1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutsch-vietnamesische Beziehungen

Rodion Ebbighausen29. März 2015

8300 Kilometer liegen zwischen Berlin und Hanoi. Doch Deutschland und Vietnam stehen sich aufgrund ihrer Geschichte viel näher. 2015 wird das 40-jährige Bestehen der nicht immer ganz einfachen Beziehungen gefeiert.

https://p.dw.com/p/1EyJY
Deutschland Vietnam Merkel Nguyen Tan Dung in Berlin
Bild: Getty Images/S. Gallup

Mit einem Deutschlandfest feierte die deutsche Botschaft am Samstag in Hanoi vier Jahrzehnte Partnerschaft mit Vietnam. Das Fest sollte ein erster Höhepunkt in einer langen Reihe von Veranstaltungen, Ausstellungen und Konzerten sein, die die Beziehungen würdigen. So wollten Botschaft, das Goethe-Institut und der Deutsche Akademische Austauschdiensts (DAAD) auf die Berührungspunkte zwischen Vietnam und Deutschland aufmerksam machen. Berührungspunkte, die wesentlich mit der Geschichte zusammenhängen.

Beide Länder waren geteilt, und beide Länder standen an vorderster Front im Kalten Krieg. Die gemeinsame Erfahrung von Teilung und Wiedervereinigung bildet bis heute eine Brücke zwischen Deutschland und Vietnam, meint Rabea Brauer von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Hanoi: "Über diese gemeinsame Erfahrung entsteht viel Vertrauen. Man versteht sich einfach." Überhaupt sei das Bild von Deutschland und den Deutschen in Vietnam durchweg positiv. "Man erahnt die gemeinsamen Werte: Fleiß, Pünktlichkeit und Ordnungsliebe. Es gibt sehr viele Gemeinsamkeiten."

Neustart nach der Wende

Besonders herzlich sei die Begegnung, wenn Brauers vietnamesische Gesprächspartner erfahren, dass sie aus Ostdeutschland stammt und in der DDR aufgewachsen ist. "Da muss ich dann manchmal daran erinnern, dass ich froh bin, dass es dieses System nicht mehr gibt." Und spätestens dann werde der Widerspruch deutlich. Einerseits fühlten sich die Vietnamesen den Deutschen sehr nah und freuten sich aufrichtig über die Wende. Andererseits löste die deutsche Wiedervereinigung unter umgekehrten ideologischen Vorzeichen so manche Ängste vor dem Systemkollaps aus, sagt Brauer.

Briefmarke der DDR Solidarität mit Vietnam
Während des Kalten Krieges druckte der sozialisitische Bruderstaat Solidaritäts-Briefmarken.Bild: Gemeinfrei

Als im Oktober 1990 die deutsche Einheit vollzogen wurde, verlor Vietnam nicht nur einen der wichtigsten Bündnis- und Wirtschaftspartner. Damals lebten auch rund 60.000 vietnamesische Vertragsarbeiter in der DDR. Vertragsarbeiter wurden aus sozialistischen Bruderstaaten zeitlich befristet zur Arbeit und Ausbildung angeworben. Mit dem Zusammenbruch der DDR verloren fast alle vietnamesischen Vertragsarbeiter schlagartig ihre Arbeit. Nach Vietnam zurückkehren wollten sie auch nicht, denn die Aussicht auf Arbeit war in ihrer Heimat damals noch schlecht. Der vietnamesische Wirtschaftsboom stand erst noch bevor. Der Großteil von ihnen wurde dennoch zurückgeschickt, da die Bundesrepublik ihnen keinen Aufenthaltsstatus gewährte.

Starke Bande

Mehrere Jahre belasteten die Fragen der Vertragsarbeiter und die Regelung der vietnamesischen Altschulden die Beziehungen zwischen Vietnam und der Bundesrepublik Deutschland, wie Gerhard Will erklärt. "Erst im Laufe der Verhandlungen wurde man sich bewusst, welche Chancen sich hier beiden Ländern boten" schreibt der Politologie, der die bilateralen Beziehungen jahrelang für die Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin beobachtet hat. Deutschland sei für Vietnam als wirtschaftlicher Partner und eine Art Türöffner für die außenpolitische Öffnung des Landes wertvoll gewesen. Umgekehrt hätten sich für die Exportnation Deutschland große Chancen geboten: Das aufstrebende Entwicklungsland Vietnam mit heute 90 Millionen Einwohnern war ein nahezu unerschlossener Markt.

