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Fjodor verteidigt seine Ukraine

Alexander Warkentin11. März 2014

Auf der Krim - so scheint es - wollen viele Russen so schnell wie möglich die Abspaltung der Halbinsel von der Ukraine durchsetzen. Doch nicht alle Russen in der Ukraine sehen das genauso.

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Portrait von Fjodor Solomachin (Foto: DW)
Bild: DW/A. Warkentin

Familie Solomachin hat seit Tagen kaum geschlafen. Die dramatischen Ereignisse auf der Krim beunruhigen sie sehr. Fjodor ist Russe, seine Frau Halyna Ukrainerin. "Putin soll die Russen in Russland verteidigen, ich verteidige meine Ukraine", sagt Fjodor entschlossen. Denn er ist wütend über das russische Vorgehen auf der Krim.

Kachowka, eine Provinzstadt in der Südukraine. Hier lebt die Familie Solomachin seit vielen Jahren. In ihrem Haus läuft der Fernseher jetzt praktisch 24 Stunden am Tag. Meist ist es der ukrainische TV-Sender "5. Kanal". Immer wieder kommt der Nachbar Kolja hereingerannt: "Habt ihr das gehört? Die Faschisten im russischen Fernsehen behaupten, wir Ukrainer seien Faschisten!" Auch Kolja ist ethnischer Russe.

Ein Konflikt zwischen "Faschisten" auf beiden Seiten?

Familie Solomachin schaut die Nachrichten im Fernsehen (Foto: DW)
Die Familie Solomachin verfolgt die Berichterstattung im ukrainischen Fernsehen rund um die UhrBild: DW/A. Warkentin

In der aufgeheizten, fast schon hysterischen Stimmung beschuldigen sich Russland und die Ukraine gegenseitig, für die Lage auf der Krim verantwortlich zu sein. Schnell fällt dabei der Begriff "Faschisten" und nicht immer ist klar, was damit genau gemeint ist. Der Streit verläuft dabei nicht unbedingt entlang ethnischer Trennlinien, wie das Beispiel der Familie Solomachin und ihres Nachbarn Kolja zeigt. Denn auch viele Russen in der Ukraine verfolgen die russische Einmischung auf der Krim mit Sorge und Entsetzen.

Kachowka liegt rund 100 Kilometer von der "Grenze" zur Krim entfernt. Dennoch hat man den Eindruck, in einer Frontstadt zu sein. Fjodor Solomachin ist über 50. Trotzdem würde er sich sofort melden, wenn es in der Ukraine eine generelle Mobilmachung gebe. Er habe seinerzeit in der sowjetischen Armee recht gut geschossen, meint Fjodor. Seine Frau Halyna schimpft dagegen, der Alte solle ruhig bleiben. Aber wenn er sich wirklich bei der Armee melde, würde auch sie sofort als Krankenschwester an die Front gehen.

"Putin und Janukowitsch sind doch Banditen"

Auf denrussischen Präsidenten Wladimir Putin ist man in der Familie Solomachin nicht gut zu sprechen. Er sei ein Dieb, ein Lügner und schlicht größenwahnsinnig. Es sei doch klar, dass der geschasste ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch nur Putins korruptes Machtmodell auf die Ukraine übertragen wolle. "Beide sind doch Banditen", ereifert sich Halyna.

Im Fernsehen kommt gerade die Meldung: Eine Kolonne von 70 russischen Militärfahrzeugen sei nach Simferopol vorgedrungen. "Was denkt sich dieser Putin bloß?", fragt Fjodor.

Studenten im südukrainischen Cherson protestieren gegen das russische Vorgehen auf der Krim (Foto: DW)
Studenten im südukrainischen Cherson protestieren gegen das russische Vorgehen auf der KrimBild: DW/A. Warkentin

Die Kinder von Fjodor und Halyna sind Dozenten an der Universität in der Nachbarstadt Cherson. Beide sind ukrainische Patrioten. Beide organisieren derzeit in Cherson immer wieder Demonstrationen gegen das russische Vorgehen auf der Krim. Bei einer Demonstration wurde das Lenin-Denkmal umgeworfen. Dabei ist ein Arm abgebrochen. Nachts wurde der Arm geklaut. Diebe sollen das Körperteil des großen Revoluzzers als Altmetall verkauft haben, erzählt man sich in Cherson und Kachowka.

"Putin ist kein Russe. Putin ist ein KGB-Mann. Er hat keine Nationalität", sagt Halyna. Sie ist Direktorin einer russischen Schule und Abgeordnete im Stadtparlament von Kachowka. Sie habe stets allen Einschüchterungen widerstanden und nie für Janukowitsch gestimmt, betont sie stolz. Es sei gut, dass es in Kiew endlich zu einem Machtwechsel gekommen sei.

Zwei Welten in Kachowka und auf der Krim

Für die Berichterstattung über ihr Land im russischen Fernsehen hat sie kein Verständnis. "Gott, was erzählen die Verrückten dort für einen Schwachsinn! Wie könnte ich etwas gegen Russen haben? Es sind unsere Brüder, es ist mein Fjodor", sagt Halyna. Und dann fragt sie: "Warum dulden die Menschen in Russland dieses verlogene System?"

Wieder zurück in Simferopol auf der Krim. Die Dame an der Rezeption im Hotel, eine Russin, fragt mich unterdessen, ob ich denn alle "Faschisten" in der Ukraine interviewt habe. Diese Leute planten Bombenanschläge auf der Krim. Sie wollen alle Russen in die Luft jagen, sagt die Angestellte. Das habe sie im russischen Fernsehen gesehen.

Nur 100 Kilometer trennen die Krim von Kachowka. Die Art der Berichterstattung ukrainischer und russischer Medien könnte unterschiedlicher kaum sein. Die Menschen scheinen mittlerweile in zwei verschiedenen Welten zu leben.