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Der Wahlabend auf Twitter

Friedel Taube22. September 2013

Beim Kurznachrichtendienst Twitter häuften sich schon kurz nach 18 Uhr die Reaktionen auf die Bundestagswahl. Vorherrschende Themen waren das Aus der FDP sowie die Auswirkungen der Wahl auf die Netzpolitik.

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Twitter-Logo auf Ipad, Foto: Niall Carson/PA Wire URN:17170392
Bild: picture-alliance/empics

Der FDP-Politiker Hans-Joachim Otto, Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, hatte die krachende Niederlage für seine Partei schon kommen sehen. 20 Minuten vor der Schließung der Wahllokale schrieb er bei Twitter: "Als FDP-Politiker muss man lernen, demütig zu sein - heute ist wohl so ein Tag."

FDP-Politiker auf Bühne ((v.l.: Guido Westerwelle, Dirk Niebel, Christian Lindner)Foto: REUTERS/Fabian Bimmer (GERMANY - Tags: POLITICS ELECTIONS)
Die FDP musste sich Spott gefallen lassen (v.l.: Guido Westerwelle, Dirk Niebel, Christian Lindner)Bild: Reuters

Häme für die FDP

Als klar war, dass die Freien Demokraten die Fünf-Prozent-Hürde zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik verfehlen würden, ergoss sich im Internet Spott und Häme über die Partei. User "fischblog" kommentierte: "Die FDP darf sich heute besonders freuen. Endlich hat sich verwirklicht, was sie immer predigt: Leistung muss sich lohnen". "Ices 93" freute sich: "Immer wenn es mir in Zukunft schlecht geht, werde ich mir einfach die Bilder der FDP-Wahlparty angucken." Userin Dangsch nahm die Sexismus-Affäre um den FDP-Fraktionsvorsitzenden Rainer Brüderle aus dem Januar dieses Jahres aufs Korn: "4,5 Prozent - damit kann man kein Dirndl ausfüllen", schrieb sie. "pechvoegelchen" gab dagegen zu bedenken: "Das Traurige am Ende der FDP ist, dass unsere Justizministerin raus ist. Die einzige mit etwas Sinn für Datenschutz…" Der Chefredakteur des "Norddeutschen Rundfunks", Andreas Cichowicz, schrieb in Anspielung auf die zuvor angekündigten Zukunftspläne von FDP-Chef Philipp Rösler: "Wenn es dabei bleibt, kann Rösler seinen Traum vom Ausstieg aus der Politik früher wahrmachen als geplant. Er wollte vor dem 45. [Geburtstag, Anm. d.Red.] aufhören...".

Was Politiker und Faker twittern

Auch bei der liberalen Partei selbst begann das Wundenlecken schon früh im Netz. Christian Lindner, der nordrhein-westfälischer Landeschef der FDP ist und als Zukunftshoffnung gehandelt wird, gab offen zu: "Das ist eine der bittersten Stunden für die Liberalen seit vielen Jahrzehnten. Ab morgen muss die FDP neu gedacht werden."

In diesem Zusammenhang wurde Theo Koll, der Leiter der Innenpolitik-Redaktion des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), Opfer eines Fakers: Ein Unbekannter Twitterte in Kolls Namen einen aufmunternden Kurzkommentar zur FDP - angeblich direkt aus dem ZDF-Wahlstudio. Doch das war eine Fälschung. Jemand hatte "offensichtlich unter Aneignung meines Namens" den Tweed verfasst, teilte Koll der Deutschen Welle mit.

Auch die Politiker der anderen Parteien teilten ihre Gedanken zum Wahlausgang im Netz. Peer Steinbrück, Kanzlerkandidat der SPD, twitterte um 20:24 Uhr: "Zum Klartext gehört es Frau Merkel zu gratulieren. Aber wir haben gemeinsam einen großartigen Wahlkampf geführt. Dafür danke ich." Gregor Gysi, Fraktionsvorsitzender der Partei Die Linke, die als drittstärkste Kraft aus dem Rennen ging, schrieb: " Wer hätte 1990 gedacht, dass diese Partei drittstärkste politische Kraft in der Bundesrepublik wird?"

Screenshot der Seite https://twitter.com/peersteinbrueck am 22.9.2013. Copyright: twitter.com
Peer Steinbrück gratulierte Angela MerkelBild: twitter.com

Renate Künast, Fraktionschefin von Bündnis 90/Die Grünen, kommentierte das enttäuschende Abschneiden ihrer Partei: "Danke an alle WählerInnen + danke an die tollen WahlkämpferInnen. Wir haben unsere Ziele nicht erreicht. Wir werden das aufarbeiten". Die Piratenpartei, die für eine liberale Netzpolitik auftritt und die die sozialen Medien seit ihrer Gründung im Jahr 2006 intensiv nutzt, zeigte sich über Twitter über das erwartet schwache Ergebnis von 2,2 Prozent zwar enttäuscht, war aber nicht hoffnungslos. Die Politische Geschäftsführerin Katharina Nocun zwitscherte: "Danke an alle, die für unsere Themen gekämpft haben. Ihr seid groß."

Unions-Ergebnis enttäuscht Netzaktivisten

Das große Thema der Piratenpartei - der Kampf gegen die Internet-Überwachung - war aber auch bei Twitter ein großes Thema des Wahlabends. Blogger und Netzaktivisten zeigten ihre Besorgnis, dass der Wahlsieg der CDU/CSU dazu führen könnte, dass die NSA-Affäre in Deutschland weiter schwach aufgearbeitet würde. Markus Beckedahl twitterte: "Ein schwarzer Tag für Netzpolitik und unsere Grundrechte". In die gleiche Richtung zielte Blogger Christoph Boecken: "Und irgendwo im NSA-HQ knallen gerade die Sektkorken: Vier Jahre weiter Deutschland überwachen und denen erzählen können, dass alles okay ist." Als sich zwischenzeitlich gegen 19 Uhr eine absolute Mehrheit für die Unionsparteien herauszukristallisieren schien, twitterte Blogger Christian Heise: "Traurig aber wahr: Eine absolute Mehrheit gegen ein freies und offenes Internet."

Portraitfoto Markus Beckedahl (Foto:DW)
Internet-Aktivist Markus Beckedahl: "Schwarzer Tag für Netzpolitik"

Die meist zitierten Hashtags waren den gesamten Abend über #bundestagswahl und #btw13 - und diese werden wohl auch in den kommenden Tagen im Netz populär bleiben, denn schon am Montag (23.09.2013) beginnt für die Parteien das Sondieren, wer mit wem eine Koalition bilden könnte. Dabei wird die FDP zwar nichts mitzureden haben. Am Ende des Abends zeigte sich dann auch der vorher so prophetische FDP-Politiker Hans-Joachim Otto kämpferisch: "Es gilt die alte Boxer-Maxime: Einmal mehr aufstehen, als man niedergeschlagen wird!"