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Der Preis der billigen Hemden

Dirk Kaufmann (dap/afp/epd)13. März 2015

Wer ein Hemd für fünf Euro kauft, spart auf Kosten der Arbeiter, die sein Hemd nähen. Der Textildiscounter KiK etwa lässt in Pakistan fertigen und senkt so die Preise. Das könnte ihn noch teuer zu stehen kommen.

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Pakistan Karachi Textilfabrik Brand Feuer
Bild: picture-alliance/dpa

Die erste KiK-Filialen wurde 1994 in Düsseldorf eröffnet. Seitdem hat das Unternehmen ein stürmisches Wachstum erlebt. 2013 erzielte KiK mit mehr als 22.000 Mitarbeitern einen Umsatz von knapp 1,6 Milliarden Euro. Mit rund 2600 Filialen ist KiK der größte Textildiscounter Deutschlands. Außerdem betreibt das zur Tengelmann-Gruppe gehörende Unternehmen nach eigenen Angaben noch rund 600 Geschäfte in anderen Ländern Europas.

KiK Filiale Berlin Pakistan Textilien Fabrik Feuer
"Jeder kann sich für unter 30 Euro komplett einkleiden."Bild: picture-alliance/dpa

Das Unternehmen setzt konsequent auf preiswerte Textilien: "Jeder Kunde kann sich von der Socke bis zur Mütze für unter 30 Euro komplett einkleiden." Möglich sei das durch die konsequente Anwendung der Discount-Prinzipien: Die Konzentration auf Basic-Artikel, die keine aufwendige Produktion verlangen, sowie große Einkaufsmengen und die Ausschaltung jeglichen Zwischenhandels, erklärt der Billiganbieter

Die Senkung der Produktionskosten ist ein wesentlicher Faktor bei der Preisgestaltung. Deshalb lässt KiK in Ländern wie Pakistan nähen, dort sind die Löhne niedrig. Längere Arbeitszeiten, kürzere Pausen und deutlich geringere Ansprüche der Belegschaft durch eine Sozialgesetzgebung wie etwa in Deutschland senken die Lohnkosten. Auch die geringeren Kosten für die Produktionsanlagen und in der Regel recht laxe Sicherheitsbestimmungen für Industriebetriebe machen Billiglohnländer für Produzenten wie KiK interessant. In einem speziellen Fall aber könnten die Herstellungskosten nachträglich in die Höhe schießen und das Geschäftsmodell von Textil-Discountern insgesamt in Frage stellen:

Der Brand in Karachi soll ein Nachspiel in Dortmund haben

September 2012, eine Textilfabrik der Firma Ali Enterprises im pakistanischen Karachi: Feuer und Rauch, vergitterte Fenster, versperrte und verschlossene Notausgänge: Mehr als 250 Menschen sterben, 55 werden verletzt. Als Hauptauftraggeber von Ali Enterprises gilt der deutsche Textildiscounter KiK mit Sitz im westfälischen Bönen. Am diesem Freitag, fast zweieinhalb Jahre nach dem verheerenden Brand ist KiK beim Landgericht in Dortmund auf Schmerzensgeld verklagt worden.

Pakistan: Fast 300 Menschen sterben bei Fabrikbrand

Die Kläger, ein Überlebender und drei Angehörige von Opfern, darunter eine Witwe, die ihren Sohn verlor, verlangen je 30.000 Euro Schadensersatz. Sie werden in dem Verfahren von der Hilfsorganisation Medico International und dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR) beraten und finanziell unterstützt.

Schmerzensgeld statt "Almosen"

Den zwei Organisationen zufolge fordern die Kläger aber nicht nur ein Schmerzensgeld. Ihre Klage sei auch "ein Signal gegen die Politik der Straflosigkeit" global tätiger Unternehmen, erklärte Medico-Südostasienkoordinator Thomas Seibert. Sie seien für Arbeitsbedingungen bei Zulieferern verantwortlich. Kik habe den Opfern bisher lediglich "Almosen" angeboten. Außerdem verschleppe KiK Verhandlungen über eine langfristige Entschädigung.

KiK hat, eigenen Angaben zufolge, sofort nach dem Brand eine Million US-Dollar zur Verfügung gestellt und ist bereit, auch weitere Summen zu bezahlen: "Ungeachtet der juristischen Ermittlungen und einer Ursachenermittlung im Fall der Brandkatastrophe halten wir an unserem Angebot fest, weitere Hilfszahlungen an die Opfer und Hinterbliebenen zu leisten", sagte eine Unternehmenssprecherin dem Evangelischen Pressedienst.

Ein Hauptziel der Kläger, so die Organisation medico, sei, dass ein Gericht die Verantwortlichkeit für eklatante Mängel im Brandschutz feststelle, damit sich solche Unglücke nicht wiederholen. KiK erwidert, man fühle zwar eine "moralische Verantwortung", weil in der Fabrik zum Zeitpunkt des Unglücks Kleidung für KiK produziert worden sei. "Eine ursächliche Mitverantwortung für die Brandkatastrophe" weist das Unternehmen aber von sich. Seiner Ansicht nach sei das Feuer durch Brandstiftung ausgelöst worden: "Wir begrüßen es grundsätzlich, wenn dieser hochkomplexe Sachverhalt von einer objektiven Instanz faktenbasiert beleuchtet und aufgeklärt wird."

Textilbündnis ohne Partner

Sollte das Dortmunder Landgericht die Klage annehmen, wäre dies nach Auskunft des Deutschen Instituts für Menschenrechte das erste zivilrechtliche Verfahren dieser Art in Deutschland. Damit könnte der Fall auch Signalwirkung für andere Firmen haben, die ihre Produkte in Billiglohnländern herstellen lassen. In dem Fall müssten auch andere deutsche Firmen mit Klagen rechnen, wenn in den Fabriken ihrer Lieferanten Menschen sterben.

In der Klageschrift, die beim Landgericht Dortmund eingegangen ist, heißt es, KiK sei für die "katastrophalen Brandschutzvorkehrungen" in dem Fabrikgebäude mitverantwortlich. Unter anderem hätte Vertretern von KiK, die das Gebäude besucht hätten, auffallen müssen, dass dort Notausgänge fehlten und zahlreiche Fenster mit Eisen vergittert gewesen seien.

Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hatte unter dem Eindruck mehrerer Brandkatastrophen in asiatischen Textilfabriken 2014 ein "Textilbündnis" für Mindeststandards bei ausländischen Lieferanten deutscher Textilhersteller ins Leben gerufen. Diesem Bündnis haben sich die meisten großen Hersteller bislang nicht angeschlossen.