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Wahlsieg greifbar

Bernd Riegert26. Februar 2013

Nach ersten Umfragen wird die Mitte-Links-Liste stärkste Kraft im Abgeordnetenhaus. Somit könnte Bersani Regierungschef werden. Der ehemalige Kommunist verabscheut große Auftritte und liebt es schlicht.

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Pierluigi Bersani Foto: Reuters
Bild: Reuters

Im italienischen Wahlkampf ging es sehr persönlich zu. In einer Fernsehsendung sagte der 61-jährige Pier Luigi Bersani, er stehe zu seiner Glatze, die noch von einem schwarzen Haarkranz eingerahmt wird. Sprach's und deutete auf die Platte. Das unterscheidet ihn fundamental von seinem Hauptwidersacher, Silvio Berlusconi, der aus seinen Liftings der Augenpartie und den Haarimplantaten auf dem einst schütteren Haupt keinen Hehl macht. Im Gegenteil: Der 76-Jährige kokettiert mit seinem Alter und seinen Verjüngungsversuchen. "Früher sah ich jünger aus. Wer hat die Spiegel abgehängt, die das gezeigt haben?", scherzte der Charmeur im Wahlkampf. Das würde Pier Luigi Bersani nie über die Lippen kommen. Im Wahlkampf sagte er, mit Zaubertricks und "blöden Sprüchen" würde man Italiens Wirtschaftskrise nicht bekämpfen können.

Im Unterschied zu Berlusconi will Bersani den Reformkurs der abgetretenen Technokraten-Regierung weiterführen, aber an entscheidenden Stellen wie der Arbeitsrechtsreform abmildern. "Italien darf nicht kaputt gespart werden." Bersanis Vorbild bei der Euro-Rettung ist der französische Staatspräsident Francois Hollande. Der kam vergangenes Jahr an die Macht, ist ebenfalls Sozialist. Er wäre auf europäischer Ebene ein natürlicher Verbündeter für Bersani. Der Widerstand gegen den als streng empfundenen Sparkurs der deutschen Bundesregierung würde wachsen.

Pier Luigi Bersani bei einem Wahlkampfauftritt in Florenz Foto: Getty Images
Ärmel hoch, aber wenig mitreißend: Funktionär Bersani im WahlkampfBild: ANDREAS SOLARO/AFP/Getty Images

Vom Kommunisten zum Sozialdemokraten

Der Sohn eines Tankwarts aus einem kleinen Dorf bei Piacenza in Norditalien tritt bescheiden, ja fast leise auf. Staatsmännisch betont er, ihm ginge es zuerst um Italien, dann um seine sozialdemokratische Partei und ganz am Ende um Personalpolitik und Persönliches. Wenn sich jemand über Kleinbürger mokiert, dann wird Bersani allerdings sauer. Sein Kontrahent Silvio Berlusconi hatte einer Arbeitslosen in der Fernsehsendung geraten, doch einfach einen Milliardär wie ihn oder seinen Sohn zu heiraten. Das sollte wohl heißen: Den Linken und dem kleinen Sohn eines Tankwarts nachzulaufen, lohnt sich nicht. Pier Luigi Bersani giftete zurück, nicht jeder könne einen Milliardär ehelichen. Er sei stolz auf seine Herkunft.

Bis 1991 war der studierte Lehrer Bersani hauptamtlicher Funktionär der kommunistischen Partei Italiens. Nach dem Mauerfall und dem Ende der Sowjetunion kam der rasche politische Wandel. Die italienischen Kommunisten wurden zu Sozialisten und später zu einer eher bürgerlich orientierten sozialdemokratischen Partei. Der Funktionär Bersani passte sich an und machte weiter Karriere. Er gewann die Regionalwahlen im norditalienischen Bundesland Emilia Romagna und wurde Mitte der 1990er Jahre Chef der Landesregierung. Den stramm linken Kurs ließ er hinter sich und wurde in einer Mitglieder-Urwahl zum Vorsitzenden der mehrfach umbenannten "Demokratischen Partei" gewählt. Bersani betont stets seine enge Bindung an die Gewerkschaften. Unter dem letzten sozialistischen Ministerpräsidenten Romano Prodi wurde Bersani 2006 Minister für wirtschaftliche Entwicklung. Damals leitete er erste Reformen ein, um die verkrustete italienische Wirtschaft zu deregulieren. Auf diesen Erfahrungen wolle er jetzt aufbauen, kündigte Bersani an.

Ohne die anderen geht es nicht

Der Parteichef zeigte sich für eine Koalition mit der bürgerlichen Liste des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Mario Monti offen. Monti allerdings will nicht mit der Linkspartei, den Alt-Kommunisten, zusammenarbeiten, die ebenfalls zu Bersanis Mitte-Links-Bündnis gehören. Eine Koalition mit dem anarchistischen Beppe Grillo oder mit Silvio Berlusconi lehnte Bersani vor der Wahl ab. Viele Italiener empfinden Pier Luigi Bersani als etwas zu farblos. "Er existiert eigentlich nur als Gegenentwurf zu Berlusconi", so ein Wähler in Rom.

Auch im Privaten unterscheiden sich Bersani und Berlusconi. Der eine ist schon über 30 Jahre lang mit ein und derselben Frau verheiratet, während der andere einen Scheidungskrieg hinter sich hat und mit seinem ausschweifenden Privatleben für Schlagzeilen sorgt. Pier Luigi Bersanis knappe Auskunft zu seinem Privatleben in einem der unzähligen Fernsehinterviews im Wahlkampf: "Für Mätzchen und Kabarett habe ich keine Zeit." Das signalisiert er auch nicht selten bildlich: Bei öffentlichen Auftritten legt Bersani gerne schon mal Jackett und Krawatte ab und krempelt die Ärmel hoch, als wolle er zupackende Arbeitsbereitschaft demonstrieren.

Familiefoto Bersanis Foto: Reuters
Familienmensch: Bersani mit Frau Daniela (re.) und Töchtern Elisa und Margherita (2. v. re.) auf dem Weg zur StimmabgabeBild: Reuters