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Deutsche Entwicklungshilfe für Ägypten

Mirjam Gehrke5. Juli 2013

Entwicklungsminister Niebel kritisiert den Putsch in Ägypten und fordert Neuwahlen. Parlamentarier pochen auf ein "regierungsfernes" Engagement. Welche Interessen hat Deutschland am Nil?

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Blick auf Sphinx und Pyramide in Ägypten (Foto:Getty Images)
Bild: Sean Gallup/Getty Images

Demokratieförderung, Stärkung der Menschenrechte und Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit - in diesen drei Bereichen hat sich die deutsche Entwicklungspolitik nach dem Sturz von Hosni Mubarak besonders engagiert. Ägypten sollte "auf dem Weg zu einer demokratisch verfassten und sozialen Marktwirtschaft" begleitet werden, so das Bundesentwicklungsministerium. Der Weg erwies sich nach der Wahl von Mohammed Mursi zum Präsidenten jedoch zunehmend als Schlaglochpiste. Jetzt sieht es gar so aus, als wäre das Land in einer Sackgasse gelandet. Es sei aber noch zu früh, das abschließend zu beurteilen, so Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel gegenüber der DW: "Besonders wichtig wird sein, dass die Übergangsregierung rasch auf den Weg zur Demokratie zurückkehrt."

Auch die entwicklungspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Sibylle Pfeiffer, erhofft sich von dem undemokratischen Putsch neue Impulse für die Demokratie in Ägypten. Sie spricht sich klar für eine Fortsetzung des deutschen Engagements am Nil aus: "Wir haben nur dann eine Chance, wenn wir relativ regierungsfern versuchen, die Gesellschaft zu stabilisieren. Projekte wie Jugendförderung und wirtschaftliche Entwicklung, um Arbeitsplätze zu schaffen, müssen unbedingt fortgesetzt werden." Demokratie beginne "von unten".

Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (FDP) (Foto: Karlheinz Schindler)
Dirk Niebel hofft auf eine demokratische Entwicklung in ÄgyptenBild: picture-alliance/dpa

Die Grenzen der Entwicklungspolitik

Seit dem Sturz Mubaraks profitiert Ägypten von drei Sonderfonds, die die Bundesregierung 2011 zur Unterstützung der Transformationsprozesse in der arabischen Welt aufgelegt hatte. Daraus wird unter anderem die Arbeit politischer Stiftungen und kirchlicher Hilfswerke finanziell unterstützt. Sechs Millionen Euro stehen für die Beratung von politischen Parteien, Gewerkschaften sowie staatlichen Institutionen bereit. Weitere acht Millionen sollen bis Ende nächsten Jahres in Qualifizierungsangebote und Existenzgründungsprogramme für Jugendliche fließen, um ihnen eine wirtschaftliche und soziale Perspektive im eigenen Land zu eröffnen. Und schließlich stellt die KfW Entwicklungsbank 52 Millionen Euro für Kredite für kleine und mittlere Unternehmen zur Verfügung.

Slum in der äyptischen Hauptstadt Kairo (Foto: dpa/Picture Alliance)
Ägypten ist auf Entwicklungshilfe angewiesen, um die Armut zu bekämpfenBild: picture-alliance/dpa

Ute Koczy, Entwicklungsexpertin der Grünen im Bundestag, hält diese Ansätze grundsätzlich für richtig, warnt aber vor einer Überbewertung der Entwicklungszusammenarbeit: "Man darf wirklich nicht erwarten, dass die Unterstützung in diesen Feldern zu einer Verbesserung der Situation im gesamten Land führt." Die Entwicklungszusammenarbeit könne in kleinen Bereichen wirken, "aber das heißt nicht, dass über die Entwicklungspolitik die gesamte politische Lage anders wird", gibt Koczy gegenüber der DW zu bedenken.

Darüber hinaus sieht die Grünen-Politikerin noch viele unbeantwortete Fragen in der deutschen Ägypten-Politik: "Wollen wir eine demokratisch regierte Gesellschaft unterstützen? Hat das Vorrang vor unseren eigenen Interessen, wie zum Beispiel die Absicherung von Erdölimporten oder Rüstungsexporten?" Das Bundeswirtschaftsministerium hatte im April auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hin erklärt, von 2004 bis 2012 seien Genehmigungen für Bauteile eines Radpanzers ägyptischer Produktion in Höhe von insgesamt rund 134 Millionen Euro erteilt worden. Auch im Jahr 2012, also nach den Demonstrationen des arabischen Frühlings in Ägypten, ist demnach noch die Ausfuhr von Bauteilen genehmigt worden.

