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Deutschlands stille Transnistrien-Diplomatie

Roman Goncharenko20. Juni 2012

Zusammen mit Russland versucht Deutschland eine Lösung in einem Dauerstreit in Osteuropa zu finden. Der Transnistrien-Konflikt schwelt bereits seit 20 Jahren.

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Auswärtiges Amt in Berlin Foto: Marius Becker (dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Sie erkennen einander nicht als gleichberechtigte Partner an, doch sie sprechen miteinander. Vertreter der ehemaligen Sowjetrepublik Moldau und ihrer abtrünnigen Provinz Transnistrien treffen sich ab Mittwoch (20.06.2012) im bayerischen Rottach-Egern zu dreitägigen Gesprächen.

Der abgeschiedene malerische Ort am Tegernsee an der deutsch-österreichischen Grenze wurde nicht zufällig vom deutschen Auswärtigen Amt ausgesucht. "Wir müssen nicht alles tatsächlich in der Öffentlichkeit ausbreiten", sagt Manfred Grund, CDU-Bundestagsabgeordneter und Vorstandsvorsitzender des Deutsch-Moldauischen Forums. Wenn deutsche und russische Diplomaten versuchen, Bewegung in die Lösung des seit 20 Jahren schwelenden Transnistrien-Konflikts zu bringen, seien "vertrauensvolle Kontakte" notwendig.

Es geht um einen rund 100 Kilometer langen Streifen entlang des östlichen Ufers des Dnjestr-Flusses, der sich 1992 in einem Krieg von der Republik Moldau losgelöst hatte. Die russischsprachige Bevölkerung Transnistriens wehrte sich so gegen die damals von der Moldau betriebene Annäherung an Rumänien. Rund 500.000 Menschen leben heute in der selbsternannten Moldauischen Republik Transnistrien. Die völkerrechtlich zur Moldau gehörende Region ist wirtschaftlich schwach. Sie überlebt vor allem dank Unterstützung aus Moskau, das dort sowohl seine Truppen stationiert hält als auch finanzielle Hilfe leistet. Gegen den Widerstand Russlands sei der Transnistrien-Konflikt nicht zu lösen, betont Manfred Grund.

Karte der von Moldawien abgefallenen Region Transnistrien, die sich 1992 zu einem unabhängigen Staat erklärt hat, aber seither nur von Rußland anerkannt worden ist. Quelle: CIA. (Grafik: DW)
Völkerrechtlich gehört Transnistrien zur Republik Moldau

Die Meseberger Initiative

Dass die Verhandlungen nun auf deutschem Boden stattfinden, ist kein Zufall. Bei ihrem Treffen auf Schloss Meseberg bei Berlin im Juni 2010 vereinbarten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der damalige russische Präsident, Dmitri Medwedew, zu einer Lösung des Dauerkonflikts beizutragen.

Merkel und Medwedew bei ihrem Treffen auf Schloss Meseberg bei Berlin (Foto: EPA/DMITRY ASTAKHOV/POOL)
Merkel und Medwedew bei ihrem Treffen auf Schloss MesebergBild: picture alliance/dpa

"Es gab keine Vereinbarungen, aber das Atmosphärische war, glaube ich, das Interessante und Wichtige", sagt Manfred Grund. Merkel habe dem Kremlchef vorgeschlagen, für eine angestrebte, neue europäische Sucherheitsarchitektur Transnistrien als "ein konkretes Beispiel" zu nehmen und zu versuchen, "substantiell voranzukommen", so Grund.

Bewegung auf beiden Seiten

Seitdem hat sich tatsächlich einiges getan. Das Treffen in Rottach-Egern ist bereits das zweite in Deutschland innerhalb eines Jahres. Im September 2011 trafen sich Spitzenvertreter der Republik Moldau und Transnistriens in Bad Reichenhall. Nach sechsjähriger Pause wurden auch die Verhandlungen im Format "5+2" wiederaufgenommen. An ihnen nehmen - neben Moldau und Transnistrien - die Ukraine, Russland und die OSZE als Vermittler teil. Die USA und die Europäische Union versuchen als Beobachter, die Verhandlungen zu unterstützen. Die nächsten Gespräche in dieser Runde sind für Juli 2012 in Wien geplant.

