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Schatten der Diktatur

Marc Koch, Buenos Aires15. März 2013

Menschenrechtsaktivisten werfen dem neuen Papst Franziskus vor, zu wenig Distanz zur argentinischen Militärdiktatur der 1970er Jahre gehabt zu haben. Schlüssige Beweise haben sie aber nicht.

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Franziskus als junger Mann (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Nicht alle Argentinier sind begeistert vom neuen Papst: Dass Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner dem ehemaligen Erzbischof von Buenos Aires leicht verspätet und deutlich unterkühlt zur Wahl gratulierte, war zu erwarten: Die zum Populismus neigende Präsidentin und der konservative Kirchenmann waren noch nie politische Freunde - und daran wird sich auch in Zukunft kaum etwas ändern.

Andere dagegen haben nicht nur ein distanziertes Verhältnis zu Papst Franziskus - sie halten seine Wahl schlicht für falsch: "Wir dachten zuerst, dass sei ein Scherz. Für uns ist das nicht gut", sagt Graciela Lois von der Organisation "Angehörige von aus politischen Gründen Verhafteten und Verschwundenen". Graciela Lois und andere argentinische Menschenrechtsaktivisten unterstellen Franziskus eine zu große Nähe zur Militärdiktatur der 1970er Jahre. Damals war Jorge Mario Bergoglio Chef des argentinischen Jesuitenordens.

Präsidentin Fernándes de Kirchner und Jorge Mario Bergoglio (Foto: Reuters)
Keine Freunde: Cristina Fernández de Kirchner und Jorge Mario Bergoglio 2008Bild: Reuters

Schwere Vorwürfe

Er soll von Entführungen und Misshandlungen von Regimegegnern gewusst haben. Carlos Pisoni von der Vereinigung HIJOS, die bis heute nach verschwundenen Opfern der Diktatur sucht, behauptet: "Es gibt ausreichend Beweise dafür, dass Bergoglio eine aktive Rolle während der letzten Militärdiktatur gespielt hat. Man nimmt an, dass er Daten an die Militärs weitergegeben und nicht das Nötige zur Aufklärung bestimmter Fälle beigetragen hat."

Dabei geht es vor allem um die Entführung von zwei Jesuitenpriestern, die 1976 in das Folterzentrum ESMA verschleppt und misshandelt wurden. Als sie nach fünf Monaten freigelassen wurden, behaupteten sie, Bergoglio habe sie denunziert. "Er hat seine Verantwortung als oberster Jesuit nicht wahrgenommen und die beiden nicht ausreichend beschützt", sagt die Aktivistin Graciela Lois. Ein argentinischer Menschenrechtsanwalt hatte Bergoglio deswegen 2005 angezeigt - wenige Tage vor der Papstwahl, die der Erzbischof von Buenos Aires damals gegen den deutschen Kardinal Joseph Ratzinger verlor. In einem zweiten Fall geht es um eine junge Frau, die während der Diktatur verschwunden ist: Ihr Bruder soll sich an Bergoglio gewandt und ihn um Hilfe gebeten haben - vergeblich.

Papst Franziskus grüßt die Gläubigen auf dem Petersplatz (Foto: Getty Images)
13.03.2013: Bergoglio grüßt die Gläubigen nach seiner Wahl zum PapstBild: Getty Images/L'Osservatore Romano

Keine Beweise und prominente Verteidiger

Beide Fälle kamen vor Gericht, Bergoglio musste als Zeuge aussagen: Der Bischof bestritt die Vorwürfe und versicherte, sich sogar persönlich mit Diktator Jorge Rafael Videla getroffen und um die Freilassung der beiden Priester gebeten zu haben. Auch in seiner Autobiographie weist der Theologe alle Anschuldigungen zurück. Schlüssige Beweise für eine mögliche Schuld Bergoglios haben seine Kritiker bisher nicht vorlegen können. Von der Justiz angeklagt wurde er nie.

Nicht wenige vermuten hinter den Behauptungen eine politische Kampagne gegen den konservativen Theologen. Seine Verteidiger erklären sogar, er habe Regimegegner versteckt und ihnen auch zur Flucht ins Ausland verholfen. Und der neu gewählte Papst hat einen prominenten, nicht nur in Argentinien hochgeachteten, Fürsprecher: Der Bildhauer Adolfo Pérez Esquivel, der 1980 für sein Engagement für die Menschenrechte mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde, versichert, dass Franziskus nicht mit der Diktatur paktiert habe: "Er hatte dazu keinerlei Verbindungen", sagt Esquivel. "Es gab Bischöfe, die Komplizen waren. Aber Bergoglio definitiv nicht."