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Wirtschaftsunternehmen Krankenhaus

Anja Kimmig17. Juli 2013

Krankenhäuser sollen immer profitabler werden. Mehr Patienten in kürzerer Zeit behandeln, lautet die Devise. Kliniken konkurrieren um Patienten. Immer mehr Krankenhäuser kämpfen um die Existenz.

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ARCHIV - Eine Krankenschwester steht am 21.06.2011 auf der Intensivstation der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) neben einer Patientin. Nordrhein-Westfalen steht vor einem drastischen Arbeitskräftemangel: Ohne ein entschiedenes Gegensteuern verliert das bevölkerungsreichste Bundesland bis 2025 rund 1,3 Millionen Erwerbspersonen, darunter etwa eine Million Fachkräfte, wie die Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch (12.10.2011) mitteilte. Schon jetzt fehlen in einigen Branchen Facharbeiter. Besonders gelte das für Krankenschwestern, Altenpflegekräfte, Erzieher, Köche, Elektroniker, Dachdecker und Fliesenleger, die teilweise schon NRW-weit händeringend gesucht werden. Foto: Julian Stratenschulte dpa/lnw +++(c) dpa - Bildfunk+++
Deutschland Fachkräfte Fachkräftemangel im Krankenhaus KrankenschwesterBild: picture-alliance/dpa

Kranke Menschen behandeln und gleichzeitig wirtschaftlich arbeiten. Vor der Herausforderung stehen viele deutsche Krankenhäuser. Bezahlt wird nicht mehr wie lange der Patient im Krankenhaus liegt, sondern die medizinische Leistung, die erbracht wird. Was zum Beispiel eine Untersuchung oder Operation kostet, ist in sogenannten Fallpauschalen festgelegt. Sie werden jährlich von Krankenkassen und Krankenhausgesellschaften für die einzelnen Bundesländer bestimmt. Nach den Fallpauschalen werden Kliniken von den Krankenkassen bezahlt.

Allein in der Notaufnahme

Es wird zu viel operiert in deutschen Krankenhäusern, sagen Kritiker. Kliniken schleusen immer mehr Patienten durch, um ihre Erlöse zu steigern. Im OECD-Vergleich liegt Deutschland nach Österreich auf Platz 2. Bei den Herzkatheteruntersuchungen und Hüftoperationen hat Deutschland die Nase vorn. Allein durch den demografischen Wandel lässt sich das nicht erklären, auch nicht durch den medizinisch-technischen Fortschritt. "Wir müssen uns die Frage stellen, ob nicht auch Fehlanreize bestehen", schreibt Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr auf der Webseite seines Ministeriums.

Immer mehr Kliniken im roten Bereich

Die wirtschaftliche Situation deutscher Krankenhäuser hat sich deutlich verschlechtert. "Die Preise, die man pro Leistung bekommt, sind eher gering gestiegen, unter der Inflationsrate", so Gesundheitsexperte Dr. Boris Augurzky vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Er ist Mitverfasser des Krankenhaus Rating Reports 2013. "Der Anteil der Krankenhäuser, die einen Jahresverlust schreiben, ist von 16 Prozent auf ein Drittel gestiegen." Bei 13 Prozent der deutschen Krankenhäuser bestand 2011 erhöhte Insolvenzgefahr. Den Kliniken fehlt das Geld zum Investieren. Experten sehen einen Investitionsstau von 15 Milliarden Euro.

Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) (Foto:dapd)
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr: Anreize falsch gesetzt?Bild: dapd

In Deutschland gibt es zu viele Krankenhäuser. Von 1995 bis 2011 ist die Zahl zwar von 1600 auf 1121 gesunken, dennoch ist die Versorgungsdichte immer noch hoch. "Unsere Nachbarländer kommen mit weniger Standorten aus. Der Vorteil von weniger Standorten, aber gebündelten Leistungen, bedeutet betriebswirtschaftlich weniger Fixkosten pro Fall", so Augurzky. Um der drohenden Pleite zu entgehen, schließen sich immer mehr Krankenhäuser in Verbünden zusammen. Mehr als 60 Prozent der Kliniken gehören heute zu einem Träger mit mindestens zwei Krankenhäusern. 

Vorreiter Klinikkonzern Rhön-Klinikum?

Leistungen zu bündeln und so Kosten zu sparen, ist die Strategie großer Klinikbetreiber. Einer der größten ist die Rhön-Klinikum AG. Der Konzern betreibt deutschlandweit 54 Krankenhäuser und beschäftigt 43.000 Mitarbeiter. Im Jahr 2006 hat der Konzern die Universitätsklinik Gießen und Marburg aufgekauft. Es ist die einzige deutsche Uniklinik in privater Hand.  95 Prozent der Anteile hält das Rhönklinikum, fünf Prozent das Bundesland Hessen. Der medizinische Betrieb wurde privatisiert. Forschung und Lehre, und damit auch das ärztliche Personal, bleiben Ländersache. Das Rhönklinikum hat rund 550 Millionen Euro in die Uniklinik investiert.

OP-Saal mit Technik wie im Cockpit, verschiedene Monitore und OP-Tisch Photo: IRDC Leipzig
Hightech im OP-Saal: Milliarden-Investitionen sind nötigBild: IRDC Leipzig

Das Geld muss die Universitätsklinik Gießen und Marburg wieder einspielen. Rund 60 Prozent machen allein die Personalkosten aus. "Man kann sagen, dass vor einem Jahr 220 Stellen mehr besetzt waren", sagt Betriebsrat Klaus Hanschur. Vor allem in der Verwaltung und im Gebäude-Management sollen weitere Stellen eingespart werden. Für das Personal hat sich die Arbeit verdichtet. Überstunden sind an der Tagesordnung. Dass im Krankenhaus auch wirtschaftlich gearbeitet werden müsse, stehe für ihn außer Frage. "Aber man kann ein Krankenhaus nicht mit einem normalen Unternehmen vergleichen. Ein Krankenhaus muss Menschen versorgen, das steht oben an", so Klaus Hanschur. 

Kurzfristige Hilfe von politischer Seite

Um die deutschen Krankenhäuser zu entlasten, hat Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr für dieses und das nächste Jahr zusätzliche Mittel von 1,1 Milliarden Euro zugesagt. "Im Moment ist es so, dass die Eurokrise eine Art vorübergehender Glücksfall ist, weil Deutschland einen wirtschaftlichen Aufschwung und kaum Arbeitslosigkeit hat." Staatskassen und auch die Krankenkassen seien gut gefüllt. "Daher kriegen die Krankenhäuser jetzt rund eine Milliarde mehr",  sagt der Gesundheitsexperte Boris Augurzky. Doch die Frage ist, was ab 2015 passiert. Es ist davon auszugehen, dass weitere Kliniken schließen müssen, weil sich sonst  die finanzielle Situation der Krankenhäuser verschärft.