.

Immer häufiger griffen zudem Firmen selbst auf die Techniken der Adbuster zurück. So sprühe etwa der Sportartikelhersteller Nike im Stil der Street-Art seine Werbebotschaften mit Schablonen auf den Asphalt. "Die Konzerne nutzen die Mittel der alternativen Kultur, um letztlich Mainstream an den Verbraucher heranzutragen", sagt Glassen.

Noch keine Revolution

Einige Firmen halten diese Form der Konsumkritik also immerhin für bedeutsam genug, um sich damit auseinanderzusetzen. Aber wie steht es mit der gesellschaftlichen Bedeutung von Adbusting? Bringt es die Menschen dazu, ihre Konsumhaltung kritisch zu überdenken?

Die Aufmerksamkeit im Netz scheint zunächst dafür zu sprechen: Viele setzen sich mit den Bildern auseinander, einige fordern noch mehr konsumkritische Botschaften - zum Beispiel mehr Rezepte auf McDonald's- oder Burger-King-Plakaten. Manchen schwebt ein Kochbuch mit diesen Rezepten vor. Bei den meisten erschöpft sich das Engagement jedoch in einem Klick auf den Like-Button.

Medienwissenschaftler Glassen sieht Adbusting durchaus als politische Bewegung. Er ist aber skeptisch, ob die Verbraucher mehrheitlich zu Konsumkritikern werden.

Peter Glassen, Medienwissenschaftler (Foto: Daria Kołacka)
Medienwissenschaftler Peter Glassen: Konzerne imitieren Adbuster und Street-ArtBild: Daria Kołacka

Die Werbewirtschaft sieht die Reklame-Verfremdung nicht als Bedrohung an. "Das sind Einzelfälle", sagt der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes der Deutschen Werbewirtschaft (ZAW), Manfred Parteina. Einzelfälle allerdings, die "sehr ärgerlich sind - und auch illegal".

Adbusting ist strafbar

Tatsächlich ist Adbusting Sachbeschädigung und somit strafbar. Ist es das Risiko wert? Was erreichen Adbuster überhaupt? "Fakt ist, dass ein zerstörtes Plakat die Werbewirkung einer bundesweit geschalteten Kampagne einschränkt", sagt Parteina. Messen lässt sich das aber nur schwer, dem ZAW liegen keine Zahlen dazu vor.

Auch Glassen geht nicht davon aus, dass sich aus dem gesellschaftlichen Phänomen Adbusting eine Revolution entwickelt. Er kann allerdings den Plakat-Verfremdungen etwas Positives abgewinnen: In Anlehnung an das "Guerilla-Gardening", bei dem Kugeln aus Erde und Samen auf öffentliche Plätze geworfen werden, nennt er die Darstellung der Rezepte auf Werbeplakaten einen Aufruf zum "Guerilla-Cooking". Für ihn bedeutet das: "Ich bekomme auf der Straße tolle Rezepte, um mich mit Freunden zu treffen und mich wieder auf das zu konzentrieren, was in so bewegten Zeiten wie diesen wichtig ist: Gemeinschaft, gemeinsames Kochen und gutes Essen."