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Energiewende am Golf?

Irene Quaile4. April 2013

Die Golfländer verdanken ihren Wohlstand dem Öl- und Gasexport. Der Klimawandel könnte das verändern. Im Interview erklärt Autorin Mari Luomi, warum sie die Golfmonarchien an den Grenzen ihrer Nachhaltigkeit sieht.

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Mari Luomi, Research Associate at the School of Foreign Service of Georgetown University in Qatar. Autorin des Buches: The Culf Monarchies and Climate Change. Abu Dhabi and Qatar in an Era of Natural Unsustainability. Das Foto wurde uns von der Autorin zur Verfügung gestellt.
Katar Universität Mari Luomi UmweltBild: privat

DW: Was meinen Sie mit den Grenzen der Nachhaltigkeit?

Mari Luomi: Der Verbrauch von Ressourcen und der Schutz der Umwelt sind aus dem Gleichgewicht geraten. Die Staaten spüren allmählich die negativen Auswirkungen ihres unkontrollierten Wachstums während des vergangenen Jahrzehnts: Es wurde zu viel Grundwasser hoch gepumpt, Boden und Wasser wurden verschmutzt. Die Überweidung reduziert die biologische Vielfalt und die Luftverschmutzung durch Bauarbeiten, Verkehr und durch die Industrie hat zugenommen.

Die heutigen Gesellschaftsformen in den Golfländern basieren Ihrer Meinung nach auf einer sogenannten "natürlichen Unnachhaltigkeit". Wie erklären Sie das?

Das ist auf die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zurückzuführen - alles basiert dort auf den Öl- und Gas-Vorräten: die nationale Energiesicherheit, die Wirtschaft, der soziale Wohlstand und die politische Stabilität. Kurzfristige wirtschaftliche Gewinne und das soziale Gleichgewicht stehen hier im Vordergrund - die Umwelt muss immer zurückstecken: Energie und Wasser werden großzügig verschwendet, es gibt keinen Preismechanismus, um den Verbrauch einzudämmen und auch kein Bewusstsein für diese Thematik.

Wie sehen Sie den Zusammenhang mit dem politischen System?

In Katar zum Beispiel, oder in den anderen Golfmonarchien, beruhen die Strukturen des Sozialstaats und die politische Stabilität auf Öl und Gas: So gesehen profitieren die Bürger von den Exporteinnahmen in Form von speziellen Zuschüssen, Sozialleistungen oder Gehältern für Staatsbedienstete. Subventionierte Energie und Wasser gehören mit zur "Vereinbarung" zwischen Volk und Regierung, da sie für die weitere industrielle Entwicklung notwendig sind.

Wie ist der Zusammenhang zwischen dem "Arabischen Frühling" und der Energie- oder Klimapolitik der Region?

In Katar hat es so gut wie keinen "Arabischen Frühling" gegeben. Nach dem Anfang der Bewegung in der Region 2011 haben Abu Dhabi und die anderen Vereinigten Emirate eine Anzahl an Infrastruktur- und anderen öffentlichen Projekten in den ärmeren nördlichen Emiraten bekannt gegeben. Um das Ganze etwas breiter zu sehen: Anfängliche Bemühungen, die Energiepreise zu ändern, werden voraussichtlich länger auf sich warten lassen, da das Gespür für Forderungen aus der Bevölkerung geschärft wurde.

Wie kommt es, dass sich Ihre Fallbeispiele, Katar und das Emirat Abu Dhabi, zunehmend als "grün" vermarkten wollen?

Diese Staaten haben kleine nationale Bevölkerungen und durch den Öl- und Gasexport ein hohes Pro-Kopf-Einkommen. Damit haben sie mehr Mittel übrig für die wirtschaftliche Veränderung, die öffentliche Diplomatie und Imagepflege.

Welche Rolle spielt die internationale Klimadebatte?

Die Golfstaaten präsentieren sich gerne auf zwei Weisen als anfällig für den Klimawandel: Zum einen sind sie heiß, trocken, und niedrig gelegen. Zum anderen sind sie sehr stark vom Verkauf von Öl und Gas abhängig. Das heißt, Maßnahmen, um den Klimawandel einzudämmen - beispielsweise eine Abkehr von fossilen Brennstoffen - könnten sich negativ auf ihre Wirtschaft auswirken. Diese Darstellung wird bei den internationalen Klimaverhandlungen, wo die reichen Golfländer lange als Bremser galten, meistens sehr gegensätzlich diskutiert. Das hat vor allem damit zu tun, dass die Ölexporteure wesentlich wohlhabender sind als die meisten anderen "Entwicklungsländer". Sie haben aber schon Grund zur Besorgnis. Denn auch wenn ihre Ölvorräte für ein weiteres Jahrhundert ausreichen würden - es ist möglich, dass die internationale Nachfrage früher zurückgeht.

Die Golfmonarchien wären zurzeit reich genug, um sich an gemäßigte Preisentwicklungen anzupassen. Sie haben aber noch einen weiten Weg vor sich, wenn es um den Aufbau von neuen institutionellen und sozialen Strukturen geht - wenn der Fokus der Industrie dann künftig einmal nicht mehr auf dem Öl- und Gasexport liegt.

Könnten erneuerbare Energien letztendlich die Region mit einem sicheren Einkommen versorgen?

Ja, aber wie schnell das kommen wird und wie die Golfregion dann aussehen wird kann niemand vorhersagen. Die Zukunft der Region liegt in der Sonnenenergie. Leider sind die meisten Staaten noch durch den gefährlichen Komfort und den mühelosen Gewinn geblendet, die die Öl- und Gaswirtschaft mit sich bringt.

Wenn die Golfmonarchien weiter bestehen wollen, müssen sie ihre Wirtschaften umstellen, den Wohlstand ihrer Bürger weiterhin garantieren, die Wissensgesellschaft aufbauen und zu CO2-armen Gesellschaften werden. Man kann auf jeden Fall sagen, dass die globale Energiewende, die uns bevorsteht, die Region tiefgründig verändern wird.

Das Buch von Mari Luomi mit dem Titel "The Gulf Monarchies and Climate Change. Abu Dhabi and Qatar in an Era of Natural Unsustainability" ist auf Englisch bei Hurst & Company in London erschienen.