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Der neueste Schrei ist MIST

Rolf Wenkel30. August 2012

Ein Jahrzehnt galten die BRIC-Länder Brasilien, Russland, Indien und China als Erfolgsstory - doch die Euphorie ist verflogen. Die neuen Hoffnungsträger sind MIST: Mexiko, Indonesien, Südkorea und die Türkei.

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Yangshan Tiefseehafen in Shanghai, China (Foto: dapd)
Bild: ddp images

Wer komplexe Inhalte und Botschaften über griffige Schlagzeilen transportieren will, ist gut beraten, sich einprägsame und leicht kommunizierbare Abkürzungen auszudenken. Vor elf Jahren gelang Jim O'Neill, einem Anlagestrategen bei Goldman Sachs, dieses Kunststück. Er prägte den Begriff BRIC, den Fondsmanager und Anlageberater dankbar aufgriffen, um ihren Kunden frisches Geld für Investitionen in diesen Ländern mit den traumhaften Wachstumsraten zu entlocken.

Die Rechnung ging auch auf, schließlich haben diese vier Emerging Markets in den letzten zehn Jahren gut zur Hälfte zum Wachstum der Weltwirtschaft beigetragen. Doch nun schwächeln diese ehemaligen Wirtschaftswunderländer. Brasilien leidet unter seiner starken Währung, Russland steckt in einem Reformstau, Indien versinkt im Korruptionssumpf, und Chinas Wachstum reicht nicht mehr aus, um neue Jobs zu schaffen.

BRIC-Story hat an Reiz verloren

(L-R) Brazil's President Dilma Rousseff, Russian President Dmitry Medvedev, India's Prime Minister Manmohan Singh, Chinese President Hu Jintao and South Africa's President Jacob Zuma pose for a photograph during the BRICS summit in New Delhi March 29, 2012. (Foto: rtr)
BRICS Gipfel in Neu Delhi: Der Motor stottertBild: Reuters

Finanzexperten haben deshalb ihren Glauben an die BRIC-Story verloren - jetzt sollen es die Länder aus der zweiten Reihe richten. "Mit bestimmten Ländern verbindet sich ein Hype", konstatiert Rolf Langhammer, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft im Gespräch mit DW. "Man glaubt, diese Länder sind die nächste Wachstumsmaschine, wenn die erste Maschine, die OECD-Staaten, und die zweite Maschine, die BRIC-Staaten, anfangen zu stottern."

Neues Spiel, neues Glück, neue Zukunftsmärkte - da müssen auch neue, griffige Abkürzungen her. Goldman Sachs-Stratege Jim O'Neill spricht von den "next eleven", den nächsten elf Emerging Markets; das Magazin "Economist" hat CIVETS erfunden, das steht für Kolumbien, Indonesien, Vietnam, Ägypten, die Türkei und Südafrika; die Fondsgesellschaft Fidelity hat MINT aus der Taufe gehoben, was für Mexiko, Indonesien, Nigeria und die Türkei steht; und die Agentur Bloomberg hat das Kürzel MIST erfunden - gemeint sind Mexiko, Indonesien, Südkorea und die Türkei.

Jetzt kommt die nächste Generation

"In den so genannten 'next eleven', das sind die Länder, die etwa für sich jeweils 1,5 Prozent des Welt-Bruttoinlandsprodukts auf sich vereinen, haben wir hohe Wachstumsraten", sagt Rolf Langhammer. "Aber die meisten haben noch einen langen Weg vor sich, um sich in die Weltwirtschaft zu integrieren. Sie haben Potenzial, sind aber sehr heterogen."

Heterogen - das gilt vor allem für die neueste Kreation der Anlagestrategen namens MIST. Mexiko wächst in Lateinamerika inzwischen stärker als Brasilen, ist aber stark von der Konjunktur in den USA abhängig. Indonesien hat zwar Rohstoffe und eine junge Bevölkerung, aber das politische System wird als fragil eingestuft. Südkorea ist im Grunde kein Schwellenland mehr, die Bevölkerung altert, die Wachstumsraten nehmen ab. Und in der Türkei wächst die Wirtschaft zwar stark, aber sie ist in großen Teilen von ausländischen Investitionen abhängig - und die können schnell ausbleiben, wenn die Weltwirtschaft kriselt.

Mit größeren Risiken

"Das sind schon interessante Investitionsstandorte", urteilt der Kieler Wirtschaftswissenschaftler, "aber doch mit einem gehörigen Maß an Volatilität, an Unsicherheit, und auch mit Risiko behaftet." Experten wie Langhammer sind deshalb misstrauisch gegenüber den neuesten Wortschöpfungen. Sie sehen in der zweiten Reihe der Schwellenländer zwar Potenzial, aber auch deutlich größere Risiken.

MIST ist zwar nicht unbedingt Mist - aber dass diese Länder eine ähnliche Entwicklung hinlegen wie ihre großen Vorbilder, die BRIC-Staaten, ist eher unwahrscheinlich. "Sie sind vor allen Dingen mit den BRIC-Staaten sehr eng verknüpft. Indonesien beispielsweise ist ein wichtiger Rohstoff-Exporteur für China. Wenn sich Chinas Wachstum verlangsamt, dann werden auch die Rohstoff-Bäume Indonesiens nicht in den Himmel wachsen", so Langhammer.

Viele Volkswirtschaften, gerade im asiatischen Raum, sind über Kapitalverkehr und Handel sehr eng miteinander verflochten, sagt Langhammer. "Geht es also den asiatischen BRICs nicht mehr gut, dann wird es auch in der nachfolgenden Generation von Schwellenländern nicht mehr so gut laufen."