1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Demokratie-Referendum in Macao

Hans Spross21. August 2014

Nach dem Vorbild der Demokratiebewegung Hongkongs wollen Aktivisten in Macao kommende Woche ein Referendum über politische Reformen abhalten. Sie werden einen langen Atem brauchen.

https://p.dw.com/p/1Cyhj
Proteste gegen Arbeitsbedingungen in China
Bild: AP

Zum Machtkampf zwischen der Pro-Demokratie-Bewegung in Hongkong und der Führung in Peking gesellt sich jetzt auch Macao, die ehemals portugiesische Kolonie rund 30 Kilometer westlich von Hongkong. Ab dem kommenden Wochenende wollen drei Bürgerrechtsgruppen - "Macao Conscience", "Open Macao Society" und "Youth Dynamic" - ein inoffizielles Referendum abhalten. Den über 16-jährigen unter den rund 550.000 Einwohnern sollen zwei Fragen vorgelegt werden: "Soll der Regierungschef Macaos (Chief Executive) durch allgemeine Wahlen bestimmt werden?" Und: "Haben Sie Vertrauen in den einzigen Kandidaten für das Amt des Regierungschefs, Chui San On?" Die Organisatoren räumen ein, dass das Referendum keine rechtliche Wirkung hat. Trotzdem hat die Regierung Macaos das Vorhaben bereits als illegal gebrandmarkt.

Chui San On, oder Fernando Chui, hat seit 2009 den Posten des Chief Executive inne. Er steht am 31. August zur Wiederwahl für weitere fünf Jahre. Er wird wie in Hongkong von einem Wahlausschuss gewählt, dessen Mitglieder verschiedene gesellschaftliche und berufliche Sektoren repräsentieren. Der Wahlausschuss umfasst derzeit 400 Mitglieder in Macao und 1200 in Hongkong. Wie die Zeitschrift "The Economist" schreibt, bestehen diese Gremien "aus handverlesenen Mitgliedern des Establishments, die dafür sorgen, dass kein Kandidat gewählt wird, der in Peking auf Missfallen stoßen würde."

"Peking ignoriert Aktivisten aus Macao"

Im "Grundgesetz" (Basic Law) für die Sonderverwaltungsregion Hongkong wurde als "Endziel" (ultimate aim) festgelegt, dass der Regierungschef und alle Abgeordneten durch allgemeine Wahlen (universal suffrage) bestimmt werden sollen. Allerdings soll die Nominierung von Kandidaten weiterhin dem Wahlausschuss (election committee) vorbehalten bleiben - derzeit der entscheidende Streitpunkt zwischen der Führung in Peking und Hongkongs Aktivisten. Im Zug von langwierigen Konsultationen wurde von Peking als Termin für die allgemeine Wahl des Chief Executive 2017 festgelegt.

Fernando Chui, Regierungschef von Macao
Fernando Chui, Regierungschef von Macao, soll am 31.8. für weitere fünf Jahre gewählt werdenBild: Ed Jones/AFP/Getty Images

Im "Grundgesetz" für Macao fehlt eine solche Zielvorgabe. Ein entscheidender Unterschied in der Ausgangsposition für die beiden Pro-Demokratiebewegungen in Macao und Hongkong, könnte man meinen. Aber Bill Chou Kwok-ping, Demokratie-Aktivist und bis vor kurzem Politologe an der Universität von Macao, sieht den größten Unterschied nicht im Juristischen: "Bislang ignoriert Peking die Aktivisten aus Macao. Sie sind einfach zu wenige, um Peking ernsthaft herauszufordern", sagt Chou im Gespräch mit der Deutschen Welle.

Im Gegensatz zu Hongkong regt sich die demokratische Opposition gegen Peking in Macao erst seit kurzem. Der Hongkonger Journalist Chu Hin Long erklärt den Unterschied so: "In Macao wurde die Rückgabe an China (im Jahr 1999) weitgehend begrüßt, die Verwaltung durch Portugal stand nicht in hohem Ansehen, es gab viel Kriminalität und so weiter. Als ich vor 15, 16 Jahren zu Recherchen nach Macao fuhr, gab es in der Legislativversammlung (Legco) nur einen Abgeordneten, der zum Pro-Demokratie-Lager zählte. Er war total isoliert", sagt Chu der Deutschen Welle.

Hauptstadt des Glücksspiels

Hongkong hat zwar rund 13 Mal so viele Einwohner wie Macao, erwirtschaftet aber "nur" etwa sechsmal soviel wie Macao. Trotz einem momentanen Rückgang bei den Kasino-Umsätzen als Folge der Anti-Korruptionskampagne in China, sehen Experten Macao auf weiterem Wachstumskurs. Als Glücksspiel-Hauptstadt der Welt hat das winzige Territorium 30 Kilometer westlich von Hongkong die US-Wüstenmetropole Las Vegas inzwischen verdrängt. Der Umsatz war 2013 mit 38 Milliarden US-Dollar sechs Mal so hoch wie der in Las Vegas. Amerikanische Kasino-Betreiber, die auch in Macao operieren, halten die 100-Milliarden-Marke für erreichbar.

Macau Skyline (Foto: Callaghan Walsh/Getty Images)
Glücksspiel-Paradies MacaoBild: Callaghan Walsh/Getty Images

Von solchen rosigen Wachstumsaussichten lassen sich Macaos Demokratie-Aktivisten jedoch nicht ablenken. Sie fordern mehr politische Partizipation für die Bürger. "Der Kasino-Boom verschärft die sozialen Gegensätze", sagt Politologe Chou Kwok-ping, dessen Dozentenstelle an der Universität von Macao nicht verlängert wurde - er vermutet, wegen seiner Pro-Demokratie-Aktivitäten. "Immer mehr Einwohner von Macao erkennen, dass das Wirtschaftswachstum sich nicht auf ihren Lebensstandard auswirkt. Sozialer Protest (wie am 1. Mai 2011, s. Artikelbild - Red.)regt sich inzwischen häufiger und in größerem Umfang als ehedem", so die Beobachtung Chous. Sollte dieser Trend anhalten und die Menschen die Verbindung zwischen ihren Problemen und dem politischen System erkennen, "werden sich viele der Demokratiebewegung anschließen", gibt sich Chou überzeugt.

Schwierige Ausgangslage in Macao für Reformen

Journalist Chu aus Hongkong ist sich nicht so sicher. "In Hongkong hatte es die Pro-Demokratiebewegung in den letzten zehn, 15 Jahren sehr schwer, obwohl die öffentliche Meinung und gesellschaftliche Tendenz stark in Richtung Demokratie und allgemeines Wahlrecht tendiert." Insofern hält er es im Falle Macaos, das traditionell stärker als Hongkong nach Peking orientiert sei, für unwahrscheinlich, dass die Demokratie-Bewegung dort starke Wurzeln schlagen werde.

Pro-demokratische Demonstration in Hongkong 01.07.2014 (Foto: AFP/Getty Images)
Rund 800.000 Hongkonger gingen am 1. Juli für mehr Demokratie auf die StraßeBild: AFP/Getty Images

Beide Beobachter, Chu aus Hongkong und Chou aus Macao, halten die generellen Aussichten für die Einführung eines allgemeinen und gleichen Wahlrechts in den beiden Sonderverwaltungsregionen für schlecht. "Solange die verschiedenen Gruppierungen innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas zusammenhalten und Demokratie nach westlichem Muster ablehnen, sind die Aussichten für die Demokratiebewegung in beiden Städten düster", so das Fazit von Bill Chou Kwok-ping.