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Fremde Freunde

Jeanette Seiffert8. Juli 2014

In Berlin schlägt die Empörung über die BND-Affäre hohe Wellen, und die Amerikaner wundern sich. Viele plädieren jetzt dafür, dem "Großen Bruder" gegenüber eigenständiger aufzutreten - nicht nur auf Geheimdienstebene.

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Angela Merkel und Barack Obama beim G7-Gipfel in Brüssel (Foto: EPA/OLIVIER HOSLET)
Bild: picture-alliance/dpa

US-Geheimdienstmitarbeiter aus Deutschland ausweisen? Die Gegenspionage auf den Partner USA ausweiten? Das Freihandelsabkommen zwischen USA und EU blockieren? Oder doch besser ein Spitzentreffen zwischen Angela Merkel und Barack Obama, um erst einmal in Ruhe über alles zu reden? In der deutschen Politik ist die Diskussion über Konsequenzen aus der Affäre um einen möglichen US-Spitzel beim BND in vollem Gange. Auf höchster Regierungsebene verfolgt man vorerst zumindest offiziell die Linie: erst aufklären, dann handeln.

Doch der Druck auf die Bundesregierung wächst, mehr als nur deutliche Worte folgen zu lassen. Diese müsse "ein entschiedeneres Auftreten gegenüber der US-Regierung an den Tag legen", sagte die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der "Passauer Neuen Presse".

Hans-Jürgen Puhle, Politikwissenschaftler an der Universität Frankfurt, sieht das ähnlich: "Mich stört schon seit Längerem, dass da nur so 'for show' in der Öffentlichkeit herumgeboxt wird, statt dass die Verantwortlichen auf beiden Seiten einfach mal Tacheles reden." Auch er fordert die Bundesregierung auf, den USA gegenüber klare Grenzen zu setzen: "Man hätte schon viel früher sagen können: Wenn wir amerikanische Diplomanten dabei erwischen, dass sie sowas unterstützen, dann haben die gefälligst das Land zu verlassen - das machen die Amerikaner doch genauso!"

Fußballfans vor dem WM-Spiel USA-Deutschland (Foto: Robert Cianflone/Getty Images)
Fußballfans beim WM-Spiel USA-Deutschland: Besondere Beziehungen adé?Bild: Getty Images

Druckmittel Freihandelsabkommen

Eine Gelegenheit zu einem selbstbewussteren Auftreten könnte sich bei den derzeit auf EU-Ebene laufenden Verhandlungen über das transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) ergeben: Dieses sei ohnehin auch aus ganz anderen Gründen fragwürdig, so Puhle, und stehe deshalb zu Recht in der Kritik. Ähnlich äußert sich auch Wolfgang Bosbach (CDU), Vorsitzender des Bundestags-Innenausschusses: "Ich bin nicht dafür, dass wir die Verhandlungen aussetzen", sagte er im Westdeutschen Rundfunk. "Aber wir brauchen ein dickes Kapitel Datenschutz und Datensicherheit." Ein Hebel könnte etwa die Drohung sein, das umstrittene "Safe Harbour"-Abkommen zwischen EU-Kommission und US-Regierung zu kippen, das es ermöglicht, personenbezogene Daten aus Europa legal in die USA zu übermitteln.

"Wie eine betrogene Ehefrau"

Der Verleger und Publizist Jakob Augstein dagegen glaubt nicht, dass die aktuellen diplomatischen Verstimmungen dazu führen werden, dass die Deutschen ihre Beziehungen zu den USA grundlegend überdenken. Und er hält es auch gar nicht für wünschenswert, über das Freihandelsabkommen Druck auszuüben: "Wenn die Mücke den Elefanten drückt, dann tut das der Mücke mehr weh als dem Elefanten", so sein Argument. Viel wichtiger als übereilte Empörungsreaktionen sei es, dass Deutschland sich endlich von ein paar Lebenslügen aus der Nachkriegszeit verabschiedet: "Wir haben ein ziemlich romantisches Verhältnis zu den USA", so Augstein im DW-Interview. "Da fällt dann immer der Begriff 'Freundschaft'. Das sind aber nicht unsere Freunde, sondern unsere Verbündeten. Und das bleiben sie auch, einfach weil das in unserem Interesse liegt." Sein Plädoyer: "Wir sollten einfach ein bisschen das Gefühl rausnehmen." In diesem Zusammenhang könne man viel von den Amerikanern lernen: "Die sehen das viel sachlicher. Und dort versteht auch keiner, warum wir uns so aufregen. Die Deutschen sind so persönlich verletzt, ein bisschen wie eine betrogene Ehefrau - das ist eine ganz unpassende Reaktion."

Jakob Augstein, Journalist und Verleger (Foto: Karlheinz Schindler)
Publizist Augstein von "Der Freitag": Die Emotionen rausnehmenBild: picture-alliance/dpa

USA ein Spionageziel wie China oder Russland?

Das deutsch-amerikanische Verhältnis, ein reines Zweckbündnis? Für die "Transatlantiker" unter den deutschen Außenpolitikern dürfte das ein ziemlich befremdlicher Gedanke sein. "Ganze Generationen haben das seit Adenauers Zeiten quasi mit der Muttermilch aufgesogen: Die Amerikaner sind unsere Freunde, und mit denen müssen wir zusammen stehen, die helfen uns gegen die bösen Kommunisten", so Politikwissenschaftler Hans-Jürgen Puhle im DW-Interview.

Aus US-Sicht sei das aber nie so gesehen worden: "Die Amerikaner hatten immer ihre eigenen Interessen." Immerhin habe Gerhard Schröder 2006 habe mit seinem Klaren "Nein" zur Beteiligung am Irakkrieg eine klare Grenze markiert. Das sei im Vergleich zur Situation heute aber eine einfachere Situation gewesen: "Damals ging es darum, dass die USA etwas von uns wollten. Jetzt müssen wir die Amerikaner dazu bringen, dass sie aktiv etwas unterlassen. Und da können wir leider nicht so viel unternehmen, weil unsere Dienste offenbar noch nicht mal im Stande sind, zu dokumentieren, was die US-Geheimdienste so alles bei uns treiben."

John F. Kennedy auf Berlin-Besuch mit Konrad Adenauer und Willy Brandt (Foto: pixel)
Freundschaft aus Staatsraison? John F. Kennedy auf Berlin-Besuch mit Konrad Adenauer und Willy BrandtBild: picture-alliance/dpa

Gerade auf Geheimdienstebene sei die fehlende Eigenständigkeit des BND ein Fehler, meint auch Jakob Augstein. Zwar gebe es auf deutsche Seite durchaus ein Interesse daran, dass die Dienste zusammen arbeiten - "aber natürlich müssen sich die Deutschen auch gegen Spionage von amerikanischer Seite schützen, genauso wie gegen chinesische oder russische." Diese Sichtweise scheint sich zunehmende auch in der deutschen Politik durchzusetzen. Der CDU-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Roderich Kiesewetter, forderte mehr Geld für die deutsche Spionageabwehr: "Unser Dienst verfügt über ein 120stel der Mittel der NSA", sagte er zu Zeit Online. Deutschland habe "an der falschen Stelle gespart."