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Der Geist von Occupy

Helle Jeppesen17. September 2012

Vor einem Jahr startete die Occupy-Bewegungen ihre Proteste gegen eine ungerechte Welt. Mittlerweile ist es still um sie geworden. Der Soziologe Dieter Rucht sieht aber dennoch positive Effekte.

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Demonstrant mit Occupy-Maske (Foto:dapd)
Bild: dapd

Deutsche Welle: Gibt es diese Occupy- Bewegung überhaupt noch?

Dieter Rucht: Als eine deutlich sichtbare Bewegung gibt es sie zumindest in Deutschland nicht mehr. Es gibt nach wie vor allerdings Netzwerke von ehemaligen Aktivisten oder Möchtegern-Aktivisten für die Zukunft, die noch in Kontakt stehen und auch immer noch Dinge vorhaben, etwa Treffen, Auswertungen und der Gleichen.

Wenn Sie sagen Möchtegern-Aktivisten und Noch-Aktivisten, wer sind sie?

Das hat sich im Laufe der Zeit etwas verändert. Am Anfang waren das junge, gut gebildete, tatendurstige Leute, die nur zum Teil vorher politisch aktiv waren, zum Teil aber ganz neu durch eine gefühlte Empörung über mangelnde Zukunftsperspektiven eben tatendurstig zu Aktionen geschritten sind. Das hat sich dann später im Verlauf der Existenz dieser Camps über die Monate hinweg geändert, das heißt, ein Teil dieser Leute blieb nach wie vor dabei, aber es kamen dann auch andere Leute dazu, die gar nicht politisch waren, die im Grunde nur einen Freiraum suchten, eine Art Unterschlupf. Es war in Frankfurt auch so, dass Sinti und Roma-Familien sich da niedergelassen haben. Es gab auch Penner oder Politspinner, die da eingesickert sind und das hat dann auch das Leben in den Camps schwer gemacht.

Dieter Rucht (Foto: Kai Horstmann)
Professor Dieter Rucht: Occupy ist gescheitert, aber nicht in jeder HinsichtBild: Kai Horstmann

Wenn wir heute auf die Welt schauen, trotz der Proteste bleiben die großen Probleme: die Jugendarbeitslosigkeit ist zum Teil sehr hoch, die Banken müssen noch gerettet werden und das kostet etliche Milliarden, das ganze globale Wirtschaftssystem gibt es in unveränderter Form. Hat diese Bewegung total versagt?

Da habe ich ein gespaltenes Urteil. Sie hat sicherlich eine enorme öffentliche Aufmerksamkeit bewirkt. Die Themen wurden noch mal in den Medien präsentiert. Es wurde auch die Problemlage, die dahinter steht, zum Beispiel die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien, noch einmal allen deutlich gemacht; also sie hat die öffentliche Agenda sehr stark beeinflusst, diese Bewegung. Auf der anderen Seite hat sie eigentlich so gut wie keinen konkreten politischen Druck in Richtung Lösungen entfalten können. So gesehen war das unterm Strich ein Scheitern, aber das heißt nicht dass sie in jeder Hinsicht gescheitert ist.

Der Soziologe Dieter Rucht ist Professor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. 2005-2011 war er dort Ko-Leiter der Forschungsgruppe "Zivilgesellschaft, Citizenship und politische Mobilisierung in Europa".

Das Gespräch führte Helle Jeppesen.