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Der Vertrag von Maastricht

Matthias von Hellfeld8. März 2012

Der "Vertrag über die Europäische Union", der im niederländischen Maastricht unterzeichnet wurde, ist der größte Schritt auf dem Weg zu einer politischen Union Europas seit den Römischen Verträgen des Jahres 1957.

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Unterzeichnung des Maastricht-Vertrages (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

1989/90 herrschte ein frostiges Klima in der europäischen Politik. Die Deutschen mussten sich anhören, sie betrieben die Einheit ihres Landes mit aller Macht und nähmen keine Rücksicht auf die Interessen der Nachbarn. Die britische Premierministerin Margaret Thatcher (1925) hatte Angst vor einer beherrschenden Stellung der Deutschen in der Mitte Europas. Mehr als 80 Millionen Deutsche würden dann in einem Staat leben und – so ihre Befürchtung - die übrigen europäischen Staaten dominieren. Auch der französische Staatspräsident François Mitterand (1916 – 1996) hatte kein gutes Gefühl bei dem Gedanken an ein vereinigtes Deutschland an der Ostgrenze Frankreichs. 

Helmut Kohl mit Hans-Dietrich Genscher (Foto: AP)
Helmut Kohl mit Hans-Dietrich GenscherBild: AP

Politische Einheit

In Brüssel war seit 1985 Jacques Delors (1925) Präsident der EG-Kommission. Hinter den Kulissen führte er geschickt Regie in einem Verhandlungsprozess, der das gegenseitige Misstrauen schließlich ins Gegenteil verkehrte. Vor allem François Mitterand und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl (1930) waren die beiden engagiertesten Befürworter einer europäischen Einheit. Diese Einheit sollte nicht nur eine politische sondern auch eine Währungsunion sein. Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik sollte verabredet werden, die von einem europäischen "Außenminister" vertreten werden sollte. Allen Bürgern der Europäischen Union sollte ferner eine gemeinsame Unionsbürgerschaft verliehen werden, im Inneren sollte Europa demokratisiert und durch ein Protokoll über die Sozialpolitik sozial gestaltet werden.

Abschied von der Deutschen Mark - Geldstücke DM
Abschied von der Deutschen MarkBild: AP

Währungsunion

Die politischen Felder, auf denen in Zukunft die europäische Politik vereinheitlicht und mit einer Stimme nach außen getragen werden sollten, riefen nicht so viele Emotionen hervor, wie der Beschluss, spätestens bis zum 1. Januar 1999 (im Bankensektor) und zum 1. Januar 2002 (im Bargeldverkehr) eine gemeinsame Währung – den Euro - einzuführen. Der angekündigte Abschied von D-Mark, Franc und Gulden weckte Ängste vor Inflation und mangelnder Stabilität. Überall in Europa wurde über das Für und Wider diskutiert. Ältere Menschen erinnerten sich an ihre Erfahrungen während der verheerenden Inflationen, die in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach Besitz und Existenzen zerstört hatten. Der Politik gelang es kaum, die emotionalen Wogen zu glätten. Der 1996 auf dem EU-Gipfel in Dublin von der deutschen Regierung eingebrachte Stabilitäts- und Wachstumspakt konnte für etwas Beruhigung sorgen. Denn mit diesem Pakt sollte übermäßiger Verschuldung – und als Folge davon hoher Inflation – ein Riegel vorgeschoben werden. Wie sich in den kommenden Jahren zeigen sollte, war dieser Pakt ein wirksames Instrument, um wenigstens die meisten nationalen Haushalte in Europa in der Balance zu halten.  

Helmut Kohl in der Kritik Helmut Kohl verläßt das Podium (Foto: DPA)
Helmut Kohl in der KritikBild: picture-alliance/ dpa

Kritik

In der Bundesrepublik wurde Bundeskanzler Helmut Kohl vorgehalten, er habe die stabile D-Mark geopfert, um das Zugeständnis der europäischen Nachbarn zur deutschen Einheit zu erkaufen. Zudem sei der Vertrag geeignet, ein bürokratisches Monstrum zu schaffen, das undurchsichtig und undemokratisch von Brüssel über Europa herrsche. Zweifellos war der Vertrag das Ergebnis von Kompromissen und schon aus diesem Grund kompliziert. Für die Deutschen aber überwogen die Vorteile einer politischen Union in Europa. Bundeskanzler Helmut Kohl verteidigte 1992 den Vertrag auf einem CDU - Parteitag: "Europa ist für Deutschland eine, ich behaupte die Schicksalsfrage. Als Land in der Mitte unseres Kontinents (…) haben wir mehr Grenzen und Nachbarn als die anderen. (…) Unsere nationale Zukunft ist noch viel mehr als die der anderen (…) mit der Entwicklung Europas verknüpft. Es kann und darf uns deshalb nicht gleichgültig sein, welchen Weg Europa geht; ob es sich unwiderruflich auf den politischen und wirtschaftlichen Zusammenschluss festlegt oder ob es erneut in nationale Rivalitäten früherer Zeiten zurückfällt."   

Maastricht Stadtpanorama(Foto: Flickr/Wouter)
Auch Osteuropa will der in Maastricht geschaffenen EU beitretenBild: npb

Blick nach Osteuropa

Die Diskussionen um ein neues Vertragswerk für Europa wurden auch beeinflusst durch die Ereignisse in Osteuropa. 1991 hatte die Sowjetunion aufgehört zu existieren, nach und nach bekannten sich die ehemals zum "Ostblock" gehörenden Staaten zu demokratischen Staatsformen und äußerten den Wunsch, so schnell wie möglich der in Maastricht geschaffenen "Europäischen Union" beizutreten.

Unterzeichner der Römischen Verträge (Foto AP)
Aus EG wird EU - heute besteht die Union bereits aus 27 MitgliedstaatenBild: AP

In mehreren Schritten ist die EU auf inzwischen 27 Mitgliedsstaaten angewachsen. Sie übt auf jene, die bisher noch nicht EU-Mitglieder sind, eine große Attraktivität aus. Zumindest von außen betrachtet, überwiegen die Vorteile also den Schwierigkeiten und Nachteilen, die die Organisation eines geopolitischen Raumes mit etwa 500 Millionen Einwohnern nach sich zieht.