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Der 35mm-Film stirbt aus

Stefan Römermann14. August 2013

Die Kinobranche steckt mitten im größten Umbruch ihrer Geschichte. Der klassische Filmprojektor muss neuer Digitaltechnik weichen. Wie finden Kinobetreiber Geschäftsmodelle für die Zukunft?

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Besucher stehen an einem Kassenhäuschen am Cinemaxx-Kino Dammtor in Hamburg (Foto: dpa)
Kino Dammtor in HamburgBild: picture-alliance/dpa

Das leise Surren und Rattern des Filmprojektors war seit den ersten Filmvorführungen der Brüder Lumiere Ende des 19. Jahrhunderts eines der Markenzeichen der Kinobranche. Wer heute hinter die Kulissen eines modernen Digitalkinos schaut, wird allerdings nur noch wenig Kinoromantik spüren.

Im Vorführraum des Cinemaxx am Hamburger Dammtor klingt es jedenfalls wie in einer Fabrikhalle. Ein lautes Gebläse heult ununterbrochen, und kühlt den neuen Digitalprojektor. Der ist groß wie ein Küchenschrank und mit einem dicken Rohr direkt an die Lüftung angeschlossen. Anders geht es auch gar nicht: "Wenn der Projektor eine Durchschnittstemperatur von 30 Grad überwindet, schaltet er sich komplett alleine ab. Dann ist hier alles tot.", erklärt Christian Gisy, Chef der Cinemaxx AG.

Laufende Kosten haben sich verachtfacht

Mitte Juli wurde der letzte Cinemaxx-Saal umgebaut. Seither werden in allen Kinos der Kette sämtliche Filme und Werbespots nur noch digital abgespielt. Für das Unternehmen war das eine gewaltige Investition. Rund 24 Millionen Euro habe der Umbau gekostet, sagt Gisy. Pro Saal fallen meist Kosten zwischen 50.000 und 100.000 Euro an.

Doch auch langfristig ist die Digitalisierung für die Kinobetreiber ein teures Geschäft. Denn die neuen Projektoren verbrauchen erheblich mehr Strom und müssen vergleichsweise häufig gewartet werden. Insgesamt hätten sich die laufenden Kosten deshalb etwa verachtfacht, sagt Kino-Manager Gisy: "Wenn sie die zusätzlichen Kosten mit den Einsparungen verrechnen, muss man ganz klar sagen: Die Rechnung geht nicht auf."

Digitalprojektoren für 3D-Projektion im Forum am Deutschen Museum in München (Foto: imago)
Digitalprojektoren für 3D-FilmeBild: Imago

Filmverleiher profitieren von der Digitalisierung

Dass die Kinobetreiber trotzdem ihre Säle umgerüstet haben, liegt vor allem am Druck ihrer Lieferanten, der Filmverleiher. Sie können durch die Digitalisierung enorm sparen, da das Herstellen und Verteilen der analogen Filmkopien extrem teuer ist. Damit soll nun im Laufe des kommenden Jahres Schluss sein: Neue Filme werden in Deutschland nur noch digital ausgeliefert - analoge Filmkopien im klassischen 35mm-Format gibt es dann wenn überhaupt nur noch von älteren Filmen. Kinobetreiber, die bis dahin ihre Säle nicht umgerüstet haben, bekommen keine Filme mehr, die sie noch abspielen könnten.

Der Verband der Filmverleiher VdF versucht zu beruhigen: Probleme seien durch die Digitalisierung nicht zu befürchten. Die Nachfrage nach analogen Kopien sei inzwischen ohnehin verschwindend gering. Gab es früher von großen Hollywood-Filmen teilweise noch über 1000 analoge Kopien alleine für Deutschland, sei es heute nur noch ein Bruchteil davon, erklärt VdF-Sprecher Johannes Klingsporn: "Zehn, fünfzehn vielleicht, für den gesamten bundesdeutschen Markt." Für die Verleiher rechne sich die Auslieferung so weniger Filmkopien längst nicht mehr.

Spezielle Förderprogramme

Tatsächlich sind deutschlandweit inzwischen rund 80 Prozent aller Kinosäle digitalisiert. Nachholbedarf gibt es noch in kleineren Städten und ländlichen Gebieten. Doch auch hier sollen die meisten Kinos in den nächsten Monaten umgerüstet werden. Möglich ist das nur mit Hilfe spezieller Förderprogramme, denn gerade kleinere Häuser könnten sich sonst einen neuen Digitalprojektor kaum leisten, erklärt Christian Breuer, von der AG Kino Gilde, dem Verband der deutschen Filmkunstkinos.

Trotzdem wird die Digitalisierung wohl auch Opfer fordern: Denn um an die begehrten Fördermittel zu kommen, müssen die Kinos einen bestimmten Mindestumsatz bringen. Und hier fallen viele Betriebe durchs Raster, warnt Breuer: "Das sind oft Kinos, die keinen täglichen Spielbetrieb haben. Filmclubs oder Kinos die auch noch Lesungen und andere kulturelle Veranstaltungen bieten." Für solche Kinos könnte die Digitalisierung im schlimmsten Fall das Aus bedeuten.

Neue Geschäftsmodellen für die digitale Zukunft gesucht

Die größeren Häuser suchen derweil nach neuen Geschäftsmodellen - um die gestiegenen Kosten wenigstens zum Teil wieder hereinzubekommen. Denn natürlich bietet die Digitalisierung für die Betreiber auch Chancen. So gab es früher gerade von anspruchsvollen Filmen aus Kostengründen nur wenige analoge Kopien, die dann über Monate hinweg zwischen den Programmkinos der Republik hin- und hergeschickt wurden. Solche Filme konnten dann nur in einer Handvoll Kinos gleichzeitig aufgeführt werden. Digitalkopien lassen sich dagegen vergleichsweise einfach und billig herstellen und verteilen.

"Das schafft die Möglichkeit für mehr Programmflexibilität", glaubt Breuer. "Und das ist ja gerade die Stärke der kleinen Kinos: Ein vielfältiges Programm jenseits des Hollywood-Mainstreams. Also deutsche Filme, europäische Filme, Filme aus aller Welt." Digital auf der Festplatte des Kinos gespeichert, lassen sich solche Filme nämlich erheblich flexibler einsetzten, als wenn für jede Aufführung eine analoge Kopie herbei geschafft werden muss. Auch Vorführungen in Originalsprache, egal ob mit Untertiteln oder ohne, lassen sich jetzt kurzfristig ins Programm heben. Denn in den Videodateien sind Untertitel und zusätzliche Tonspuren oft schon enthalten und können bei Bedarf per Mausklick ausgewählt werden.

Auch Cinemaxx-Manager Gisy freut sich über die neue Flexibilität im Kinoalltag. Schließlich lässt sich ein Film jetzt auch je nach Publikumserfolg einfach vom Computer aus in einen größeren oder kleineren Kinosaal verlegen. Früher mussten dafür die schweren Filmrollen aufwändig hin- und hergeschleppt werden. Außerdem lassen sich die Projektoren auch für Live-Übertragungen von Sport- oder Kulturveranstaltungen nutzen. "Wir übertragen beispielsweise Samstagsabends die Metropolitan Opera aus New York oder jetzt gerade Wagner aus Bayreuth", sagt Gisy. "Ohne die Digitalisierung wäre so etwas überhaupt nicht denkbar." Ob solche Zusatzgeschäfte allerdings reichen, um die gestiegenen Kosten auszugleichen, wird sich erst in den kommenden Monaten und Jahren zeigen.