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DB zieht Bilanz

Richard A. Fuchs29. März 2012

Die Deutsche Bahn ist auf Wachstumskurs. Umsatz und Gewinn stiegen auch 2011. Bis 2020 will der Konzern zum Logistik-Weltmarktführer aufsteigen - durch Internationalisierung.

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2011-Mai-09 Die Deutsche Bahn und Siemens haben heute in im ehemaligen Kaiserbahnhof in Berlin-Potsdam den Milliardenauftrag zum Bau neuer Fernverkehrszüge offiziell unterschrieben. Das Bild zeigt eine Designstudie (Rendering) des neuen ICx im Lehrter Bahnhof in Berlin. Der Rahmenvertrag umfasst die Lieferung von bis zu 300 Fernverkehrszügen bis 2030. Davon sind heute bereits 130 Züge fest bestellt und weitere 90 Züge sind geplant. Das mögliche Auftragsvolumen für die 220 Züge beträgt rund sechs Milliarden Euro. Dies ist zugleich der größte Auftrag, den Siemens in seiner über 160-jährigen Geschichte gewonnen hat.
Siemens Deutsche BahnBild: Siemens AG

Die Rechnung scheint für Deutsche Bahn Konzernchef Rüdiger Grube aufzugehen. Freudestrahlend konnte er am Donnerstag eine scheinbar makellose Bilanz des Jahres 2011 präsentieren. Deutschlands führendes Logistik- und Personentransportunternehmen machte im zurückliegenden Jahr einen Rekordumsatz von 37,9 Milliarden Euro (2010: 34,4 Milliarden Euro), oder wie der Konzernchef es ausdrückte: "Wir haben innerhalb von zwei Jahren seit der Weltwirtschaftskrise 2009 unseren Umsatz um circa neun Milliarden Euro ausbauen können." Der Gewinn vor Steuern kletterte auf 2,3 Milliarden Euro, das ist eine Steigerung zum Vorjahr um stolze 24 Prozent.

Bahnchef Rüdiger Grube Copyright: Deutsche Bahn AG
Bahnchef Rüdiger GrubeBild: Pablo Castagnola/Deutsche Bahn AG

Treibende Kraft: Auslandsgeschäft

Wachstumsgarant für den 'Global Player' Deutsche Bahn: das Auslandsgeschäft in der Logistiksparte. 19 Prozent mehr Umsatz bei DB Schenker, der Speditionsfirma im Landtransport. Immerhin sieben und vierzehn Prozent mehr Umsatz beim Transport zu See und bei der Kontraktlogistik. Lediglich die Luftfrachttochter, ein Frühindikator für Rezessionsängste, büßte gut sechs Prozent Umsatz ein.

Auch 2011 forcierte der Konzern seine Internationalisierungs-Strategie weiter. In Stockholm bekam die Deutsche Bahn den Zuschlag, den Nahverkehr zu betreiben. In Großbritannien kaufte sich das Unternehmen bei Grand Central Railways ein. Damit betreibt die Bahn jetzt in Großbritannien Züge und Busse.

Beladung des Containerzuges Richtung China Copyright: Deutsche Bahn AG
Beladung des Containerzuges Richtung ChinaBild: Uwe Winkler/Deutsche Bahn AG

Vor allem das Geschäft mit China wurde ausgebaut. "Wir haben im vergangenen Jahr fünfzehn neue Standorte in der Küstenregion und in neuen, wirtschaftlich aufstrebenden Zentren im Landesinneren eröffnet", erläutert Grube. Damit hat die Logistiksparte der Bahn jetzt 4600 Mitarbeiter in über 50 Filialen Chinas.

Auch der Transport von und nach China bekam neue Drehkreuze. "Im Sommer 2011 haben wir in Leipzig für BMW ein völlig neues Logistikzentrum eröffnet, mit dem wir die Werksversorgung in China und Südafrika durchführen", sagt Grube. Die 11.000 Kilometer lange Strecke zwischen Leipzig und Shenyang legen Güterzüge mit Autobauteilen in 23 Tagen zurück. Und es soll nicht die letzte Eröffnung einer neuen Fernstrecke sein, versprach der Bahnchef bei der Bilanzkonferenz vor Journalisten.

Deutsche Bahn will Weltmarktführer werden

Der globale Wachstumskurs gehe weiter, sagt Grube. Dafür soll die von der Unternehmensleitung verabschiedete Konzernstrategie "DB 2020" stehen. Das Management des Staatskonzerns beschreibt darin hochtrabende Pläne. "Unsere Vision ist es, das weltweit führende Mobilitäts- und Logistikunternehmen zu sein", sagt Grube unbescheiden. "Denn wie wir alle wissen, Reise- und Logistikketten enden nicht mehr an der nationalen Grenze."

Dabei ist die Marktposition des Konzerns schon heute beachtlich. Beim Personentransport ist die Deutsche Bahn in Deutschland die Nummer eins, in Europa nach eigenen Angaben im Schienenfernverkehr die Nummer zwei.

