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Deutschlands enttäuschte Elite

Sven Pöhle23. Juli 2014

Die Arbeit der großen Koalition findet bei vielen deutschen Top-Managern wenig Anklang. Dennoch kassieren die Kanzlerin und zwei erfahrene Politiker in einer jährlichen Umfrage Spitzenwerte.

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Erste Kabinettssitzung der großen Koalition am 17.12.2013 in Berlin (Foto: Maurizio Gambarini/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

In Deutschlands Chefetagen herrscht anhaltender Konjunkturoptimismus. Mit der großen Koalition ist die Mehrheit der deutschen Top-Manager zehn Monate nach der Bundestagswahl allerdings unzufrieden. 54 Prozent der vom Institut für Demoskopie in Allensbach (IfD) im Auftrag des Wirtschaftsmagazins "Capital" befragten 496 Top-Entscheider aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung sind enttäuscht über die bisherige Arbeit der Regierung. Für Kritik aus den Führungsetagen sorgen vor allem die Rentenpolitik, die Einführung des Mindestlohns und die Energiepolitik. 84 Prozent des befragten Spitzenpersonals halten beispielsweise die Umsetzung der Energiewende für nicht zielführend, obwohl drei Viertel der Befragten die Energiewende prinzipiell befürworten.

Kein Ruhmesblatt für die Koalition aus Union und SPD. Zumindest nicht auf den ersten Blick. Doch die Historie der seit 1987 jährlich stattfindenden Umfrage zeigt, dass die Vorgängerregierungen wesentlicher kritischer beurteilt wurden. Im Sommer 2006 waren 71 Prozent der befragten Top-Entscheider enttäuscht von die Arbeit der damaligen großen Koalition (2005-2009), im Sommer 2010 waren es nach Antritt der schwarz-gelben Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP sogar 93 Prozent.

Spitzenwerte für Merkel, Steinmeier und Gabriel

Im direkten Imagevergleich zwischen Bundeskanzlerin und Vizekanzler liegt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in allen wesentlichen Werten vor Sigmar Gabriel (SPD). Einzig ein wenig mehr Charisma gestehen die Spitzenkräfte dem SPD-Vorsitzenden zu. Seine Partei immerhin wird in den deutschen Chefetagen als bestimmende Kraft wahrgenommen. Fast zwei Drittel sind der Ansicht, dass sich die SPD bisher in der großen Koalition besser durchsetzt.

Als "Superstars" des Regierungsbündnisses bezeichnete Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Ihre Werte seien praktisch nicht mehr steigerungsfähig - 92 Prozent attestierten Steinmeier und 84 Prozent Schäuble "gute Arbeit". Stark kritisiert werden Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD), deren Arbeit 62 beziehungsweise 72 Prozent der Befragten negativ bewerten. Dass die umstrittenen Themen der Arbeitsministerin, Rente mit 63 und Mindestlohn, bei Vertretern der Wirtschaft nicht auf Gegenliebe stoßen, verwundert nicht. Zwei Drittel der Top-Manager glauben beispielsweise, dass die Rente mit 63 zu einer ernsthaften Belastung für die deutsche Wirtschaft werden wird.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble
"Superstars"? Steinmeier und SchäubleBild: imago/Metodi Popow

Das Urteil über Ursula von der Leyen ist gespalten. Als Arbeitsministerin hatten von der Leyen 2010 noch drei Viertel für ihre Tätigkeit gelobt. Nach ihrem Ressortwechsel bewerten in der aktuellen Umfrage nur 44 Prozent die Arbeit von Deutschlands erster Verteidigungsministerin positiv. Dies liegt auch daran, dass nur 34 Prozent der Befragten sich für ein höheres militärisches Engagement Deutschlands in der Welt aussprechen. Die Verteidigungsministerin fordert seit Beginn ihrer Amtszeit im vergangenen Dezember ein größeres internationales Engagement Deutschlands - auch militärisch.

Ukraine, Russland und Sanktionen

Die Krise in der Ukraine hat für tiefe Verwerfungen zwischen dem Westen und Russland gesorgt. Innerhalb der EU wird über eine Ausweitung der Sanktionen gegen Russland diskutiert. Während sich die USA schon seit längerem von der EU drastischere Maßnahmen im Umgang mit dem Kreml wünschen,warnen Wirtschaftsverbände vor den unüberschaubaren Folgen schärferer Sanktionen.

Knapp über die Hälfte der deutschen Top-Manager hält die bisher verhängten Sanktionen gegen Russland für ausreichend - obwohl diese für 77 Prozent aller Befragten eher symbolischer Natur sind. Kein Kopfzerbrechen bereitet der Mehrheit der Spitzenkräfte die Energieversorgung wegen der Ukraine-Krise. Zwei Drittel glauben trotz allem, dass Russland bei der Energieversorgung Deutschlands ein verlässlicher Partner ist. Die Umfrage führte das Allensbacher Institut allerdings vor der Flugzeugkatastrophe in der Ostukraine durch.