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Der Weg in den Zweiten Weltkrieg

Sarah Judith Hofmann29. August 2014

Am 1. September 1939 überfällt die Wehrmacht scheinbar ohne jede Ankündigung Polen. Doch überraschend beginnt der deutsche "Blitzkrieg" nicht. Hitler hat ihn seit seiner Machtergreifung 1933 geplant. Ein Überblick.

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Wehrmachtssoldaten reißen am 1. September 1939 einen Schlagbaum an der deutsch-polnischen Grenze ein(Foto: AP)
Wehrmachtssoldaten reißen am 1. September 1939 einen Schlagbaum an der deutsch-polnischen Grenze einBild: AP

Dieser Krieg kam nicht überraschend. Hitler hatte aus seinen aggressiven Expansionsplänen keinen Hehl gemacht, auch wenn er ab und zu, nach Hitlers eigenen Worten, die "pazifistische Platte" gespielt habe, meint Klaus Hesse vom Berliner Dokumentationszentrum "Topographie des Terrors". Für ihn ist klar: "Hitler trieb seit der Machtübernahme im Januar 1933 alles auf die Vorbereitung zum Krieg hin. Seitdem diente alles der Revision der Versailler Nachkriegsordnung, alles der Rückgewinnung der Hegemonie in Europa durch ein Großdeutschland, alles der Erschaffung einer europäischen Großraumwirtschaft, die Deutschland ermöglichte, einen großen Krieg in Europa, der auch länger dauern würde zu führen."

Krieg im Innern – gegen Opposition und Juden

Der Friedensvertrag von Versailles hatte 1919 die alleinige Verantwortung des Deutschen Reichs und seiner Verbündeten für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs festgehalten und es zu Gebietsabtretungen, Abrüstung und Reparationszahlungen an die Siegermächte verpflichtet. In Hitlers Verständnis eine Demütigung, die es zu revidieren galt. Bestens gelegen kam ihm die sogenannte "Dolchstoßlegende", nach der Sozialdemokraten und Juden dem Reich aus dem inneren hinterrücks einen Dolchstoß verpasst hätten. Und so nahm der Weg in einen erneuten Krieg seinen Beginn im Innern.

Der Boykott jüdischer Geschäfte begann schon 1933, in den Novemberpogromen 1938 wurde die Brutalität des Regimes noch offener sichtbar (Foto: picture-alliance/dpa)
Der Boykott jüdischer Geschäfte begann schon 1933, in den Novemberpogromen 1938 wurde die Brutalität des Regimes noch offener sichtbarBild: picture-alliance/dpa

Nur wenige Tage nach seiner Machtergreifung hatte Hitler am 1. April 1933 den ersten landesweiten Boykott gegen jüdische Geschäfte organisieren lassen. Darauf folgte das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" – ein de facto Ausschluss aller Juden von Tätigkeiten im öffentlichen Dienst. Dabei ging es von Anfang auch um finanzielle Mittel, mit denen sich ein Krieg nach Außen finanzieren ließ. Schon bevor die Regierung den Raub jüdischen Besitzes per Gesetz umfassend regelte, wurden jüdische Unternehmer unter Druck gesetzt, selbst aus der Flucht von Juden aus Deutschland noch Profit geschlagen: Auswanderer mussten 25 Prozent ihres steuerpflichtigen Vermögens an den Staat abgeben, der so allein in den ersten beiden Jahren der NS-Herrschaft 153 Millionen Reichsmark einnehmen konnte. Beim Devisentransfer ins Ausland war zudem eine Abschlagszahlung an die staatliche Deutsche Golddiskontbank fällig. Bis September 1939 steig sie auf 96 Prozent der Transfersumme.

Berlin 1936 – Olympia und die vorgezogene Kriegserklärung

Ein Großteil der Deutschen aber sah in Hitler bis 1939 den Heilsbringer. Vielen von ihnen hatte seine Diktatur eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lebenssituation gebracht. Die Arbeitslosigkeit war gesunken, der individuelle Konsum gestiegen. "Hitler war zu sehr Populist, um nicht zu wissen, dass er neben Kanonen auch Butter zu bieten haben musste", meint Klaus Hesse. Die Kanonen aber waren das eigentliche Ziel. Während die Welt zu den olympischen Spielen in Berlin gastierte, festigte Hitler seine Kriegspläne. In vier Jahren sollte die Wehrmacht einsatzfähig sein für den Krieg im Osten. Hitlers Plan in der geheimen "Denkschrift zum Vierjahresplan": Auf möglichst vielen Gebieten solle Deutschland autark werden und sich vom Weltmarkt abkoppeln, um so alle Ressourcen in die Rüstung investieren zu können. Bald schon diente die Hälfte aller Staatsausgaben der Waffenbeschaffung.

