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Deutsche Wirtschaft fürchtet Tsipras nicht

Zhang Danhong29. Januar 2015

Alexis Tsipras, der neue starke Mann in Athen, hat es eilig mit dem Regieren. Und er macht Drohungen wahr, Reformen zurückzudrehen. Die deutsche Wirtschaft lässt das kalt.

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Griechenland erste Sitzung des neuen Kabinetts (Foto: rtr)
Bild: Reuters/M. Djurica

Wer erwartet hatte, dass Alexis Tsipras als gewählter Ministerpräsident seine scharfe Wahlkampfrhetorik ablegen und zahmer auftreten würde, wurde eines Besseren belehrt. Bereits in der ersten Kabinettssitzung am Mittwoch kündigte er an, Privatisierungsprojekte zu stoppen, die als Teil der Reformauflagen mit den internationalen Geldgebern vereinbart worden waren. Ein klarer Vertragsbruch.

Vor dem Polterer Tsipras habe die deutsche Wirtschaft keine Angst, sagt Alexander Schumann, Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK): "Das Gewicht von Griechenland als Investitions- und Produktionsstandort, als Zielort für Exporte aus Deutschland oder auch als Ursprung von Importen nach Deutschland, ist nicht so bedeutend."

Für die deutsche Wirtschaft unwichtig

Auch Nicolaus Heinen, Europa-Experte bei der Deutschen Bank, schätzt die unmittelbaren Auswirkungen des griechischen Politikwechsels auf die deutsche Wirtschaft als gering ein: "Zwar dürften sich die Wachstumsperspektiven für die griechische Wirtschaft eintrüben, wenn die Regierung Tsipras weiterhin auf Kollisionskurs zu ihren Europartnern bleibt. Deutschland dürfte von Konsequenzen jedoch verschont bleiben, da nur rund 0,5 Prozent aller deutschen Exporte nach Griechenland gehen."

Weniger als 0,3 Prozent der deutschen Direktinvestitionen im Ausland entfielen 2012 auf Griechenland, berichtet die Bundesbank. Zwar sind deutsche Konzerne wie Siemens oder Allianz noch in dem südeuropäischen Land engagiert, doch ihre griechischen Töchter tragen wenig zum Gesamtumsatz bei. Die größte Einzelinvestition aus Deutschland wurde von der Deutschen Telekom getätigt – 2008 kaufte der Bonner Konzern für 4,2 Milliarden Euro 40 Prozent von OTE, der größten Telefongesellschaft des Landes. Ein schlechter Zeitpunkt, wie es sich herausstellte. 2,6 Milliarden Euro hat die Telekom bislang abschreiben müssen.

Bangen muss einzig Fraport

Zittern muss derzeit nur Fraport wegen der politischen Kehrwende in Athen. Erst vor zwei Monaten gab der Frankfurter Flughafenbetreiber bekannt, für 1,2 Milliarden Euro den Betrieb für 14 griechische Flughäfen 40 Jahre lang zu übernehmen. Bis Herbst sollte der Deal abgewickelt sein. Fraport muss abwarten und gibt sich optimistisch: "Wir sind davon überzeugt, dass auch die neue griechische Regierung diese für das Land so wichtige Tourismus-Infrastruktur ausbauen will", sagte ein Unternehmenssprecher.

Abwarten will auch erst mal DIHK-Chefvolkswirt Schumann: " Wenn Herr Tsipras jetzt meint, dass man über den Weg der Privatisierung nicht wettbewerbsfähiger werden kann, dann kann er ja als der gewählte oberste Manager seines Landes nach anderen Wegen suchen." Es führe aber kein Weg daran vorbei, dass Griechenland an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen müsse, um in der Eurozone auch bleiben zu können.

Tsipras hofft auf Verbündete

In der Eurozone bleiben will der neue griechische Ministerpräsident unbedingt, aber an das sogenannte Spardiktat fühlt er sich nicht mehr gebunden. Tausende entlassener Staatsbediensteter werde er wieder einstellen, lautet eine weitere Ankündigung. "Tsipras spekuliert offenbar darauf, dass er Verständnis auch in anderen Ländern der Eurozone und der EU findet", sagt Ahmet Cetinkaya von Germany Trade & Invest (GTAI), der staatlichen Gesellschaft für Außenwirtschaft. Vor allem die Südländer wie Italien, Spanien und Frankreich hätten auch unter der Sparpolitik geächzt und würden gerne eine Lockerung durchsetzen, sagt Cetinkaya. Noch nie wurde die Bundesregierung für ihre Rettungspolitik in der Eurozone so heftig kritisiert wie in den letzten Tagen.

"Profiteur der Lage in Griechenland ist die (euroskeptische deutsche Partei, Red.) AfD, die die Angriffe der griechischen Regierung leicht in politisches Kapital ummünzen kann", so die Einschätzung von Nicolaus Heinen. Insofern hat die Bundesregierung kein Interesse daran, dass sich die Debatte weiter aufheizt. GTAI-Experte Cetinkaya geht davon aus, dass "die EU Griechenland auf die eine oder andere Weise entgegenkommen wird und dass man versucht, Griechenland eine Atempause zu verschaffen."

Es wird ein Balanceakt für die EU werden, einerseits Tsipras einige Erfolge gegenüber dem eigenen Volk verbuchen zu lassen und andererseits ihn nicht so erstrahlen zu lassen, dass er in anderen Ländern Nachahmer findet.