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Gefangen in "Scheremetjewo"

Roman Goncharenko26. Juni 2013

Der flüchtige US-Geheimdienstler Edward Snowden sitzt in Moskau fest. Seine geplante Weiterreise nach Südamerika verzögert sich. Der Fall belastet zunehmend die ohnehin kühlen Beziehungen zwischen Russland und USA.

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TV-Bildschirm auf dem Moskauer Flughafen "Scheremetjewo" mit einem Foto Snowdens (Foto: dpa)
Bild: Reuters

Im Hollywood-Film "Terminal" lebt ein von Tom Hanks gespielter Passagier aus Osteuropa monatelang auf dem New Yorker Flughafen JFK. Der Grund: Sein Reisepass ist ungültig. Das gleiche Problem hat jetzt Edward Snowden. Die USA annullierten den Pass des ehemaligen Geheimdienstmitarbeiters, nachdem dieser die amerikanische Internetüberwachung enttarnt hatte. Snowden machte publik, dass der US-Geheimdienst NSA den digitalen Datenverkehr weitweit im großen Stil ausspioniert. Seitdem ist der 30-jährige Mann auf der Flucht. Er kam am Sonntag (23.06.2013) aus dem chinesischen Hongkong nach Moskau. Von dort wolle er weiter nach Kuba oder Ecuador fliegen, heißt es in internationalen Medien.   

Die Weiterreise nach Südamerika verzögert sich offenbar. Weil Snowden keinen gültigen Reisepass habe, könne er kein Ticket kaufen, berichtete die russische Nachrichtenagentur "Interfax" am Mittwoch (26.06.2013) mit Verweis auf eine anonyme Quelle aus der Umgebung Snowdens. Am Vortag sagte der russische Präsident Wladimir Putin, dass Snowden immer noch im Transitbereich des Flughafens "Scheremetjewo" nordwestlich von Moskau sei. Eine Bestätigung aus unabhängigen Quellen gibt es jedoch nicht. Wo genau sich der flüchtige US-Geheimdienstler aufhält, ist unklar.

Willkommener Fisch für russische Geheimdienste

Gerhard Mangott zweifelt an der Aussage Putins. "Meiner Vermutung nach befindet sich Snowden nicht im Transittrakt von 'Scheremetjewo'", sagt der Russland-Experte von der Universität Innsbruck in Österreich im DW-Gespräch.

Der ehemalige US-Geheimdienstler werde vermutlich von russischen Behörden an einem geheimen Ort verhört. "Diese Gelegenheit lassen sich die Russen nicht entgehen", meint Mangott. Putin hat solche Vermutungen dementiert.

Prof. Dr. Gerhard Mangott
Prof. Mangott glaubt, Snowden werde in Russland verhörtBild: Celia di Pauli

Auch Gerhard Simon, Osteuropa-Experte an der Universität Köln, ist skeptisch. "Ob Snowden tatsächlich in "Scheremetjewo" ist, wissen wir nicht", sagt Simon im Gespräch mit der DW. Snowden ist de facto ein Gefangener Russlands, denn er benötigt russische Hilfe, um weiter reisen zu können. Der ehemalige Mitarbeiter der US-Geheimdienste sei ein "Fisch, der überraschend zugeschwommen ist in das Netz russischer Geheimdienste", so Mangott von der Uni Innsbruck.

Der Experte glaubt überdies, dass Präsident Putin dabei durchaus eine "persönliche Genugtuung" verspüren dürfte. Erst vor wenigen Jahren sei in den USA ein russischer Spionage-Ring aufgeflogen. Nun habe Moskau die Gelegenheit, sich zu revanchieren, sagt Mangott.

Belastungsprobe für Verhältnis zu den USA

Die USA fordern Snowdens Auslieferung und drohen mit Konsequenzen. Russlands Präsident Putin sagte am Dienstag, eine Auslieferung sei nicht möglich. Es gebe weder ein Auslieferungsabkommen zwischen Moskau und Washington, noch habe Snowden in Russland ein Gesetz gebrochen, so Putin. Gerhard Simon von der Universität in Köln hält dieses Argument für "scheinheilig". Denn "internationale Haftbefehle gehen immer davon aus, dass ein anderes Land jemandem Verbrechen vorwirft, die aufgeklärt werden sollen", so der Experte.  

Der Fall Snowden belastet zunehmend die Beziehungen zwischen Russland und den USA, die sich seit Putins Rückkehr ins Präsidentenamt vor rund einem Jahr deutlich verschlechtert haben. Ob unterschiedliche Sichtweisen auf den Konflikt in Syrien oder der Streit um Pläne für einen NATO-Raketenschutzschirm in Europa, es weht ein kühler Wind zwischen Moskau und Washington. Ende 2012 kam es sogar zu einem Schlagabtausch auf gesetzlicher Ebene. Die USA verabschiedeten das sogenannte Magnitski-Gesetz. Es sieht Einreiseverbote für russische Beamte vor, die am Tod eines regierungskritischen russischen Anwalts in der Untersuchungshaft vor Jahren schuld sein sollen. Russland reagierte mit einem Kinderadoptionsvebot für US-Familien.

Wohl kein Asyl für Snowden in Russland

Nun könnten die USA weitere Gesetze verabschieden, die "ernste Konsequenzen für das bilaterale Verhältnis" haben, warnt Gerhard Mangott. Er verweist auf Äußerungen mancher US-Senatoren, die bereits eine harte Antwort auf Russlands Verhalten im Fall Snowden fordern. Um dies zu vermeiden, werde Moskau wohl den US-Geheimdienstler weiter ziehen lassen, vermutet Mangott.

Prof. Dr. Gerhard Simon
Gerhard Simon: Wohl kein Asyl für Snowden in RusslandBild: Gerhard Simon

Auch Gerhard Simon glaubt nicht, dass Snowden in Russland bleiben wird. Eine dauerhafte Belastung der Beziehungen mit den USA sei nicht im Interesse Moskaus. Simon erinnert dabei an frühere Spionagefälle zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion. "Der Rückblick zeigt, dass solche Spionagefälle auf längere Sicht die Beziehungen nicht wesentlich prägen."