Ein ähnliches Bild in der Logistiksparte. "Wir sind in Europa die Nummer eins bei der Landfracht, wir sind die Nummer zwei weltweit in der Luftfracht, wir sind die Nummer drei weltweit in der Seefracht und wir sind die Nummer sechs weltweit in der Kontraktlogistik", sagt Grube.

Doch für den Konzernchef ist das noch nicht genug. Eine wachsende Weltbevölkerung und eine höhere Bedeutung für umweltgerechte Mobilitätskonzepte versprächen weitere große Wachstumschancen. In Zahlen bedeutet das für den Konzernchef: "Unser Ziel sind 70 Milliarden Euro Umsatz bis 2020, das ist eine Verdopplung des Umsatzes innerhalb von zehn Jahren."

Gut in Schuss? Schienennetz in Deutschland Copyright: Deutsche Bahn AG
Gut in Schuss? Schienennetz in DeutschlandBild: Wolfgang Klee/Deutsche Bahn AG

Internationalisierung als Gefahr für den Heimatmarkt?

Vor allem in Deutschland sehen viele die Vision vom 'Weltmarktführer Deutsche Bahn' dagegen kritisch. Nicht wenige befürchten, der Weltkonzern  - finanziert aus Mitteln des deutschen Steuerzahlers  - könnte sein Kerngeschäft vergessen: den Betrieb des Personen- und Güterverkehrs in Deutschland.

Zahlreiche Negativschlagzeilen nähren den Argwohn der Skeptiker: Pannenzüge im Winter, streikende Klimaanlagen in Zügen im Sommer, ein chronisches Pünktlichkeitsdefizit und wiederholtes Bahnchaos in der Metropolregion Berlin, das sind nur einige Probleme der vergangenen Jahre am Heimatmarkt Deutschland.

Der Chef der DB-Personenverkehrssparte Ulrich Homburg wiegelt ab: "Wir investieren in erheblichem Umfang in die Fahrzeugflotte in Deutschland, das würden wir nicht tun, wenn wir diesen Markt vernachlässigen wollten." Zwar entspräche es den Tatsachen, dass die Wachstumspotentiale in Deutschland eher gering seien. Das habe angesichts von 7,3 Millionen Fahrgästen täglich aber ganz banale Gründe, sagt Homburg: "Unsere Wachstumspotentiale sind sicherlich ein Stück weit dadurch limitiert, dass wir sowohl im Fernverkehr als auch im Regionalverkehr der absolute Marktführer sind."

Auch die Mitarbeiterzahlen sprächen dafür, dass die Deutsche Bahn trotz Internationalisierung den Standort Deutschland nicht vernachlässige: 190.000 der weltweit 295.000 Mitarbeiter arbeiteten im Heimatmarkt. "Deutschland ist unser Kernmarkt", sagt Homburg.  "Die Kompetenz, die wir hier haben, ist unser Verkaufsschild in ganz Europa."

EU-Bußgelder wegen Preisabsprachen

Doch gerade in Europa sieht es um den Ruf des Deutsche Bahn-Konzerns derzeit nicht besonders gut aus. Hohe Kartellstrafen, verhängt durch die EU-Wettbewerbshüter, werfen Schatten auf die scheinbar makellose Erfolgsbilanz des Jahres 2011.

Busse in London in DB-Besitz Copyright: Deutsche Bahn AG
Busse in London in DB-BesitzBild: James O Jenkins/Deutsche Bahn AG

Nach jahrelangen Ermittlungen entschied nun die EU-Kommission, die Deutsche Bahn und dreizehn andere Logistikkonzerne wegen illegaler Preisabsprachen zu bestrafen. Auf insgesamt 169 Millionen Euro belaufen sich die Strafgelder, die neben der Deutschen Bahn und sein Tochterunternehmen Schenker (zusammen 34,9 Millionen) auch Kühne+Nagel, UPS und weitere Konzerne begleichen müssen.

Die EU-Kommission wirft den Unternehmen vor, sich in den Jahren 2002 und 2007 Preise bei Luftfracht-Lieferungen zwischen Europa und Asien und zwischen Europa und den USA untereinander abgesprochen zu haben. Im Falle der Deutschen Bahn besonders brisant: Müsste ein Staatsunternehmen wie die Deutsche Bahn nicht besonders hohe Maßstäbe an eine lupenreine Wettbewerbsstrategie anlegen?

"Die Teilnehmer an diesen Kartellen waren sich der Illegalität ihrer Absprachen voll und ganz bewusst", sagte in jedem Fall EU-Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia bei der Urteilsverkündung in Brüssel. Erst Kronzeugenaussagen aus dem Deutsche Post-Konzern ließen das Kartell auffliegen. Bei der Bilanzpressekonferenz der Bahn wurde das Thema unter den Teppich gekehrt. Karl-Friedrich Rausch, Vorstand der betroffenen DB-Logistiksparte, verkündete lediglich personelle Konsequenzen: "Alle unmittelbar in diese Vorwürfe verwickelten Kollegen haben das Unternehmen verlassen", sagte Rausch vor der Presse. Ein Dämpfer für die Stimmung - angesichts glänzender Bilanzzahlen bei der Bilanzpressekonferenz aber lediglich ein fader Beigeschmack. Rüdiger Grubes Rechnung ging also auf.