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Der Deutsche und die Sauberkeit

Peter Zudeick14. Dezember 2012

Der Deutsche gilt als besonders sauber. Doch noch besser sind die Schweizer und schon längst überholt haben uns die Asiaten. In seiner zehnten und letzten Kolumne widmet sich Peter Zudeick der Sauberkeit.

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Freistehende Badewanne (Foto: Fotolia.com)
Bild: Fotolia/Pixelwolf

Jetzt wird's schwierig. Denn Sauberkeit gehört eigentlich zur Schweiz. Die ist so sauber, dass man von der Straße essen könnte. Die Schweizer bürsten die Bäume regelmäßig ab, polieren die Berge, schrubben ihre Häuser - was haben wir Deutschen da noch zu melden? Nun ja, sagen wir so: Der Schweizer an sich ist eine etwas übertriebene Ausgabe des Deutschen. Und die Tatsache seiner Existenz nimmt uns nichts von unseren Verdiensten auf dem Gebiet der Sauberkeit.Johann Wolfgang Goethe ist mein Zeuge. "Ein jeder kehre vor seiner Tür, und rein ist jedes Stadtquartier." So hat er gedichtet, der Dichterfürst. Und hat damit nicht nur einen volkstümlichen Ton, sondern auch eine deutsche Wahrheit getroffen. Denn zum einen heißt dieser Spruch: Kümmer dich um deinen eigenen Dreck und misch dich nicht in die Angelegenheiten anderer. Aber er ist auch buchstäblich gemeint. Dass gekehrt wird, gehört zum Wesen des Deutschen. "Wenn der Handwerker seine Werkstatt aufräumt, wenn die Hausfrau das ganze Haus in einen sauber glänzenden Zustand versetzt hat und sogar noch vor dem Haus die Straße gefegt wird, dann zieht eine tief beglückende Stimmung des Ausruhns bei den Menschen ein." So schwärmt der deutsche Philosoph und Pädagoge Otto Friedrich Bollnow.

Schweizer Alpenpanorama
Die Schweiz - Hier gibt es sogar polierte BergeBild: Andreas Haertle/Fotolia

Die Kehrwoche - unter Aufsicht

Das steckt so tief drin, dass in einigen besonders reinlichen Gegenden Deutschlands, in Schwaben zum Beispiel, die Kehrwoche eine feste Einrichtung ist. Ein Schild mit der Aufschrift "Kehrwoche" wird an der Wohnungstür des Mieters aufgehängt, der gerade für die Reinigung von Flur und Treppenhaus zuständig ist, auch das Putzen des Kellers ist geregelt und die Reinigung des Bürgersteigs. Jeder weiß, wer wann dran ist, und der kann sich der freundlichen Aufsicht der anderen Mieter sicher sein.

Aber nicht nur Haus und Hof und Straße und Bürgersteig müssen sauber sein. Die Wäsche ist es vor allem auch. Der Volksmund spricht: "Reine Wäsch und Höflichkeit zieren einen allezeit." In meiner Kindheit hieß die Lebensregel für die Wäsche "rein und ganz". Das Unterhemd durfte geflickt sein, die Socken gestopft, aber sauber musste alles sein. Man könnte ja einen Unfall haben und ins Krankenhaus kommen. Welche Blamage, wenn man mit schmutziger Wäsche auf dem Operationstisch läge. Nicht auszudenken.

In Reih und Glied aufs TöpfchenAuch sonst mag der Deutsche das Reine gar sehr. Das Reinheitsgebot fürs Bier kommt aus deutscher Tradition, auch im übertragenen Sinne mögen wir die Reinheit gar sehr: "Reines Herz und reiner Mut sind in jedem Kleide gut," dichtete ein frommer Mann namens Freidank im 13. Jahrhundert. Und wenn’s besonders rein und sauber sein soll, dann hat die deutsche Sprache den hübschen Begriff "Reinlichkeit" parat. Reinlich, das ist ein Mensch, der besonders eifrig auf Sauberkeit bedacht ist. Um Kinder dazu zu bringen, ordentlich aufs Töpfchen zu gehen statt in Windeln oder in die Hose zu machen, wurde die Reinlichkeitserziehung erfunden. Auf dem Gebiet aber, wir geben es ungern zu, haben uns die Koreaner und andere Asiaten längst den Rang abgelaufen. Diese wunderschönen Bilder von Babys, die im Kinderhort in Reih und Glied auf dem Töpfchen sitzen, bis Darm und Blase rein sind, werden wir wohl nicht liefern können. Schade eigentlich.

Hand im Wasser - Wasser tropft ab (Foto: Fotolia.com)
In Deutschland muss man sauber seinBild: Fotolia/PiChris