In den folgenden Jahren ging es Schlag auf Schlag. Dabei bildeten die Vertragsarbeiter in Ostdeutschland, die als Boatpeople bekannten Flüchtlinge in Westdeutschland eine starke Basis für die deutsch-vietnamesischen Beziehungen. Hinzu kamen etwa 100.000 Vietnamesen mit Deutschkenntnissen in Vietnam. "Deutschland wurde zum wichtigsten Handelspartner Vietnams in der EU und zu einem 'Schwerpunktland' der deutschen Entwicklungszusammenarbeit", schreibt Will. Heute sei Deutschland für Vietnam ein wichtiger Partner in der Europäischen Union. Zugleich ist Will überzeugt, "dass es im Interesse Deutschlands ist, einen Partner in der Region zu haben, mit dem man wirtschaftlich und politisch gut zusammenarbeiten kann."

Inzwischen hätten die Befürchtungen, die die Kommunistische Partei Vietnams nach dem Kollaps der DDR hatte, etwas nachgelassen, so Brauer. Zwar gebe es aus Angst vor einer ähnlichen Entwicklung im eigenen Land immer noch enge Grenzen für Presse- und Meinungsfreiheit, aber die vietnamesische Regierung ist überzeugt, der DDR überlegen zu sein. Politiker würden ganz offen darüber sprechen: "Wir sind das bessere System, wir passen besser auf die Kirchen auf und wir haben unsere Bevölkerung besser im Griff. Unsere Verfassung funktioniert." Insofern seien die Deutschen herzlich willkommen.

Hanoier Erklärung und Rechtsstaatsdialog

2011 unterzeichnete Angela Merkel bei ihrem Vietnam-Besuch die "Hanoier Erklärung" und begründete die strategische Partnerschaft beider Länder. Darin wurde der Bau eines Deutschen Hauses in Ho Chi Minh Stadt beschlossen. Beide Länder bestärkten den Wunsch, die erfolgreiche wirtschaftliche Kooperation der vergangenen Jahre fortzusetzen und auch bei der Entwicklungspolitik, dem Umweltschutz, der Bildung und Wissenschaft verstärkt zusammenzuarbeiten. Als Vorzeigeprojekt gilt dabei die 2008 gegründete deutsch-vietnamesische Universität in Ho Chi Minh Stadt, an der nach deutschen Standards studiert werden kann. Ihre Bedeutung wurde durch den Besuch von Bundestagspräsident Norbert Lammert (30.03.2015) nochmals unterstrichen.

Deutschland Norbert Lammert
Bundestagspräsident Norbert Lammert an der deutsch-vietnamesischen Universität in Vietnam.Bild: VGU

In der Erklärung, die von Vietnams Premierminister Nguyen Tan Dung unterzeichnet wurde, heißt es auch: "Beide Seiten messen dem Dialog über die Prinzipien des Rechtsstaats und die Verfahren zu seiner Durchsetzung, einschließlich der Durchsetzung der Menschenrechte im Rechtsstaat, hervorragende Bedeutung zu." Seit 2008 gibt es den deutsch-vietnamesischen Rechtsstaatsdialog. In fast 60 Treffen und Seminaren pro Jahr unterstützt Deutschland Vietnam etwa bei einer Strafrechtsreform. Dabei kam es in letzter Zeit wiederholt zu Kritik, wie Rabea Brauer von der Konrad-Adenauer-Stiftung sagt. Die Stiftung ist am Dialog direkt beteiligt. "Ein großer Kritikpunkt: Das große Ganze wurde nie sichtbar. Wie hat der Rechtsstaatsdialog denn nun eigentlich gewirkt?" Es war für die deutschen Partner oft nicht nachvollziehbar, ob und wie sich die gemeinsame Arbeit in konkreten Gesetzen niedergeschlagen hat. Allerdings habe das vietnamesische Justizministerium zugesagt, die Ergebnisse künftig transparenter zu machen. Wenn das gelingt, würde das die Beziehungen beider Länder weiter vertiefen.