Erster Verhandlungserfolg: Im März 2012 wurde vereinbart, die Eisenbahnverbindungen zwischen Moldau und Transnistrien wieder in Betrieb zu nehmen. Die Regierung in der moldauischen Hauptstadt Chisinau hofft in erster Linie, so den Güterverkehr über Transnistrien mit dem ukrainischen Schwarzmeerhafen Odessa zu verbessern.

Doch die wohl wichtigsten Veränderungen vollzogen sich auf politischer Ebene. Die Wahl von Nicolae Timofti im März 2012 zum neuen moldauischen Präsidenten beendete eine langjährige innenpolitische Krise. Auch in Tiraspol, der Hauptstadt Transnistriens, gab es einen Machtwechsel. Igor Smirnow, der rund 20 Jahre lang in der abtrünnigen Provinz das Sagen hatte, verlor im Dezember 2011 überraschend die Präsidentenwahl. Sein Nachfolger heißt Jewgeni Schewtschuk. Diese Veränderungen stimmen den Bundestagsabgeordneten Manfred Grund "sehr hoffnungsvoll": "Nicht zuletzt das Ergebnis der Präsidentenwahl in Transnistrien ist das Ergebnis dessen, dass hier Bewegung da ist - auf beiden Seiten."

Zukunft Transnistriens offen

Manfred Grund, der an der Vorbereitung der Gespräche in Rottach-Egern beteiligt war, hofft auf eine weitere Annäherung der Konflikt-Parteien: "Wir hoffen und wünschen, dass es dann zwischen Moldau und Transnistrien im Bereich der humanitären Hilfe, der Verkehrsanbindung, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und der gesellschaftlichen Kontakte gute Fortschritte geben wird."

Manfred Grund, CDU-Bundestagsabgeordneter. (Foto: Manfred Grund)
Hoffnung auf weitere Annäherung: Manfred GrundBild: Manfred Grund

Was eine endgültige Lösung des Konflikts angeht, so hat der Vorstandsvorsitzende des Deutsch-Moldauischen Forums nach eigenen Worten keine Lösung parat. Die Probleme seien "wesentlich größer" als sie im ersten Augenblick erschienen. Das liege daran, "dass sich beide Seiten auseinander entwickelt haben", so der deutsche Politiker.

Dass die Lösung des Transnistrien-Konflikts auch nach einem Machwechsel in Tiraspol nicht einfach sein wird, machte der neue Präsident Schewtschuk deutlich. Der zukünftige Status der Region müsse dem Willen des Volkes entsprechen, betonte der Politiker am Vortag der Verhandlungen in Rottach-Egern. Schewtschuk verwies dabei auf ein Referendum aus dem Jahr 2006. Über 90 Prozent hatten sich damals für die Unabhängigkeit Transnistriens ausgesprochen. Aktuelle Umfragen bestätigen dieses Ergebnis.

Wird Moskau Waffen aus Transnistrien abziehen?

Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der Moskauer Fachzeitschrift "Russland in der globalen Politik" erwartet vor diesem Hintergrund keinen Durchbruch bei den Transnistrien-Verhandlungen in Deutschland. "Diese Frage interessiert zurzeit weder die Europäische Union noch Russland", meint er. Merkels und Medwedews Meseberger Initiative sei inzwischen von anderen Themen wie etwa der Währungskrise in der EU überholt.

Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der Zeitschrift "Russland in der Globalpolitik" (Foto: DW)
Fjodor Lukjanow erwartet keinen Durchbruch bei den GesprächenBild: DW / Sergej Morosow

Experte Lukjanow schliesst aber weitere Schritte seitens Russlands nicht aus. So könnte die Regierung in Moskau tatsächlich ihre Waffen aus Transnistrien abtransportieren. Von einer endgültigen Lösung des Konflikts, so Lukjanow, sei man jedoch noch weit entfernt.