Olympia 1936 in Berlin: Der Amerikaner Jesse Owens gewinnt im Weitsprung gegen den Deutschen Carl Ludwig Long, der deutlich für die Welt sichtbar mit Silbermedaille auf dem Siegertreppchen den Hitlergruß gibt (Foto: AP)
Olympia 1936 in Berlin: Der Amerikaner Jesse Owens gewinnt im Weitsprung gegen den Deutschen Carl Ludwig Long, der deutlich für die Welt sichtbar mit Silbermedaille auf dem Siegertreppchen den Hitlergruß gibtBild: AP

Im selben Jahr noch besetzte die Wehrmacht das entmilitarisierte Rheinland – ein klarer Bruch des Versailler Vertrags, auf den es Hitler seit Beginn seiner Herrschaft angelegt hatte. Im November 1937 offenbarte Hitler den wichtigsten Vertretern der Wehrmacht im Geheimen seine Pläne: Deutschland brauche mehr Lebensraum, "zur Erhaltung der Volksmasse und deren Vermehrung".

September 1938 – der Krieg wird nicht verhindert, sondern aufgeschoben

1938 ließ Hitler im sogenannten "Anschluss" sein Geburtsland Österreich annektieren. Kurz darauf drohte er mit einer Invasion der Tschechoslowakei, weil die dort lebenden Sudentendeutschen angeblich diskriminiert würden. Britische und französische Politiker fürchteten nun einen europäischen Krieg – und versuchten ihn mit einer Politik der Beschwichtigung – "Appeasement" – zu verhindern. Wenn man Hitler gebe, was er als nationales Recht verstehe, werde er Ruhe geben, so die Hoffnung. Im "Münchner Abkommen" wird das Sudentenland ans Deutsche Reich abgetreten. "Chamberlain ließ Hitler mit einer ganzen Reihe territorialer Vergrößerungen davonkommen, ohne dass es dafür zunächst zu einem Krieg kam", sagt der Historiker Antony Beevor über den damaligen britischen Premierminister. Die Frage, was passiert wäre, wenn schon damals der Gegner der Appeasement-Strategie, Winston Churchill, britischer Premier gewesen wäre, sei dennoch müßig. "Wären die Briten und Franzosen im September 1939 gegenüber der Wehrmacht in einer stärkeren Position gewesen? Darauf werden wir niemals eine Antwort bekommen."

Seit 1938 sei in Deutschland Kriegsangst spürbar gewesen, meint Klaus Hesse. "Es war abzusehen, dass diese deutsche Entwicklung in Europa vom geschlagenen Deutschland hin zum neuen Machtfaktor nicht mehr ohne Kriegsgefahr zu haben war." Das Münchner Abkommen sei zwar von der NS-Propaganda als großartiger Erfolg von Hitlers Friedenspolitik verkauft worden, aber eigentlich habe sich dieser geärgert, weil er am liebsten schon losgeschlagen hätte.

Hitler bei der Münchner Konferenz - zwischen Neville Chamberlain (ganz links), Eduard Daladier und Benito Mussolini (rechts) (Foto: picture-alliance/dpa)
Hitler bei der Münchner Konferenz - zwischen Neville Chamberlain (ganz links), Eduard Daladier und Benito Mussolini (rechts)Bild: picture-alliance/dpa

Im September 1939 ist an Putsch nicht zu denken

Das eigentlich Tragische im September 1938 ist: Zu diesem Zeitpunkt stand Hitler mit seinen Kriegsplänen in Deutschland recht allein dar. Seine Generäle wollten einen verfrühten Krieg um jeden Preis verhindern. Generalstabschef Franz Halder, wichtige Truppenkommandeure in und um Berlin, wie auch der Berliner Polizeipräsident hatten bereits mit kritischen Beamten und sozialdemokratischen Ex-Politikern eine neue Regierung abgesprochen. Ein geheimer Stoßtrupp hielt sich bereit, um die Reichskanzlei zu stürmen, sobald Hitler den Krieg auslösen würde. Ein Jahr später war an Putsch nicht mehr zu denken. Auch wenn in der Bevölkerung am 1. September 1939 kein Jubel ausbricht, so steht ein Großteil der Deutschen trotz allem hinter Hitler – und ist bereit für den "Führer" in den Krieg zu ziehen.

60 Millionen Menschen werden im Zweiten Weltkrieg sterben. Die Nationalsozialisten ermorden sechs Millionen Juden. Für Antony Beevor ist der Zweite Weltkrieg "das größte menschengemachte Desaster der Geschichte".