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Deutschland und Frankreich in Feierlaune

Friederike Wintgens22. Januar 2013

Zum ersten Mal tagten der Deutsche Bundestag und die französische Nationalversammlung gemeinsam in Berlin - das war der Höhepunkt der Feierlichkeiten zum 50. Jubiläum des Élysée-Vertrags.

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Angela Merkel und François Hollande in Berlin (Foto: dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Wer sitzt wo? Diese Frage schien kurz vor Beginn der gemeinsamen Feierstunde nicht wenige Abgeordnete des Bundestags und der französischen Nationalversammlung zu beschäftigen. Denn am Dienstag (22.01.2013) galt im Plenarsaal des Reichstags in Berlin ausnahmsweise die Devise der freien Platzwahl.

Genau vor 50 Jahren, am 22. Januar 1963, hatten der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer und der französische Staatspräsident Charles de Gaulle den Élysée-Vertrag unterzeichnet und damit die Grundlage für die Freundschaft beider Länder gelegt. Zum Zeichen der gegenseitigen Verbundenheit sollten die Abgeordneten nun 50 Jahre später bei der ersten gemeinsamen Sitzung der beiden Parlamente in Berlin möglichst binational gemischt sitzen. Und so dauerte es ein wenig, bis alle Volksvertreter Platz genommen hatten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ließ ihrem französischen Amtskollegen François Hollande den Vortritt, dann setzten sie sich in die erste Reihe. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) eröffnete die Sitzung und sorgte gleich zu Beginn für Heiterkeit bei seinen Kollegen. Zwar befänden sich beide Länder derzeit eher in einer "Phase der leidenschaftlichen Vernunft" als in einer "Phase der romantischen Verliebtheit". Dies müsse aber kein Nachteil sein. Eine Anspielung an das wohl nicht gerade als herzlich zu bezeichnende Verhältnis zwischen Angela Merkel und François Hollande in den vergangenen Monaten.

Mitglieder des Bundestags und der französischen Nationalversammlung stehen am Dienstag (22.01.13) im Bundestag in Berlin waehrend einer gemeinsamen Sondersitzung anlaesslich des 50. Jahrestags des Elysee-Vertrages (Foto: dapd)
Historisches Ereignis: Deutsch-französische Feierstunde im BundestagBild: dapd

Motor der Europäischen Einigung

Dennoch: Alle Redner betonten die historische Bedeutung der deutsch-französischen Freundschaft. "Wer ein Gespür für die Bedeutung von 50 Jahren in der europäischen Geschichte hat, kann das nicht nur für eine runde Zahl oder ein beliebiges Ereignis halten." Lammert erinnerte zunächst an die Zusammenkunft beider Parlamente vor zehn Jahren in Versailles auf Einladung der französischen Nationalversammlung. "Eine große Geste der Überwindung der wechselseitigen Kränkungen." Heute wisse man, welche Bedeutung die deutsch-französische Aussöhnung und Freundschaft für ganz Europa habe.

Gruppenbild der deutschen und der französischen Regierung in Berlin (Foto: Reuters)
"Familienfoto" - nach dem Treffen der beiden RegierungenBild: Reuters

François Hollande verwies in seiner Rede auf die Begegnung zwischen dem damaligen französischen Staatspräsidenten François Mitterrand und Bundeskanzler Helmut Kohl auf den Schlachtfeldern von Verdun 1984. "Diese Freundschaft ist es auch, die der Grund ist für Frankreichs vorbehaltlose Unterstützung der deutschen Wiedervereinigung." Hollande würdigte die weitreichende Zusammenarbeit beider Länder im wirtschaftlichen Bereich. Die enge Beziehung beider Länder sei es auch, die in den vergangenen Monaten dafür gesorgt habe, dass die Währungsunion der Finanzkrise standgehalten habe. Claude Bartolone, der Präsident der Nationalversammlung, drückte sich weniger pathetisch aus. Angesichts der Schuldenkrise in Europa sei es nun Deutschlands und Frankreichs Aufgabe, "den Karren aus dem Dreck zu ziehen".

Gemeinsame Erklärung der Parlamente

Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, die Schuldenkrise stelle die Europäische Union vor die größte Bewährungsprobe seit ihrem Bestehen. Aus den 50 Jahren deutsch-französischer Freundschaft könne gelernt werden, dass auch die größten Probleme überwunden werden könnten, "wenn wir den Mut zu Veränderungen haben". Dabei komme vor allem den heutigen Jugendlichen eine besondere Verantwortung zu. Merkel verwies auf ein gemeinsames Treffen mit Hollande und rund 200 Jugendlichen im Bundeskanzleramt am Vorabend. "Mich hat beeindruckt, wie selbstverständlich für die jungen Leute der Austausch zwischen beiden Ländern geworden ist."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht am 22.01.2013 bei einer gemeinsamen Sitzung des Bundestages und der französischen Nationalversammlung. (Foto: dpa)
Bundeskanzlerin Merkel rief zu Reformbereitschaft aufBild: picture alliance / dpa

Im Anschluss an die Debatte verabschiedeten die beiden Parlamente eine gemeinsame Erklärung, in der sie die Bedeutung der deutsch-französischen Zusammenarbeit hervorhoben. Darin rufen sie dazu auf, "die deutsch-französische Zusammenarbeit auch und gerade in Zeiten politischer und ökonomischer Krisen für ein weiteres und tieferes Zusammenwachsen der Europäischen Union zu nutzen." Vereinbart wurden zudem eine engere Kooperation beider Parlamente mit regelmäßigen Treffen der Ausschüsse und der Bildung von Arbeitsgruppen auf dem Gebiet der Energiepolitik.

Am Vormittag hatten bereits der Bundesrat, die deutsche Länderkammer, und der französische Senat gemeinsam getagt. Auch die beiden Kabinette trafen sich zu einer gemeinsamen Sitzung. Für den Abend hat Bundespräsident Joachim Gauck (CDU) zu einem Konzert in die Berliner Philharmonie geladen. Und beim abschließenden Abendessen wird "Angela" sicher wieder neben "François" sitzen - die beiden Politiker haben vereinbart, sich ab sofort zu duzen.