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Deutschland will Vorsitz im UN-Menschenrechtsrat

Helle Jeppesen3. Februar 2014

Die Bundesrepublik will den Vorsitz im UN-Menschenrechtsrat übernehmen. Dort ist diplomatisches Geschick nötig, denn Menschenrechte haben nicht für alle Mitglieder des Gremiums einen hohen Stellenwert.

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Blick ins Plenum der Tagung des UN-Menschenrechtsrats am 29. Oktober 2013 (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Deutschland will 2015 den Präsidenten des UN-Menschenrechtsrates stellen. "Wir sind bereit, mehr Verantwortung zu übernehmen, um den Menschenrechtsrat noch effizienter zu gestalten und seinen Einfluss auszuweiten", sagt eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes auf Anfrage der Deutschen Welle.

Im UN-Menschenrechtsrat wird die Präsidentschaft nicht mit einer Wahl entschieden, sondern jedes Jahr im Wechsel von einer der fünf Ländergruppen vergeben. Zurzeit stellt die Afrika-Gruppe den Vorsitz und hat den Diplomaten Baudelaire Ndong Ella aus Gabun zum Präsidenten ernannt. Im kommenden Jahr ist dann wieder ein Land aus Westeuropa an der Reihe. Die Gruppe wird im Laufe des Jahres entscheiden, wer von den aktuellen Mitgliedern für den Vorsitz 2015 ernannt wird. Bisher hat sich nur Deutschland als Kandidat gemeldet.

Präsident ist vor allem Vermittler

Zu den Kernaufgaben der Präsidentschaft gehört es, Mehrheiten zu finden und Positionen zusammenzubringen. Oft wurde der UN-Menschenrechtsrat in Genf als zahnloser Tiger beschrieben, weil er im Gegensatz zum UN-Sicherheitsrat keine Sanktionen verhängen kann. Doch immerhin hat er die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Untersuchungen der Menschenrechtssituation anzuordnen - sofern sich dafür im Rat eine Mehrheit findet. Nicht alle der 47 Mitglieder, die von der UN-Vollversammlung gewählt werden, sind als Verfechter von Menschenrechten bekannt. Es sei so, als würde man den "Brandstifter zum Chef der Feuerwehr ernennen", sagte eine Sprecherin der UN-kritischen Organisation UN Watch zu den vergangenen Wahlen, wo China, Russland, Saudi-Arabien und Kuba für drei Jahre in den Rat gewählt wurden.

Tibetische Proteste gegen die Mitgliedschaft Chinas (Foto: Reuters)
Die Wahl Chinas in den UN-Menschenrechtsrat löste Proteste ausBild: Reuters

Wohlwollen für deutsche Präsidentschaft

In seiner Rede vor dem Rat im Februar 2013 brachte Bundespräsident Joachim Gauck die Aufgaben auf den Punkt: "Ihnen hat die Staatengemeinschaft die Sorge für das höchste und doch so verletzliche Gut der Menschheit anvertraut. Stellvertretend für sie dürfen und müssen Sie handeln, wenn Staaten ihrer menschenrechtlichen Verantwortung oder ihren Schutzpflichten nicht gerecht werden."

Bis heute hat Philippe Dam, Vertreter der internationalen Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, die Worte des deutschen Präsidenten nicht vergessen. "Das sind solche Prinzipien, die ich mir für eine zukünftige deutsche Präsidentschaft erhoffe", sagt er im Interview mit der Deutschen Welle. Zwar betont er, dass der Vorsitz keinen konkreten politischen Einfluss bringe. Doch mit dem Amt könne ein Land durchaus Akzente setzen: "Der Ratspräsident arbeitet mit allen Mitgliedern zusammen und beeinflusst somit auch das Klima, in dem die Verhandlungen stattfinden. Da spielen die Prinzipien des Ratspräsidenten natürlich auch eine Rolle", sagt Dam. Er begrüßt deshalb die Bereitschaft der Bundesrepublik, 2015 die Präsidentschaft zu übernehmen.

Philippe Dam, Vertreter von Human Rights Watch beim UN-Menschenrechtsrat in Genf (Foto: privat)
Human Rights Watch-Vertreter Philippe Dam begrüßt eine deutsche PräsidentschaftBild: privat

Soziale Rechte vorantreiben

Bereits in der Bewerbung um einen erneuten Sitz im Menschenrechtsrat von 2013 bis 2015 machte der damalige Außenminister Guido Westerwelle klar, dass nicht nur die politischen, sondern auch die sozialen Rechte zu den Schwerpunkten des deutschen Engagements zählen.

Ein Mädchen bei der Wasserpumpe im indischen Dorf Dunduwa (Foto: DW)
Das Menschenrecht auf Wasser - einer der Schwerpunkte des deutschen Engagements im RatBild: DW

Traditionell gehören die sozialen Rechte wie das Menschenrecht auf Wasser, Nahrung und Bildung zu den Schwerpunkten der südlichen Länder im Rat, während viele westliche Länder jahrzehntelang eher die politischen Rechte als Schwerpunkt sahen. Doch mittlerweile kommen sich die Interessen von Nord und Süd näher.

"Es gibt eine Reihe von Initiativen, die Deutschland dort vorangetrieben hat. Dazu gehört eine Initiative zur Resolution zum Recht auf Wasser und Sanitätsversorgung, zum Thema Menschenhandel und zum Thema angemessenes Wohnen", betont Wolfgang Heinz vom Deutschen Institut für Menschenrechte. Überhaupt sei Deutschland gut gerüstet für den Präsidentschaftsposten, nicht zuletzt, weil die Bundesrepublik auch in der Vergangenheit oft eine Vermittlerrolle im Menschenrechtsrat übernommen habe: "Was Themen betrifft, was Länder betrifft, da ist Deutschland in der Regel offen, konstruktiv und sucht auch, was ein dritter wichtiger Punkt ist, das Gespräch mit anderen Regionalgruppen."

Resolution gegen NSA und Internetspionage

Ein aktuelles Anliegen im Menschenrechtsrat hat die Bundesrepublik bereits auf den Weg gebracht. Gemeinsam mit Brasilien reichte Deutschland im Dezember 2013 vor der UN-Vollversammlung eine Resolution gegen Internetspionage ein. Hintergrund waren die Enthüllungen über die elektronische Ausspähung des US-Geheimdienstes NSA und anderer Nachrichtendienste, die seit Jahren Daten von Millionen von Internet- und Handynutzern auswerten. Die Resolution, in der "tiefe Sorge" über die weltweite Überwachung digitaler Kommunikation geäußert wird, wurde von der UN-Vollversammlung angenommen. Zurzeit arbeitet das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte an einem Bericht über digitale Spionage und Abhörfunktionen. Der Bericht soll im Laufe des Jahres auch dem UN-Menschenrechtsrat vorgelegt werden.

"Yes we scan" steht auf einem Plakat bei einer Protestkundgebung in Berlin, wo Demonstranten am Checkpoint Charlie gegen die Überwachung durch US-Geheimdienste protestierten (Foto: picture-alliance/dpa)
Auch der UN-Menschenrechtsrat wird sich mit der NSA-Abhöraffäre beschäftigenBild: picture-alliance/dpa

Die Bundesrepublik hatte zuletzt ein stärkeres internationales Engagement unter anderem bei Militärmissionen angekündigt. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hatte das damit begründet, dass Deutschland das größte, bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land in Europa sei. "Wenn ein solches Land sich heraushält, dann werden Konflikte nicht gelöst, weil es keine belastbaren Vorschläge gibt." Eine Präsidentschaft im UN-Menschenrechtsrat passt da gut ins neue außenpolitische Konzept.