1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Brüssel scheint zudem weit weg

7. Mai 2009

Im Juni 2009 wird das Europäische Parlament gewählt, doch über 50 Prozent der Europäer haben daran gar kein Interesse. Die eigene Stimme können nichts ausrichten, ist einer der Gründe (Eurobarometer 71).

https://p.dw.com/p/HlOV
Europäische Flagge unzufrieden (Peter Steinmetz)
Das Europäische Parlament hat nur beschränkte Rechte
  • "Teilweise bekommen wir ja jetzt schon mit, wenn das Europaparlament Beschlüsse fasst, aber es ist nicht ausreichend in den Nachrichten."

  • "Der Bürger hat keine großen Einflüsse auf das Europaparlament und es ist auch nicht bürgernah genug. Das Parlament müsste sich den Bürgern viel mehr öffnen und nicht nur die Gehälter erhöhen."


  • "Ich weiß noch nicht einmal, ob das Parlament in Brüssel oder in Straßburg ist."


Die Passanten vor dem Bundestag in Berlin machen keinen Hehl daraus, dass ihnen das Europäische Parlament sehr weit weg erscheint. Dieses Gefühl spiegelt sich auch in vielen Umfragen wider. Tatsächlich aber steht diese "gefühlte Ferne" im Widerspruch zum Einfluss, den das EU-Parlament und die anderen europäischen Institutionen auf das Leben der Bürger in den Mitgliedsstaaten haben.

Hat die EU ein Demokratiedefizit?

Menschen mit Fähnchen mit europäischen Flaggen, im Vordergrund ein Mann mit einer blauen EU-Kappe (12.09.2003/AP photo/Pressens Bild/Ola Torkelsson)
Jeder zweite Europäer hat kein Interesse an der EuropawahlBild: AP

Warum nur ist Europa so wenig fassbar? Als ein wesentlicher Grund gilt das so genannte Demokratiedefizit der Europäischen Union. Das Europäische Parlament hat nur beschränkte Rechte, es wählt zum Beispiel nicht den Präsidenten der Kommission. Diese wichtige Entscheidung treffen die Mitgliedsländer. Das Parlament kann auch keine Gesetze vorschlagen. Dieses Recht liege in erster Linie bei der Kommission, erklärt Sabine von Oppeln, Politikwissenschaftlerin an der Freien Universität (FU) Berlin. "Das ist durchaus ein Punkt der Schwäche. Auf der anderen Seite kann man schon sagen, dass das Europäische Parlament die Kommission veranlassen kann, Gesetzgebungsverfahren einzuleiten."

In der öffentlichen Wahrnehmung ist das Europäische Parlament auch deshalb kaum vorhanden, weil es nur wenige spannende Debatten gibt. Die Abstimmungsprozesse finden oft in Ausschüssen statt. Eine klare Trennlinie zwischen "Regierungspartei" und "Opposition" fehlt. Es herrscht allgemein ein pragmatisches Vorgehen.

Komplizierte Regeln

Ein Kind spielt mit den Teilen eines Europakarten-Puzzles auf dem Boden im Europa-Parlament
So fassbar ist Europa selten: Viele Europäer bemängeln die Abstraktheit der UnionBild: presse

Ein weiterer Kritikpunkt: Bei der Wahl zählt die Stimme eines Bürgers aus einem kleinen Staat wie etwa Malta das Vielfache der Stimme eines Franzosen oder Deutschen. Das liegt schlicht daran, dass es für die Zahl der Abgeordneten pro Land Obergrenzen gibt.

Außerdem sind die Regeln, nach denen das EU-Parlament arbeitet, relativ kompliziert. Auch das mache es schwer, dessen Arbeit zu vermitteln, sagt Politikwissenschaftlerin Sabine von Oppeln. Das Komplizierte an der Europäischen Union sei, "dass man von Politikbereich zu Politikbereich schauen muss, welches Entscheidungsverfahren zum Tragen kommt und je nachdem, welches Entscheidungsverfahren zum Tragen kommt, hat das Parlament mehr oder weniger Mitspracherechte."

Beim Verbraucherschutz und der Umweltpolitik entscheidet das EU Parlament zum Beispiel gleichberechtigt mit dem Rat und der Kommission. In Haushaltsfragen darf es nur zum Teil mitbestimmen. Und bei der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik bleibt es ganz außen vor.

Der Vertag von Lissabon soll's richten

Der Vertrag von Lissabon sieht nun vor, die Mitbestimmungsrechte des Parlaments zu stärken. Außerdem ist geplant, dass die EU-Abgeordneten den Kommissionspräsidenten wählen. Für die Bevölkerung würden die Wahlen damit viel spannender werden: Dann könnte jeder einzelne mit seiner Stimme zur Europawahl auch über den Präsidenten der Kommission mit entscheiden.

Autorin: Nina Diezemann
redaktion: Julia Kuckelkorn