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Deutsche Paradebranche hadert mit der Politik

Sabine Kinkartz23. Oktober 2012

Wenn es so etwas wie einen Motor für die deutsche Wirtschaft gibt, dann ist es der Maschinen- und Anlagenbau. Selbst in Krisenzeiten sind dessen Produkte weltweit gefragt. Probleme bereitet eher die Politik.

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ARCHIV - Monteur Günther Wiko zieht die Muttern am Drehgestell eines Eisenbahndrehkrans «Multi Tasker 1600» der Kirow Ardelt AG an, aufgenommen am 12.07.2010 in Leipzig. Der 190 Tonnen-Koloss kann 160 Tonnen heben und ist für den Export nach China bestimmt. Die deutschen Maschinenbauer sammeln mit rasantem Tempo neue Aufträge ein. Im Juli lag das Auftragsplus real 48 Prozent über dem Vorjahresmonat, wie der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) am Mittwoch (01.09.2010)in Frankfurt mitteilte. Foto: Jan Woitas dpa/lsn (zu dpa: «Maschinenbau auf rasantem Wachstumskurs») +++(c) dpa - Bildfunk+++
Maschinenbauunternehmen Kirow Ardelt AGBild: picture-alliance/dpa

Die gute Nachricht zuerst: Die Geschäfte der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer laufen bestens. Während die Elektro-, die Chemie- und die Stahlindustrie ihre Produktionsprognosen für das laufende Jahr gesenkt haben, gehen die Maschinenbauer für 2012 und auch für 2013 von einem Plus in Höhe von zwei Prozentpunkten aus.

Für 2012 rechnet die Branche mit einem absoluten Rekordumsatz von 209 Milliarden Euro. Das sei der höchste Umsatz, den die Maschinenbauindustrie je erreicht habe, sagt Thomas Lindner, der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). "Wir bewegen uns auf einem hohen Niveau immer noch leicht aufwärts." Eine Rezession sei im Maschinenbau aber auch in der Gesamtwirtschaft nicht in Sicht.

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Grenzen der Belastbarkeit

Allerdings, so betont Lindner, sei dies "kein Naturgesetz". Der Maschinenbau, der mit aktuell 974.000 festangestellten Mitarbeitern der größte industrielle Arbeitgeber in Deutschland ist, könne nur weiter erfolgreich sein, wenn die Politik verlässliche Rahmenbedingungen schaffe. Dass das in den Augen der Maschinenbauer derzeit nicht der Fall ist, verrät schon der Titel des diesjährigen Branchentreffens, das noch bis Mittwoch (24.10.2012) in Berlin stattfindet und mit "Grenzen unserer Belastbarkeit" überschrieben ist.

"Politik neigt leider dazu, in Vierjahreszeiträumen oder in Wahlperioden zu denken und zu handeln", kritisiert Lindner. Unternehmer und insbesondere Familienunternehmer seien es gewöhnt, in Generationen zu denken und würden auch die Strategien auf Generationen anlegen. "Dann fällt es natürlich ein wenig schwer, wenn man sich dann im Takt von sechs Monaten auf neue politische Vorgaben einstellen muss."

Eurokrise, Haushaltskonsolidierung, Energiewende, Bürokratielasten, Unternehmenssteuern, demografische Entwicklung – wenn Lindner die seiner Meinung nach ungelösten Aufgaben in der Politik aufzählt, dann will diese Liste kein Ende nehmen. Eine gewollte Provokation, stehen auf dem Maschinenbaugipfel doch eine Reihe von Spitzenpolitikern auf der Rednerliste. Den Anfang macht Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler.

Wirtschaftsminister Rösler und VDMA-Chef Lindner auf dem Maschinenbaugipfel in Berlin (Foto:dapd)
Einer Meinung? Wirtschaftsminister Rösler und VDMA-Chef Lindner auf dem Maschinenbaugipfel in BerlinBild: dapd

Nicht so irre einfach 

Der FDP-Chef gilt als unternehmerfreundlich, muss sich von den Maschinenbauern allerdings fragen lassen, warum sich die Liberalen in der Regierungskoalition so schwer durchsetzen könnten. Das gelte selbst in der, wie VDMA-Präsident Lindner formuliert, "quer über alle Parteien aufkommende Umverteilungsdiskussion in Deutschland".

Rösler antwortet entwaffnend offen. Es gebe tatsächlich eine gewisse "Sozialdemokratisierung" der Politik. "Egal was in der Tagespolitik im Moment diskutiert wird, ob Betreuungsgeld oder Vermögensabgabe, da geht es immer ums Umverteilen." Die Frage, was zu tun sei, damit das auch jemand erwirtschaften kann, die stelle sich immer seltener, so Rösler. "Aber wenn sie jetzt meine Partei ansprechen, angenommen wir hätten zehn Prozent der Stimmen – davon träumen wir – selbst dann hätten wir von zehn Leuten nur einen auf unserer Seite und neun gegen uns. Und das macht es nicht so irre einfach."

Energiewende in Gefahr

Topthema sind auf dem Maschinenbaugipfel neben der Eurokrise auch die immer weiter steigenden Energiekosten. Für die Maschinenbauer ist die Energiewende hin zu mehr erneuerbaren Energien ein willkommenes Investitionsprogramm, schließlich ist die Branche als Technologielieferant Teil des Programms.

Daher macht es VDMA-Präsident Lindner Sorgen, dass die Umlage für die erneuerbaren Energien von 3,6 auf 5,3 Cent pro Kilowattstunde gestiegen ist. Das gefährde die Energiewende, so Lindner. Der grüne Bundestagsfraktionsvorsitzende Jürgen Trittin gibt zu bedenken, dass die Erzeugerpreise für Strom in den letzten drei Jahren deutlich gesunken seien. Davon profitiere aber niemand, weil inzwischen so viele angeblich energieintensive Betriebe von der Zahlung der EEG-Umlage ausgenommen seien.

Energieintensiver Golfplatz?

"Als wir die Verantwortung trugen, gab es Ausnahmetatbestände für 600 Aluminiumhütten und Stahlschmelzen", erinnert Trittin an die Zeit der rot-grünen Bundesregierung. 2013, unter schwarz-gelb, seien plötzlich ein Schlachthof, ein Futtermittelbetrieb und bei den Netzentgelten sogar ein Bankrechenzentrum oder ein Golfplatz zum energieintensiven Betrieb geworden. "Das allein kostet vier Milliarden Euro, und das zahlen nicht nur die Verbraucher, sondern insbesondere die kleinen und mittleren Betriebe zahlen für die Stromgroßverbraucher und Verschwender."

Wirtschaftsminister Rösler verspricht auf dem Maschinenbaugipfel, man werde sich die Ausnahmen für die Industrie bei der Umlage für erneuerbare Energien genauer anschauen. Er sei dafür, "ein paar Ausnahmen infrage zu stellen", so Rösler. Allerdings kämen dafür nur Unternehmen infrage, die nicht im internationalen Wettbewerb stünden.