Wichtiger, aber schwieriger Partner

Ägypten ist aufgrund seiner strategischen Lage am Suezkanal und seiner Vermittlerrolle im krisengeschüttelten Nahen Osten ein Schwerpunktland deutscher Entwicklungshilfe - aber auch ein schwieriger Partner. Die Bundesregierung hatte noch 2011 in Aussicht gestellt, Schulden in Höhe von 240 Millionen Euro umzuwandeln, so dass Ägypten die Schulden nicht zurückzahlen, sondern das Geld direkt in Projekte investieren sollte. Diese Schuldenumwandlung wurde allerdings unterbrochen, nachdem Präsident Mursi sich durch ein umstrittenes Sonderdekret weitreichende Vollmachten gegeben hatte. Die Regierungsverhandlungen zwischen Berlin und Kairo über die Entwicklungskooperation wurden abgesagt. Insgesamt 350 Millionen Euro für Entwicklungszusammenarbeit, die Deutschland bis Ende 2014 bereitstellen wollte, wurden nur schriftlich zugesagt, anstatt darüber zu verhandeln - auch dies ein deutliches diplomatisches Signal.

Schiffsverkehr auf dem Suezkanal (Foto:Getty Images)
Der Suezkanal ist von strategischer Bedeutung für EuropaBild: AFP/Getty Images

Der Wirtschaftswissenschaftler Markus Loewe vom Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE) erwartet von diesen Maßnahmen jedoch kaum, dass sie die ägyptische Führung beeindrucken: "Man muss sich verabschieden von dem Gedanken, dass wir von außen etwas bewegen können. Wir können Anreize positiver und negativer Art schaffen. Ägypten verfügt dank des Suezkanals und eigener Ölvorkommen über beträchtliche eigene Einnahmen." Da seien die Möglichkeiten, Druck auszuüben, auch wenn es sich um mehrere hundert Millionen Euro handelt, begrenzt. Wohl aber brauche Ägypten in vielen Bereichen Unterstützung beim Management von bestimmten Veränderungsprozessen, so Loewe weiter. Und diese Expertise könne Deutschland bieten, zum Beispiel "bei der Reform des öffentlichen Sektors, beim Aufbau eines fairen und effizienten Justizsystems und bei der Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen."

Gegenseitige Abhängigkeit

Der ägyptische Übergangspräsident Adli Mansur (Foto: Getty Images)
Von Übergangspräsident Adli Mansur werden jetzt schnelle Neuwahlen erwartetBild: AFP/Getty Images

Nach dem Urteil gegen Mitarbeiter der Konrad-Adenauer-Stiftung, die im Juni zu hohen Haftstrafen verurteilt wurden, weil sie angeblich ohne Lizenz in Ägypten arbeiteten, hatte Entwicklungsminister Niebel angekündigt, "jetzt erst recht zu prüfen, wie und in welchen Bereichen die deutsche Entwicklungszusammenarbeit die Reformkräfte und die ägyptische Zivilgesellschaft noch gezielter stärken kann".

Zeit für diese Prüfung blieb kaum. Durch den Sturz der Regierung Mursi sind die Karten jetzt wieder neu gemischt worden. Man habe den Verantwortlichen in Ägypten aber signalisiert, dass "die Stärkung der Zivilgesellschaft und der Menschenrechte Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Entwicklungskooperation" sei, so Entwicklungsminister Niebel gegenüber der DW. Schnelle Neuwahlen und die Ausarbeitung einer neue Verfassung seien jetzt die Grundbedingungen für die Wiederaufnahme des Regierungsdialogs, so Sibylle Pfeiffer von der CDU. "Wir müssen abwarten, wie schnell sich die Lage jetzt politisch stabilisiert. Dann sind wir durchaus in der Lage, schnell zu reagieren."

Der deutsch-ägyptische Dialog ist lediglich ein Teil in dem großen Demokratie-Puzzle in der arabischen Welt. Letztlich gehe es um die Frage, "wie Europa als Ganzes mit den Ländern im Nahen Osten umgeht", gibt Markus Loewe vom DIE zu bedenken. Beide Regionen seien aufeinander angewiesen. "Die eine braucht eher die ökonomische Unterstützung, die andere - Europa - braucht eher Stabilität an ihrer Südgrenze." Voraussetzung für diese Stabilität sei langfristig eine sozioökonomische und politische Entwicklung hin zur Demokratie.