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Visa-Politik

16. November 2010

Ziel der russischen Politik ist seit langem die Abschaffung der Visumpflicht für seine Bürger im EU-Schengen-Raum. Nun hat aber Russland plötzlich seine Einreisebestimmungen für Deutsche verschärft. Ein Kommentar.

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Bild: DW

Es ist ein leidiges Thema: die Visumpflicht zwischen Russland und der EU, zwischen Russland und Deutschland. Seit Jahren bemüht sich die russische Politik für seine Bürger um einen visumfreien Reiseverkehr. Wer weiß, wie aufwändig und manchmal auch demütigend es ist, als russischer Staatsbürger ein Visum für Deutschland zu erhalten, kann verstehen, warum sich die russische Staatsführung diese populäre Forderung zu Eigen macht.

Unverständliche Politik

Portrait von Ingo Mannteufel (Foto: DW)
Ingo Mannteufel, Leiter der Russischen RedaktionBild: DW

Die strengen Vorschriften treffen in erster Linie ohnehin nur die Falschen, nämlich vor allem Durchschnittsrussen, die als Privatpersonen Freunde und Verwandte besuchen oder kleinere Unternehmer, die ohne mächtige staatliche Deckung mit Geschäftspartnern handeln wollen.

Die deutsche Position wird erst recht nicht mehr nachvollziehbar, wenn einerseits in schöner Regelmäßigkeit Russland zu einem "Strategischen Partner" erklärt wird, aber dann andererseits diese rigide Visumpolitik herrscht. Völlig unverständlich wird dieses Verhalten, wenn Deutschland zusammen mit den anderen EU-Schengen-Staaten die Visumpflicht für Bosnien und Albanien aufhebt, aber eben für Russen keine Bewegung zeigt.

Auge um Auge, Zahn um Zahn

Es überrascht daher nicht, dass vor lauter Enttäuschung die russische Seite die Visa-Vorschriften für Deutsche nun seit Anfang November verschärft hat. Nun werden von Deutschen ebenfalls Kontoauszüge, Gehaltsnachweise oder Belege über Wohneigentum verlangt. Damit wolle man – ähnlich wie von deutscher Seite bei der Gewährung eines Visums für Russen – die "Rückkehrwilligkeit" prüfen. Als Grund für die Änderung nennt die russische Botschaft das "Prinzip der Gegenseitigkeit".

Die Frustration der russischen Politik ist absolut verständlich, doch verschärft sie mit ihrer Sandkastenlogik nur die Problemlage. Denn nach demselben Prinzip der Gegenseitigkeit könnte nun die deutsche Seite ein ebenso umständliches Registrierungsverfahren für russische Staatsbürger in Deutschland einrichten, wie es das in Russland für deutsche Staatsbürger gibt. Denn auch darüber sind viele Geschichten zu erzählen, zumal sich viele Russen gar nicht vorstellen können, was es heißt, in Russland als Deutscher Freunde und Verwandte zu besuchen oder als Einzelperson die russische Provinz zu bereisen. Bislang galt das Prinzip: Russen hatten vor der Einreise das Problem mit dem Visum, Deutsche hatten dagegen nach der Einreise das Problem mit der Registrierung vor Ort.

Deutsche und Russen können besser

Die Verschärfung der Einreisebestimmungen ist bis zu einem bestimmten Grad emotional nachvollziehbar, politisch führt sie jedoch in die Sackgasse. Wenn es die deutsche und europäische Politik mit einer "Strategischen Partnerschaft mit Russland" ernst meint, muss sie deutlicher machen, was die genauen Bedenken gegen eine Abschaffung der Visumpflicht für Russen sind. Dann müssen Europäer, Deutsche und Russen in einem transparenten und absehbaren Zeitplan die Hindernisse aus dem Weg schaffen. Es sollte zumindest praktikable Zwischenlösungen geben, wie die Vergabe von zehnjährigen Mehrfach-Visa für Personen, die schon ohne Regelverstöße einige Kurzvisa hatten. Denn 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs sollte auch die bürokratische Mauer bald Geschichte sein – basierend auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit.

Autor: Ingo Mannteufel
Redaktion: Markian Ostaptschuk