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Deals mit dem Diktator

Sven Pöhle19. September 2013

Noch vor wenigen Jahren saß Syriens Diktator Assad fest im Sattel. Lange hatten sich viele Staaten mit dem Machthaber in Damaskus arrangiert. Auch Deutschland arbeitete in vielen Bereichen mit dem Regime zusammen.

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Bundesaußenminister Guido Westerwelle führt in Damaskus eine Unterredung mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad. (Foto: Thomas Trutschel/ photothek.net/dpa)
Syriens Präsident Assad empfängt den deutschen Außenminister WesterwelleBild: picture-alliance/dpa

Seit Januar 2012 ist die deutsche Botschaft in Damaskus geschlossen. Die Entwicklungszusammenarbeit mit der syrischen Regierung ist bereits seit Mai 2011 ausgesetzt. Seitdem gelten auch verschärfte Sanktionen gegen Syrien.

Grund dafür sind der Bürgerkrieg in Syrien und das Vorgehen des syrischen Machthabers Baschar al-Assad gegen die Opposition. Doch gerade mit dem syrischen Diktator arbeitete Deutschland nach dessen Amtsantritt im Jahr 2000 in verschiedenen Feldern zusammen. Gerhard Schröder besuchte im Oktober desselben Jahres als erster deutscher Kanzler Syrien. Nach der Regelung eines Streits um Altschulden wurde die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Syrien ab 2001 wieder aktiv. Wichtig waren in der deutsch-syrischen Zusammenarbeit aber vor allem sicherheitspolitische und geostrategische Aspekte.

Zusammenarbeit der Geheimdienste

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 stand vor allem die sicherheitspolitische Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus im Vordergrund.

Im Jahr 2002 gab der spätere Außenminister Frank-Walter Steinmeier - damals Kanzleramtschef unter Gerhard Schröder, heute SPD-Fraktionsvorsitzender - sein Einverständnis für eine Kooperation deutscher Sicherheitsbehörden mit dem syrischen Militärgeheimdienst. Obwohl Dokumente aus dem Auswärtigen Amt systematische Folter in Syrien belegten.

Im selben Jahr wurde der in Syrien inhaftierte deutsch-syrische Staatsbürger Mohammed Zammar durch deutsche Beamte befragt. Als Gegenleistung für die Informationen wurden zwei syrische Spione freigelassen, die in deutscher Untersuchungshaft saßen. Der Bundesregierung wurde in der Folge vorgeworfen, bewusst das Folterverbot zu unterlaufen.

Deutsche Firmen wie Siemens oder das IT-Unternehmen Trovicor lieferten Syrien Überwachungstechnologie, die eine flächendeckende Kontrolle der Internet- und Telefonkommunikation ermöglicht.

Syriens Schlüsselrolle im Nahostkonflikt

Die deutsche Politik distanzierte sich von Damaskus, nachdem der damalige US-Präsident George W. Bush Syrien 2003 als "Schurkenstaat" bezeichnet hatte. Bush klagte die syrische Führung als Unterstützer radikaler Islamisten und der Hisbollah im Libanon sowie der Hamas im Gazastreifen an. Auch die syrische Allianz mit dem Iran, laut Bush Mitglied der "Achse des Bösen", war dem US-Präsidenten ein Dorn im Auge.

Doch gerade wegen seiner politischen Kontakte und seiner geostrategischen Lage gilt Syrien als Schlüsselland im Friedensprozess für den Nahen Osten. Ohne Syrien keine Lösung in der Nahostfrage, so die Erkenntnis des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier trifft am 4.Dezember 2006) in Damaskus den syrischen Staatspräsidenten Baschar al-Assad (Foto: Tim Brakemeier dpa/lbn/dpa)
2006 war Außenminister Frank-Walter Steinmeier Gast in DamaskusBild: picture-alliance/dpa

Diese Erkenntnis lag auch der Politik des ehemaligen deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier zugrunde: Als "regionalen Ansatz" bezeichnete Steinmeier seinen Versuch, die arabischen Nachbarn Israels zu Verhandlungen für eine Lösung im Nahostkonflikt zu bewegen. 2006 wurde der Minister in Damaskus mit allen Ehren empfangen. Einen vorher geplanten Besuch hatte Steinmeier abgesagt, da sich Assad anti-israelisch geäußert hatte.

Das deutsche Interesse an der Sicherheit Israels sei stets vorrangig gewesen, sagt Sebastian Sons, Syrien-Experte des Deutschen Orient Instituts. "Und da war Baschar al-Assad ebenso wie Husni Mubarak in Ägypten ein verlässlicher Partner." Dafür habe man Kritikpunkte an dem Regime - wenn überhaupt - nur leise geäußert.

Deutscher Ansatz: Wandel durch Wirtschaft?

Ein Jahr nach dem Besuch Steinmeiers in Damaskus sagte die Bundesregierung Syrien für zwei Jahre Hilfsleistungen in Höhe von 44 Millionen Euro zu.

Über die wirtschaftliche Zusammenarbeit wollte die Bundesregierung langsam Reformen und einen politischen Wandel herbeiführen. "Diesen Trugschluss hat sich Assad zunutze gemacht", sagt Sebastian Sons. So habe es zwar eine wirtschaftliche Liberalisierung gegeben, dies habe aber nicht dazu geführt, dass das Assad-Regime die Zügel gelockert habe.

Die deutschen Ausfuhren nach Syrien stiegen von 378 Millionen Euro im Jahr 2000 auf 656 Millionen Euro im Jahr 2010. Am Gesamtwert der deutschen Exporte haben die Ausfuhren nach Syrien nur einen sehr geringen Anteil. 2010 lag er unter einem Prozent. Nach Ausbruch des Bürgerkriegs fiel der Wert der Exporte 2012 auf 205 Millionen Euro.

Unter den Exportgütern befanden sich auch Chemikalien, die zur Herstellung des Giftgases Sarin genutzt werden können, wie das Bundeswirtschaftsministerium auf eine Anfrage der Linkspartei einräumte. Demnach genehmigten die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Schröder und die große Koalition unter Angela Merkel zwischen 2002 und 2006 die Lieferung von 111 Tonnen sensibler Chemikalien. Diese sind sogenannte Dual-Use-Güter. Das heißt, sie können sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden. Daher ist ihr Export genehmigungspflichtig.

Bundeskanzler Gerhard Schröder führt mit dem syrischen Präsidenten Baschar el Assad am 30.10.2000 in Damaskus eine Unterredung (Foto: dpa)
Als erster Bundeskanzler hatte Gerhard Schröder Syrien besuchtBild: picture-alliance/dpa

Die entsprechenden Genehmigungen "wurden nach sorgfältiger Prüfung auf mögliche Verwendungen im Zusammenhang mit Chemiewaffen erteilt", heißt es in dem Schreiben des Ministeriums. "In allen diesen Fällen wurde die geplante zivile Verwendung der Güter plausibel dargestellt." Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte, die Chemikalien seien "nach allen Erkenntnissen, die mir zur Verfügung stehen" für zivile Zwecke genutzt worden. Auch die frühere rot-grüne Regierung habe dies sehr streng geprüft.

"Es ist ja völlig in Ordnung, dass man damals Hoffnungen in den jungen Assad gesetzt hat und Wirtschaftsbeziehungen entwickelt hat", sagt der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei Jan van Aken. Dass man aber im "Business mit Diktatoren, die vermeintlich für Stabilität sorgen" ausgerechnet bei Chemikalien weggeschaut habe, sei unverständlich. "Alle Welt wusste damals, dass es ein großes Giftgasprogramm gab in Syrien."