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August der Starke

12. August 2011

Er konnte angeblich Hufeisen mit den Händen verbiegen und soll 354 Kinder gezeugt haben. Außerdem machte Friedrich August I. von Sachsen Dresden zu einer barocken Metropole, was ihr bis heute nützt.

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Fremdenführer, als August der Starke verkleidet, in Dresden (Foto: DW)
Bild: Ronny Arnold

Im schicken Barockkleid und mit Schirmchen gegen die Sonne, steht Gräfin von Brühl vor der Dresdner Frauenkirche und wartet auf die hochwohlgeborene Gesandtschaft. Die kommt wenig später und ist aus ganz Deutschland angereist, um von der Gräfin mehr über den sächsischen Kurfürsten August und das Leben bei Hofe zu erfahren. Verkleidet sind sie nicht, diese acht Hochwohlgeborenen, die man heute gern Touristen nennt. Eine Stunde historischen Rundgang durch die Residenzstadt haben sie gebucht, für 18,90 Euro, doch gleich zu Beginn gibt es eine schlechte Nachricht. "Ihre kurfürstliche Durchlaucht weilet leider noch auf Schloss Moritzburg, ob der doch unerwartet schönen Wetterlage", haucht die von Brühl und schickt sogleich die gute Nachricht hinterher. "Er hat euch nicht vergessen, denn er hat uns an seiner statt hierher geschickt. Wir seien Anna Maria Franziska Reichsgräfin von Brühl, geborene Kolowrat-Krakowsky."

Fremdenführerin in historischem Kostüm in Dresden (Foto: DW)
Bettina Schöne als Gräfin von BrühlBild: Ronny Arnold

Gräfin von Brühl war die Frau von Heinrich Reichsgraf von Brühl, dem engsten Vertrauten August des Starken, der nach dessen Ableben das finanzielle Desaster verwalten musste, welches der verschwenderische Kurfürst August hinterließ. Nach einem kleinen Glas Sekt und ein paar schnell gelernten Verbeugungs- und Begrüßungsritualen, wie sie vor 300 Jahren bei Hofe üblich waren, setzt sich die Gruppe langsam in Richtung Ahnengalerie in Bewegung.

Das barocke Idyll als Touristenmagnet

Die Dresdner Altstadt wimmelt von Touristen, dazwischen fahren Pferdegespanne, und immer wieder sieht man Kostümierte in barocken Gewändern. Mehrere Agenturen vermitteln die historisch gekleideten Stadtführer an Besucher, auch die Gräfin von Brühl, die eigentlich Bettina Schöne heißt und diesen Job bereits seit drei Jahren macht. Gewünscht und für Rundgänge gebucht werden bedeutende Personen aus der Zeit des Kurfürsten August dem Starken: Graf und Gräfin von Brühl, Gräfin Cosel, Gräfin von Sulkowski, der Kerkermeister und Fatima, die türkische Mätresse August des Starken, die offiziell nie fürstliche Mätresse war. Und natürlich immer wieder gern gesehen bei Führungen durch Dresden: August der Starke selbst. Wenn er denn mal in Dresden ist.

Semperoper in Dresden (Foto: DW)
Prächtige Kulisse für den starken FürstenBild: Ronny Arnold

Die sächsische Landeshauptstadt lebt bis heute von ihrem Ruf als barockes Idyll, als Elbflorenz – dank ihres prunksüchtigen Kurfürsten August dem Starken. Der ließ prächtige Bauten errichten: das Residenzschloss, die katholische Hofkirche, die Elbterrassen und nicht zuletzt den weltberühmten Dresdner Zwinger. Auch als Sammler tat er sich hervor, häufte Kunst- und Porzellanschätze an und lockte Kunstschaffende aus ganz Europa nach Sachsen. Im Dresdner Umland ließ er sich stattliche Schlösser bauen, etwa in Pillnitz und dem besagten Moritzburg. Die Touristengruppe hat gerade die Ahnengalerie hinter sich gelassen, auf der die fast eintausend Jahre alte Geschichte der sächsischen Monarchen und Fürstenhäuser verewigt ist, da erblicken sie eine fleischgewordene Überraschung. Vor ihnen steht August der Starke in seiner ganzen Pracht.

Gerüchte um Stärke und Potenz

Ahnengalerie der sächsischen Monarchen und Fürstenhäuser in Dresden (Foto: DW)
Die Ahnengalerie der sächsischen Monarchen in DresdenBild: Ronny Arnold

Leicht gelangweilt mustert der Kurfürst die Truppe und wechselt dabei charmant von der Arroganz des Herrschers in liebevollstes Sächsisch. Rundum stattlich sieht er dabei aus in seinem roten Gewand, mit der gelockten Perücke und seiner eindrucksvollen Körperfülle. "August der Starke wurde ich übrigens erst nach meinem Tode genannt, von den Preußen", spricht der Herrscher mit tiefer Stimme, die dem Schauspieler Steffen Urban gehört. Er spielt den August schon seit 20 Jahren und kennt sie alle, die vielen Geschichten, die über den Sachsenfürsten erzählt werden. Nur wenige davon stimmten. So habe der Fürst tatsächlich einmal ein Hufeisen zerbrochen, so seine Stärke bewiesen und die Anwesenden schwer beeindruckt. Doch tatsächlich war das Eisen brüchig, was erst vor wenigen Jahren eine Untersuchung ans Tageslicht brachte, da das Hufeisen noch immer in der Dresdner Rüstkammer des Kurfürsten liegt.

Pferdegespann in der Dresdner Altstadt (Foto: DW)
Erinnerung an Augusts ZeitenBild: Ronny Arnold

Auch seine vielen Kinder seien eher ein Gerücht, meint der schauspielernde Landesvater, statt der nachgesagten mehr als 300 gibt es nur neun anerkannte Nachfahren. Immerhin hat August diese mit sechs verschiedenen Frauen gezeugt. Diese Frauengeschichten sind so legendär wie sein Ruf als Förderer Sachsens und als Lebemann, der pompöse Feste liebte. "Für das Land und die Residenzstadt Dresden war er sehr bedeutsam." Doch August der Starke hat nicht nur gefeiert, ab und an hat er auch Kriege geführt. Die hat er jedoch allesamt verloren. "Bei großen Festen hat er bis zu sieben Flaschen Tokajer-Wein an einem Abend getrunken. Das ist übrigens auch ein Grund, warum er in den Kriegen immer der Verlierer war." Immerhin seien sie die Lustigsten auf dem Schlachtfeld gewesen, schiebt Urban lächelnd hinterher.

Für eine Eroberung, die der polnischen Königskrone, brauchte August allerdings keinen Krieg, es reichte eine List. 1697 ernannte ihn der polnische Adel zu seinem König. Dafür wurde er kurzerhand Katholik, gab Unsummen für die Bestechung von Diplomaten aus und brachte so sein eigenes Volk gegen sich auf. Die Sachsen sind seit jeher Protestanten und sahen den Glaubenswandel ihres Landesfürsten mit Argwohn. Einen Vorteil hatte die Geschichte auch für sie am Ende allerdings: Sie brachte den Sachsen die Religionsfreiheit, die August der Starke nun auch seinem Volk gewähren musste.

Autor: Ronny Arnold

Redaktion: Cornelia Rabitz