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Litauen übernimmt EU-Vorsitz

Monika Griebeler1. Juli 2013

Ab 1. Juli lenkt Litauen die Geschicke der Europäischen Union: Erstmals übernimmt das kleine baltische Land die EU-Ratspräsidentschaft - dort warten riesige Aufgaben. Wie ist Litauen dafür gewappnet?

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Blick auf die Hochhäuser von Vilnius (Foto: Imago / Jochen Tack)
Bild: imago stock&people

Bevor Eglė Merkytė 2011 nach Brüssel kam, herrschte das große Nichts. "Damals war Litauen das einzige Land in Europa, das keinen Journalisten bei der EU akkreditiert hatte. Selbst andere Länder, die noch stärker von der Krise getroffen waren, hatten einen. Nur wir nicht", erzählt die 27-jährige Fernsehjournalistin.

Zeitungen und Sender hatten kein Geld und das Thema EU gilt in Litauen ohnehin nur als schwer vermittelbar. "Viele Leute glauben immer noch, dass die EU sie nichts angeht. Wir sind noch weit davon entfernt, sie als unsere Organisation anzusehen."

Jetzt aber soll das anders werden: Zwei weitere Journalisten sind aus Vilnius angerückt, mit - so heißt es - teils finanzieller Unterstützung der litauischen Regierung. Denn zum 1. Juli übernimmt Litauen die EU-Ratspräsidentschaft. Sechs Monate lang lenkt das Land die Geschicke der Europäischen Union. Und das zum ersten Mal.

Feuerprobe für Litauen

Es ist eine große Aufgabe für ein kleines Land: Litauen hat seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion ein Fünftel seiner Bevölkerung verloren. Nur rund drei Millionen Menschen leben noch hier - weniger als in der deutschen Hauptstadt Berlin. Erst seit zehn Jahren ist Litauen Mitglied in der EU, wenn auch nicht der Eurozone - bezahlt noch immer mit Litas. Litauen übernimmt die Ratspräsidentschaft von Irland, das als geschickter Vermittler gilt - und nach seiner siebten Amtszeit als bewährter Ratspräsident.

Ein alter Mann sitzt auf dem Marktplatz in Vilnius, Litauen, während junge Frauen an ihm vorbeilaufen (Foto: Monika Griebeler)
Die Jungen gehen, die Alten bleiben - seit 1990 schrumpft Litauens EinwohnerzahlBild: DW/M.Griebeler

Skeptiker wie der Politikwissenschaftler Ramūnas Vilpišauskas fürchten daher, dass Litauen sich bei komplexen Verhandlungen schwer tun könnte: "Um als Präsident erfolgreich zu sein, von den anderen als glaubwürdig wahrgenommen zu werden, braucht ein Land Erfolgsgeschichten - vor allem in den Bereichen, die es als Topthemen festgelegt hat", sagt der Direktor des Instituts für Politikwissenschaften an der Universität Vilnius im DW-Gespräch.

Das Problem mit der Ukraine

Schwerpunkte will Litauen bei den Themen Energie, der Entwicklung des Ostseeraumes sowie bei der Kontrolle der EU-Außengrenzen setzen. Außerdem drängt Litauen auf eine engere Zusammenarbeit der Europäischen Union mit ihren östlichen Nachbarn wie der Ukraine, Georgien, Armenien und langfristig auch Weißrussland. Ende November lädt die litauische Regierung diese zum Gipfeltreffen der sogenannten Östlichen Partnerschaft nach Vilnius. Ein Erfolg wäre, wenn hier ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine unterzeichnet würde.

Menschen schauen zu, wie das offizielle Logo der litauischen Ratspräsidentschaft als Drache in den Himmel fliegt (Foto: PETRAS MALUKAS/AFP/Getty Images)
Aufschwung: Das Logo der Ratspräsidentschaft zeigt die baltischen FarbenBild: Petras Malukas/AFP/Getty Images

Doch noch scheint das eher unwahrscheinlich - zu schwierig ist die politische Lage dort. Die EU kritisiert vor allem die "selektive Justiz" wie im Fall der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. "Unser Erfolg hängt sehr von der Situation in den Ländern ab und ihren Führern: Leiten sie Reformen ein oder nicht?", so Vilpišauskas. "Litauens Möglichkeiten, hier etwas grundlegend zu beeinflussen, sind sehr begrenzt."

Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaitė ist überzeugte Europäerin - gerade erhielt sie für ihre Arbeit den Karlspreis - und setzt auf die Wirkung der Diplomatie: "Wenn Europa diese Länder nicht überzeugt, mehr für die Demokratie und Menschenrechte zu tun, dann werden diese Länder nichts unternehmen. Wir müssen sie drängen. Wir müssen ihnen helfen", sagt sie im Gespräch mit der Deutschen Welle. Europa dürfe diese Länder nicht aus dem Blick verlieren, auch wenn dies viel Geduld verlange.

Denkmal am geografischen Mittelpunkt Europas in Litauen, 25 Kilometer nördlich von Vilnius (Copyright: cc-by-sa-3.0/Wojsyl 2005)
Geografisch längst mittendrin: "Europos centras", der Mittelpunkt Europas - 25 Kilometer nördlich von VilniusBild: cc-by-sa-3.0/Wojsyl

Vor der Kür: die Pflicht

In anderen Bereichen ist Eile angesagt - vieles blieb aus vorangegangenen Präsidentschaften liegen. "Etwa 85 Prozent der Agenda für die Präsidentschaft sind von unseren Vorgängern geerbt", so Grybauskaitė. Die Finanzkrise und der Ausbau der Bankenunion zum Beispiel. Allein für das EU-Budget 2014-2020 müssen etwa 70 unterschiedliche Gesetze verabschiedet werden.

Dabei muss auch das neueste EU-Mitglied, Kroatien, in den Prozess einbezogen werden. Und im Mai 2014 steht schon die Europawahl zum Europäischen Parlament an. Litauens Präsidentschaft fällt damit in eine "Zeit der besonders harten Arbeit im Rat und im Europäischen Parlament", so Kommissionspräsident José Manuel Barroso.

Gut gewappnet in die Präsidentschaft

Der litauischen Regierung sind die Herausforderungen bewusst. Minutiös hat sie sich darauf vorbereitet: Das politische Personal in Brüssel wurde verdreifacht. "Inzwischen sind rund 200 Leute dort - nicht nur Diplomaten, sondern auch Sondergesandte, die sich mit den unterschiedlichsten Themen auskennen", erklärt Vytautas Leskevicius, der stellvertretende litauische Außenminister.

Schon vor Monaten ging die Webseite zur Ratspräsidentschaft online. Präsidentin Grybauskaite unterzog die im vorigen Jahr neu gewählte Regierung persönlich einem Sprachtest: Es sei extrem unprofessionell, nach Brüssel zu gehen und nicht einmal eine der Arbeitssprachen wie Englisch, Französisch oder Deutsch zu können.

Die litauische Journalistin Egle Merkyte im Pressezentrum des Europäischen Rates in Brüssel (Foto: Egle Merkyte)
Arbeitet aus Brüssel für den litauischen Staatsrundfunk LRT: Eglė Merkytė

Litauen will politisch überzeugen, nach außen, wie nach innen. Das zu vermitteln ist auch der Auftrag von Eglė Merkytė und ihren zwei Korrespondentenkollegen. Ein Auftrag jedoch mit Grenzen: "Mein Vertrag ist befristet bis kurz nach Ende der Präsidentschaft", sagt sie. Dabei habe Litauens Mitgliedschaft in der EU doch nicht mit der Ratspräsidentschaft begonnen. "Und sie endet auch nicht damit."