1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Debatte um Grenzkontrollen

Wolfgang Dick10. September 2014

Die Flüchtlingszahlen steigen. Aufnahmestellen für Asylsuchende in Deutschland sind überfüllt. Bayerns Regierungschef Horst Seehofer fordert jetzt schärfere Grenzkontrollen und löst damit einen heftigen Streit aus.

https://p.dw.com/p/1D9lT
Flüchtlinge vor einer Erstaufnahmeeinrichtung - Foto: Arne Dedert (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Nach der Vorstellung von Horst Seehofer (CSU) sollen vor allem an der Grenze zwischen Deutschland und Österreich wieder Kontrollen eingeführt werden, wenn es nicht gelingt, die Zahl der Flüchtlinge zu verringern, die über Italien nach Bayern und damit nach Deutschland einreisen.

Italien sei verpflichtet, Flüchtlinge zu registrieren. Fingerabdrücke müssten in die Datenbank Eurodac eingegeben werden, um zu gewährleisten, dass Flüchtlinge in Deutschland identifiziert und nach Italien zurückgeschickt werden können. All dies unterlasse Italien und verstoße damit gegen geltendes Recht in der Europäischen Union, lauten die Vorwürfe des bayrischen Ministerpräsidenten. Zu seinen Forderungen und den Plänen seines Kabinetts gehören auch eine Visapflicht für Menschen aus Balkan-Staaten und feste Quoten für die Aufnahme von Flüchtlingen in der EU.

Zeltstadt in Duisburg für Flüchtlinge - Foto: Federico Gambarini (dpa)
Zeltstadt in Duisburg: Kaum noch Unterkünfte für FlüchtlingeBild: picture-alliance/dpa

Bisherige EU-Regelung für Flüchtlinge

An den Grenzen zwischen den meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union gibt es - bis auf kleine Stichproben - keine Kontrollen. Es soll für 400 Millionen Europäer weitgehende Bewegungsfreiheit herrschen. Geregelt ist diese im sogenannten Schengener Übereinkommen, das in den 1990er Jahren in der kleinen Gemeinde Schengen bei Luxemburg unterzeichnet wurde. Das Problem der Grenzkontrollen haben nunmehr die Staaten an den EU-Außengrenzen, wie Frankreich, Spanien und Italien.

Für sie gilt die sogenannte Dublin-Verordnung. Diese Regelung besagt, dass ein Asylantrag in dem Staat gestellt werden muss, in dem ein Flüchtling zum ersten Mal in die Europäische Union eingereist ist. Ursprünglich sollte damit erreicht werden, dass nur in einem Land der EU ein Asylantrag gestellt werden kann. Doch die Regelung gilt seit den enormen Flüchtlingsströmen aus den aktuellen Krisenregionen als wenig solidarisch, bürdet sie doch die Hauptlast des Flüchtlingsproblems den Ländern an der EU-Südgrenze auf. Hinzu kommt, dass Asylsuchende in Ländern, die politisch als "sicher" gelten, eigentlich verbleiben müssten.

Das Schengener Abkommen wurde bereits 2013 reformiert: Bei einem erhöhten Ansturm von illegalen Flüchtlingen an den Außengrenzen dürfen EU-Staaten nach Absprache mit Brüssel Passkontrollen einführen - allerdings nur für eine begrenzte Zeit.

Deutschland - Flüchtlinge in Berlin
Flüchtlinge protestierten in Berlin für bessere AufnahmebedingungenBild: DW

Deutliche politische Gegenwehr

Horst Seehofer ist nicht nur Ministerpräsident von Bayern, sondern auch Vorsitzender der Partei CSU und damit neben CDU und SPD Koalitionspartner in der Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel. Das erklärt, warum seine Forderungen nach schärferen Kontrollen an den Grenzen nicht einfach als purer Populismus wahrgenommen und ignoriert werden.

Es gibt viele Stimmen, die Seehofers Drohung ablehnen. Die Organisation ProAsyl spricht von einem "Versagen Europas und Deutschlands in der Flüchtlingspolitik". Die evangelische Kirche warnt, dass mit Seehofers angedachten Maßnahmen Migranten noch stärker in die Arme von Schlepperbanden getrieben würden. Volker Jung, Präsident der evangelischen Kirche in Deutschland, fordert, die immer wieder angekündigte europäische Flüchtlingskonferenz endlich einzusetzen und ein solidarisches Aufnahmesystem einzurichten.

"Menschlichkeit darf nicht an den Grenzen haltmachen", sagte der Innenminister des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger (SPD). Damit bringt er die generelle Haltung der Sozialdemokraten zum Ausdruck. Die Grünen-Parteichefin Simone Peter erklärte gegenüber der Zeitung "Rheinische Post": "Wer sich ein Europa der Schlagbäume zurückwünscht, verrät die Idee der Europäischen Union".

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer (SPD), kritisierte Horst Seehofer und die CSU ebenfalls. Strässer kündigte an, dass er nach Serbien und Bosnien fahren werde, um sich vor Ort ein Bild über die Menschenrechtssituation zu machen. Grund für diese Reise sind geplante Neueinstufungen dieser Länder.

Thomas de Maiziere
Bundesinnenminister Thomas de MaizièreBild: imago/Jens Schicke

Reaktion und Pläne der Bundesregierung

Denn Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien sollen nach den Plänen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) als sogenannte "sichere Herkunftsstaaten" eingestuft werden. Asylsuchende, die zuvor in diesen Ländern waren, müsste Deutschland dann ebenfalls nicht mehr aufnehmen.

Die Bundesregierung steht der Forderung Seehofers und seiner CSU ansonsten ablehnend gegenüber. Bisherige Stellungnahmen des Bundesinnenministeriums verweisen auf noch anstehende Abstimmungen in der EU. Dort wird darüber nachgedacht, wie man gezielter gegen Schleuser vorgehen kann. Außerdem sollen von Flüchtlingsströmen besonders betroffene Transit- und Herkunftsstaaten besser unterstützt werden. Bundesinnenminister de Maizière erklärte sich im Bundestag bereit, darüber nachzudenken, ob einzelne EU-Länder "auf freiwilliger Basis" und zeitlich befristet mehr Flüchtlinge aufnehmen können. Die Bundesregierung rechnet damit, dass bis Ende des Jahres rund 200.000 Menschen Anträge auf Asyl in Deutschland stellen werden. Vor dem Hintergrund wird die Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen weitergehen.